Erst bauen, dann planen: Warum Baukosten explodieren

Erst bauen, dann planen: Warum Baukosten explodieren
Elbphilharmonie und KH Nord: Die Gründe, warum Kosten ausarten, sind oft dieselben. TU-Professor rät: Erst planen, dann bauen.

Ob Krankenhaus Nord, Flughafen Wien oder AKH: Kostenexplosionen bei Großprojekten gibt es nicht nur in Österreich, sondern in fast allen Ländern – und daran hat sich in den vergangenen 70 Jahren nichts geändert, sagt Michael Monsberger, Professor an der Technischen Universität Graz und Spezialist für Gebäudetechnik.

Es gibt viele Gründe, warum es immer wieder dazu kommt. Einer der häufigsten: Die Beteiligten reden zu wenig miteinander. „Kooperatives Planen im Team ist wichtig“, sagt Monsberger. Bauherr, Architekt und Fachplaner haben zwar alle Wünschen, ziehen aber zu wenig an einem Strang. Zweitens müsse von realistischen Zeit- und Kostenrahmen ausgegangen werden. „Um große Projekte durchzubringen, werden oft zu optimistische Varianten angesetzt“, kritisiert Monsberger.

Vergessener Bereich

Ein wesentlicher Knackpunkt sei die Gebäudetechnik. Diese habe sich in den vergangenen Jahren enorm entwickelt und werde häufig unterschätzt. Hier gehe es um Stromkabel, Steuerungen, Leitungen und vieles mehr. Dieser Bereich mache oft bis zu 50 Prozent der Errichtungskosten aus. „Die Gebäudetechnik hat viele Schnittstellen mit anderen Bereichen, deshalb ist hier viel Koordination notwendig“, so Monsberger, der zu diesem Thema eine Studie erstellt hat. Dennoch werde auf eine Abstimmung oft verzichtet.

Mit fatalen Folgen, vor allem bei komplexen Gebäuden: Werden in den Wänden und Decken zum Beispiel Schlitze oder Durchbrüche für Leitungen vergessen, müssen diese nachher angebracht werden, und da wird es mühsam. Nicht nur, dass es viel aufwendiger ist, nachträglich ein Loch in eine Betonwand zu schremmen. Oft muss der Architekt oder der Statiker gerufen werden, ob das zu Komplikationen führen könne. „Nicht selten zieht das einen Rattenschwanz an Folgeprozessen mit sich“, so Monsberger. Bei großen Gebäuden könne es sich rasch um bis zu tausend Durchbrüche handeln.

Wenig Spielraum

Da Bauherren viel Nutzfläche wollen, bleibt oft für die Gebäudetechnik wenig Platz, so Monsberger weiter. „Hier wäre es gut, wenn man Reserven einbaut, denn wenn es zu Planungsunschärfen kommt, braucht man Spielraum.“ Generell gelte die Regel: Je früher man im Bauprozess Änderungen durchführt, umso einfacher und günstiger, je später, desto schwieriger und teurer wird es.

Monsberger kritisiert auch, dass im deutschsprachigen Raum gebaut wird, obwohl der Plan noch gar nicht fertig ist. Zum Beispiel wird oft mit dem Rohbau begonnen, obwohl die Gebäudetechnik noch nicht zu Ende gedacht wurde. Ziel ist es, Bauzeit und Kosten zu sparen. Oft passiert aber das Gegenteil. „Daher sollte man erst beginnen, wenn man eine ausführungsreife Planung hat. Also erst planen, dann bauen.“ Bauherren wären auch gut beraten, nicht den Billigst- sondern den Bestbieter zu wählen. Digitale Methoden, wie das Gebäude mit Hilfe von Virtual Reality zu planen und zu begehen, würden nur funktionieren, wenn die Menschen im Hintergrund das Tool beherrschen. Andernfalls könne es falsch eingesetzt werden.

Große Kostenüberschreitungen sind meist ein Mix aus mehreren Gründen, so der Experte. Nicht selten könne man bei komplexen Projekten die Ursachen gar nicht feststellen. „In jüngster Zeit hat man sich stärker der Untersuchung des Themas angenommen. Die Erkenntnisse aus den Arbeiten sollten umgesetzt werden.“ Die TU Graz habe mit ihrer Professur für Gebäudetechnik einen Akzent gesetzt.

Zu den größten Kostenexplosionen kam es übrigens beim Suezkanal (19 Mal teurer als geplant) und beim Opernhaus in Sydney (14 Mal), weitere aktuelle Beispiele sind die Elbphilharmonie (zehn Mal) und der Flughafen Berlin (drei Mal).

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