Metro-Chef Wohlfahrter: „Es wird zu wenig philosophiert“

Arno Wohlfahrter
Ex-Rennradprofi Arno Wohlfahrter über Sport und Management sowie die Trends im Großhandel

Der Österreich-Chef von Metro hat „Demut“ gelernt und hält auch „Entschleunigung“ für kein Fremdwort.

KURIER: Sie waren fünf Jahre lang Profi-Radrennfahrer. Fiebern Sie als ehemaliger Spitzensportler bei einer WM mit?

Arno Wohlfahrter: Ja, man fiebert mit jedem Spitzensportler mit, weil man weiß, wie viel Kraft und Energie es braucht, um diese Leistung abrufen zu können. Sport bleibt für mich eine faszinierende Welt.

Voriges Jahr haben Sie den Business Athlete Award bekommen für erfolgreiche Ex-Sportler. Welche Eigenschaften aus dem Sport machen sich im Management bezahlt?

Demut, Fokussierung und an einem selbst arbeiten.

Beim Großhändler Metro kaufen viele Gastronomen ein. Spüren Sie den schönen Frühsommer?

Absolut. Die Gastgärten sind voll, das hat 1:1 Auswirkung auf unsere Geschäftsentwicklung.

Sie sind ein börsenotierter, europäischer Handelskonzern. Im April musste die Prognose wegen des schwachen Russlandsgeschäfts gesenkt werden. Trifft das auch die Österreich-Tochter?

Alle, die dort tätig sind, müssen ihr Geschäft natürlich adaptieren. Wir glauben aber nach wie vor fest daran, dass Russland ein großer, sehr guter Markt für Metro ist und bleiben wird.

Metro hat einen großen Waren-Bauchladen: von Lebensmittel über Küchengeräte bis hin zu Kleidung. Werden Sie daran etwas verändern?

Wir sind sehr zielgruppenorientiert. Der Ultrafrischebereich verändert sich: Fisch wächst, Fleisch auch immer noch leicht, obwohl es einen Trend zu Obst und Gemüse gibt.

Trotz des Vegan- und vegetarischen Trends wächst der Fleisch-Absatz?

Ja, aber man sieht, dass bewusster konsumiert und höhere Qualität gekauft wird.

Sie haben allerdings sehr viel deutsches Fleisch im Regal.

Wir haben aber auch sehr regionale Produkte: Duroc-Schwein, das nur für uns in der Steiermark gezüchtet wird, Black Angus aus dem Waldviertel oder das Triestingtaler Rind. Und wir wollen noch weitere Schritte in Richtung Regionalität setzen. Auch der Bio-Anteil steigt.

Halten Sie E-Mobilität für eines der Zukunftsthemen? Da investiert Metro ja gerade stark.

Das ist unser Beitrag für lokale Emissionsfreiheit. Auch wenn wir nicht glauben, dass E-Mobilität flächendeckend kommen wird: Im urbanen Gebiet kann sie sich durchsetzen. E-Mobilität könnte die Vorstufe zu Brennstoffzellen sein. Wir setzen außerdem auf Photovoltaik und sind ab 2019 in der gesamten Strombelieferung -neutral.

Seit Februar fördern Sie Lebensmittel-Start-ups. Wie funktioniert das?

Man kann sich bei uns bewerben. Eine Jury verkostet und wählt aus. Metro bietet Verkaufsfläche, und wenn die Kunden das Produkt annehmen, wird es gelistet. Wir bieten Lebensmittel-Innovationen und Start-ups können Markterfahrung sammeln.

Wie geht Metro eigentlich mit der Digitalisierung um?

Wir verbessern Prozesse, bemühen uns, dass Kunden einfacher bestellen können und optimieren die Suchbegriffe. In St. Pölten testen wir elektronische Preisschilder.

Kosten Digitalisierung und Roboterisierung bei Ihnen Jobs? Roboter können Produkte ja effizienter und billiger schlichten als menschliche Arbeitskraft.

Wir sind ja kein Lagerhaus im klassischen Sinn. Bei Fisch zum Beispiel muss man das Produkt sehen, angreifen, teilweise auch riechen. Im Bereich mit Konserven und Dosen könnten Roboter eingesetzt werden. Wir planen das derzeit aber nicht. Wir haben circa 2200 Mitarbeiter, das bleibt stabil. Darunter sind knapp über 100 Lehrlinge.

Spüren Sie einen Fachkräftemangel?

Es wird schwieriger, Lehrlinge zu finden. Man muss diskutieren, ob die Lehrlingsausbildungssysteme noch adäquat sind. Wie kann man Lehrberuf-übergreifend ausbilden? Wir bräuchten zum Beispiel Großhandel, Koch und Digitalisierung vereint. Es gibt ja die Initiative der Bundesregierung zum E-Commerce-Lehrling. Da machen wir auch mit. Wir brauchen mehr Flexibilität in den Lehrbildern. Und ich fördere Lehre mit Matura.

Wirte suchen händeringend Köche und Kellner. Sie auch?

Absolut. Service- und Dienstleistungspersonal ist knapp.

Was wünschen Sie sich von der Regierung für den Wirtschaftsstandort?

Ich möchte vorausschicken, dass Österreich ein cooles Land ist. Wir reden zu viel schlecht. Andererseits müssen wir uns fragen, wie viel Starrheit wir uns im Wettbewerb leisten können. Es geht um drei wesentliche Punkte: um mehr Flexibilität in den Öffnungs- und Arbeitszeiten. Gewerberechtliche Genehmigungen müssten schneller erteilt werden. Und der dritte Baustein ist die hohe Steuerquote. Das ist nicht förderlich für den Wirtschaftsstandort.

Für einen Manager und ehemaligen Spitzensportler verwenden Sie in Ihrem Buch „Das Gavia-Prinzip“ (nach einem gleichnamigen Pass beim Radrennen Giro d’Italia) erstaunliche Worte: Bauchhirn, Entschleunigung, Beziehungsnetzwerke verstehen, die Opferrolle im Dramadreieck, Individualität leben. Sind Sie nicht nur Sportler und Manager, sondern ein wenig auch Philosoph?

Die sportlichen Erlebnisse haben bei mir zum Philosophieren geführt. Ich finde sowieso, dass zu wenig philosophiert wird in der Welt. Wenn in der Weltpolitik mehr philosophischer Diskurs stattfinden würde, würden viele Entscheidungen vielleicht anders ausfallen.

Zur Person

Der 53-jährige Arno Wohlfahrter ist seit 2016 Chef von Metro Österreich. Davor arbeitete er unter anderem für Agip. Wohlfahrter war über ein Jahrzehnt Mitglied des österreichischen Rennrad-Nationalteams und fuhr fünf Jahre lang als Profi.

"Warum eigentlich, Herr Wohlfahrter?"

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