Gasversorgung: Warum Katar die Nase voll hat von der EU

Katars Energieminister Saad Scharida Al-Kaabi drohte der EU bereits vor einigen Monaten mit Flüssiggas-Entzug: "Ich bluffe nicht."
Zusammenfassung
- Katar droht, Flüssiggaslieferungen an die EU einzustellen, falls das Lieferkettengesetz nicht reformiert wird.
- Das EU-Lieferkettengesetz verlangt von Unternehmen und deren Lieferanten weltweit die Einhaltung von Umwelt- und Menschenrechtsstandards.
- Ein Ausfall katarischer LNG-Lieferungen könnte die Preise erhöhen und die Abhängigkeit Europas von den USA verstärken.
Am persischen Golf ist der Unmut über die Europäische Union groß. Katar und sein staatliches Energieunternehmen QatarEnergy zögen ernsthaft in Betracht, alternative Märkte für Flüssiggas (LNG) außerhalb der EU zu suchen. Das Emirat verlangt dringend eine Änderung des europäischen Lieferkettengesetzes. Das geht aus einem vertraulichen Schreiben an die Regierungen mehrerer EU-Staaten hervor, dessen Existenz nun bekannt wurde.
Was ist das Lieferkettengesetz?
Vor einem Jahr hat die EU beschlossen, Unternehmen ab einer gewissen Größe dazu zu verpflichten, die Einhaltung von Umwelt- und Menschenrechtsstandards entlang ihrer Wertschöpfungskette zu überprüfen. Diese gut gemeinte Absicht geht mit einer Menge Dokumentations- und Meldepflichten einher, die nicht nur für europäische Unternehmen, sondern auch für ihre Lieferanten in aller Welt gelten. Die internationale Bezeichnung des Lieferkettengesetzes lautet "Corporate Sustainability Due Diligence Directive" (CSDDD).
Weil es europäische Unternehmen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zusätzlich belastet hätte, wurde die ursprüngliche Version bereits im Zuge der Omnibus-Pakete entschärft und zeitlich verschoben. Die Regeln sollen erst ab 2028 gelten, und zwar nur für Unternehmen mit mindestens 5.000 Beschäftigten (ursprünglich 1.000) und einem Jahresumsatz von mindestens 1,5 Milliarden Euro (ursprünglich 450 Mio. Euro).

Katar ist aufgrund seiner fossilen Bodenschätze ein reiches Land, aber Gastarbeiter werden oft schlecht behandelt.
Warum hat Katar etwas dagegen?
Katar kritisiert in seinem Schreiben Klimaschutzvorgaben, die "über Ziele und Absichten des Pariser Klimaschutzabkommens hinausgehen". Eine Vorgabe sei etwa das Vorhandensein von Plänen zur Erreichung der CO2-Neutralität. Weder der Staat Katar noch QatarEnergy hätten derartige Pläne. Die Erreichung der Pariser Klimaziele sei nationale Angelegenheit, nicht jene der EU.
Katars Energieminister Saad Scharida Al-Kaabi kritisiert, dass Strafen laut Lieferkettengesetz für Milliardenverluste sorgen würden. Er drohte der EU bereits vor einigen Monaten mit Flüssiggas-Entzug: "Ich bluffe nicht." Energiemarktexperte Johannes Benigni zeigt gegenüber dem KURIER Verständnis über den Frust Katars: "Die EU glaubt, sie können jedem anderen Staat Verwaltungsregeln vorschreiben. Das ist ein massiver Eingriff in die Vertragsfreiheit des Geschäftspartners."
Auch wenn davon offiziell keine Rede ist, könnte Katar auch Probleme mit der Einhaltung von Menschenrechten haben, wie sie laut Lieferkettengesetz vorgeschrieben ist. Schon vor der Fußball-WM 2022 in Katar wurde weithin bekannt, dass es etwa im katarischen Bausektor zur großflächigen Ausbeutung ausländischer Arbeitskräfte kommt.
Wie wichtig ist Katar für die europäische Gasversorgung?
Durch die Sanktionen gegen Russland hat sich der europäische Gasmarkt komplett verändert. Ein großer Teil der Gasversorgung wird nun per Flüssiggas gestemmt, das mit Schiffen importiert wird. Katar zählt neben den USA und Australien zu den weltweit größten Exporteuren. Katars Anteil an den Flüssiggas-Importen der EU beträgt rund 11 Prozent. An den gesamten Gas-Importen hielt Katar im vergangenen Jahr 4,3 Prozent. Aus den USA bezog die EU rund vier Mal so viel Erdgas.

Flüssiggas-Tanker aus Katar sind gern gesehene Gäste an europäischen LNG-Terminals.
Könnte die EU einen Ausfall von Katar kompensieren?
Katar sei ein sehr wichtiger Lieferant, sagt Benigni. Europa käme auch ohne katarisches LNG aus. Das würde allerdings eine reduzierte Vielfalt bei der Versorgung und höhere Preise bedeuten. Die Position der USA bei der Erdgasversorgung Europas erhielte ein noch höheres Gewicht. Katar befinde sich in der vorteilhaften Position, europäischen und großen asiatischen Ländern geografisch nahe zu sein. Katar würde also alternative Abnehmer finden.
Wie könnte die EU Katar entgegenkommen?
"Das ist eine politische Entscheidung", sagt Benigni. Das Lieferkettengesetz sei ohnehin schon intern stark unter Druck geraten, nun komme ein externer Faktor dazu. Die Angelegenheit sollte eine klare Botschaft senden, so der Energiemarktexperte: "Man muss internationale Geschäftspartner vorsichtig behandeln und sie nicht alle beschulmeistern." Das gelte insbesonders für eine Zeit, in der der Welthandel stark bedroht sei.
Durch den Protektionismus der USA steige auch der Unwillen anderer Länder, "sich dreinreden zu lassen". "Die EU glaubt, sie kann anderen Dinge aufs Aug drücken, aber am Weltmarkt heißt es: Ich mach was ich mach, du machst was du machst, und wenn du willst, dann kommen wir ins Geschäft. Ansonsten gehst halt."
Umweltschützer und Menschenrechtsorganisationen sind dagegen, das Lieferkettengesetz zu entschärfen. Sie kritisieren, dass es Kräften in der Wirtschaft offenbar gelinge, jahrelang verhandelte Maßnahmen zum Schutz von Arbeitnehmern wieder auszuhöhlen. Zu den Gegnern einer Abschwächung und Verschiebung des Lieferkettengesetzen zählen aber auch einige große Unternehmen. Sie haben bereits begonnen, sich auf die ursprünglich festgelegten Erfordernisse einzustellen.
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