Wie Energiepioniere aus dem Weinviertel Europa erobern wollen

Die eFriends Watch zeigt an, wann besonders günstige Zeitpunkte für den Stromverbrauch sind.
Hartnäckigkeit ist eine der Tugenden, die man Start-up-Gründern gerne empfiehlt. Manchmal kann es viele Jahre lang dauern, bis eine Idee soweit gediehen ist, um eine Menge Menschen anzusprechen. Davon ein Lied singen kann das Unternehmen eFriends aus Nappersdorf im nördlichen Weinviertel. Es zählt europaweit zu den Vorreitern beim Thema Energiegemeinschaften.
Frustriertes Energiebündel entwickelte eine Idee
Den Ausgangspunkt für eFriends bildete der Verein "Energiebündel Weinviertel", dessen Ziel es war, Photovoltaik-Anlagen gemeinschaftlich zu finanzieren. Aus Frust über die erfolglose Jagd nach einer Förderzusage auf einer Webseite während einer Silvesternacht habe man sich überlegt, wie man unabhängiger von Förderungen werden könnte. "Daraus ist die eFriends-Idee entstanden", erzählt Mitgründerin und Geschäftsführerin Klara Dimmel.
Selbst produzierten Strom mit anderen Menschen zu teilen, das funktionierte im Jahr 2012 noch nicht. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Energiegemeinschaften waren nonexistent. Um die Idee dennoch zu verwirklichen, war klar, dass man zum Energieversorger werden musste. "Es gab kein vergleichbares Projekt in Europa. Wir haben es halt so versucht." Zehn Leute im engeren Kreis begannen den Prozess, mit Hilfe einer Förderung des AWS und mit Unterstützung der E-Control.

Klara Dimmel ist gemeinsam mit Mitgründer Matthias Katt Geschäftsführerin von eFriends.
Auch ohne Kraftwerk kann man Energieversorger werden
"Zum Energieversorger zu werden, ist schwierig, weil die Pflichten sehr groß sind", sagt Dimmel. Gleich zu Beginn galt es etwa, 100.000 Euro als Bankgarantie aufzustellen. "Mittlerweile haben wir 700.000 Euro geparkt. Das ist totes Kapital für uns, das wir nicht verwenden dürfen." Nach zwei Jahren erhielt das Start-up die Lizenz und testete seine Idee mit 100 Haushalten. Ungewöhnlich für einen Energieversorger war, dass eFriends selbst keine Kraftwerke besaß. "Unsere Produzenten sind allesamt Kunden. Die Anlagen gehören nicht uns. Unsere Stärke liegt im Vernetzen von Produzenten und Konsumenten."
Von Anfang an sei klar gewesen, dass man selber eine technische Lösung entwickeln musste, um Erzeugung und Verbrauch sekundengenau aufeinander abzustimmen. Selbst mit Daten von digitalen Stromzählern (Smart Meter) war das nicht möglich. Kunden erhielten eigene Messwerkzeuge.
Energiekrise lockte Kunden an
Den praktischen Nutzen des Systems zu erklären, sei zu Beginn sehr schwierig gewesen, so Dimmel. "Es war extreme Aufklärungsarbeit notwendig. Jeder hat gesagt: 'Die Idee ist super, aber...' Und dann kamen hunderte Fragen." Durch einen Fernsehauftritt in der Start-up-Show "2 Minuten, 2 Millionen" erhöhte eFriends seine Bekanntheit, die Pionierarbeit kostete dennoch viel Ressourcen und viel Zeit.
Eine große Veränderung brachte die Energiekrise 2022. "Die Leute haben dadurch verstanden, warum wir das machen, warum es wichtig ist, Strom dezentral zu teilen und nicht von einem Energieversorger abhängig zu sein", sagt Dimmel. Die plötzlich hohen Strompreise hätten "den Leuten im Geldbörsel weh getan" und ihnen die Entscheidung, Ökostrom von anderen eFriends-Nutzern aus Österreich zu beziehen, leichter gemacht.

In der eFriends-App sieht man genau, von wem man zu einem bestimmten Zeitpunkt Strom bezieht.
ElWG bringt Verbesserung
Energiegemeinschaften bekamen schließlich gesetzliche Rahmenbedingungen. Mit dem kommenden Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) soll ihre Stellung verbessert werden. "Künftig wird keine Rechtsform notwendig sein, um Strom mit Nachbarn zu teilen", so Dimmel. Im Gegensatz zu Erneuerbaren Energiegemeinschaften (EEG) wurde eFriends-Kunden bisher keine Reduktion der Netzentgelte vom Staat zugestanden. Das soll sich künftig ändern.
Der nächste Schritt ist Deutschland
Im vergangenen Jahr konnte eFriends seine Kundenanzahl fast verdoppeln und kommt nun österreichweit auf 4.500 Zählpunkte. "Dieser Trend setzt sich fort", so Dimmel. 20 Mitarbeiter hat das Unternehmen heute. Schon früh hat eFriends auf hochgradige Automatisierung gesetzt. Mit höherer Kundenanzahl wachse der Bedarf an Support-Mitarbeitern aber. Die Zukunftspläne von eFriends sind groß: "Wir möchten Europas größte Energy-Sharing-Plattform werden."
Das Potenzial sei vorhanden, erklärt Dimmel. In Europa gebe es zwar Anbieter, die Ähnliches wie eFriends versuchen, aber der Bedarf sei riesig. Zunächst will man nach Deutschland expandieren. "Dort ist man weit hinten bei der Smart-Meter-Verbreitung und bei Energy Sharing erst in den Startlöchern."
Standhaftigkeit gerade in Österreich wichtig
Über den Unternehmensstandort Österreich meint Dimmel: "Es ist nicht leicht. In anderen Ländern wären wir schon einen Meter vorne." Besonders herausfordernd sei die fehlende Einheitlichkeit der Rahmenbedingungen in allen Bundesländern. Umso wichtiger sei es für Start-up-Gründer "dran zu bleiben, konsequent zu sein und nicht aufzugeben". Man müsse viele Rückschläge einstecken, viel ausprobieren und weitermachen. "Standhaftigkeit ist das Wichtigste."
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