Dürre in den USA, Hunger in der Welt

Dürre in den USA, Hunger in der Welt
In den USA vertrocknet die Getreideernte, die Preise explodieren. Die Angst vor einer globalen Hungerkrise wächst.

Das haben die allermeisten Bauern im Mittleren Westen der USA noch nicht erlebt. Der "Corn-Belt", die Getreidekammer von Amerika, wird diesen Sommer von der schlimmsten Dürre seit mehr als einem halben Jahrhundert heimgesucht. Mais, Weizen und Soja vertrocknen unter der sengenden Sonne, der Juli war der heißeste der US-Geschichte.

Ein Sechstel der vorausgesagten US-Maisernte wurde bereits zerstört, die Rede ist von Ackerflächen, größer als Belgien. Auch bei Sojabohnen wird die Ernte voraussichtlich um zwölf Prozent schrumpfen.

Die Auswirkungen auf die Preise sind massiv. Seit Mitte Juni hat sich Mais in Amerika um zwei Drittel verteuert, noch nie zuvor musste man für das Getreide so viel zahlen. Der Sojapreis befindet sich ebenfalls auf Rekordhoch, Weizen ist nicht weit davon entfernt. Da die USA der größte Getreideexporteur der Welt sind, beeinflussen die Ernteausfälle natürlich den Weltmarkt. Hinzu kommt, dass auch andernorts die Ernten teilweise schlecht ausgefallen sind – etwa in Russland, Australien oder in der Schwarzmeer-Region. Nahrungsmittelriesen wie Nestlé oder Kraft haben bereits davor gewarnt, dass sie die steigenden Rohstoffkosten an die Konsumenten weitergeben werden.

Eine Milliarde Menschen hungern

Eine unangenehme Situation auch für Österreich oder andere Industrieländer, zweifelsohne. Doch wird in der westlichen Welt mittlerweile nur noch knapp zehn Prozent des Einkommens für Nahrungsmittel ausgegeben. Existenzbedrohend wirken sich steigende Lebensmittelpreise hingegen in Entwicklungs- und Schwellenländern aus, wo 60 bis 80 Prozent des Haushaltsgeldes für Nahrung ausgegeben wird. Eine Milliarde Menschen hungern weltweit. Erinnerungen an 2008 werden nun wach. Damals gab es aufgrund von Preisexplosionen bei Nahrungsmitteln in vielen Ländern Hungerrevolten. Der Generaldirektor der UN-Welternährungsorganisation FAO, José Graziano da Silva, bezeichnet die aktuelle Lage als "ernst". Die G-20-Staaten diskutieren bereits über einen Krisengipfel Ende September, bei dem etwaige Notmaßnahmen abgestimmt werden sollen.

Ausblick vage

Dämpfend wirkt derzeit die relativ stabile Situation bei Reis, dem Grundnahrungsmittel für Milliarden von Menschen. Doch laut Commerzbank-Analyst Eugen Weinberg haben sich die Aussichten für die Reisernte "etwas verschlechtert". Ebenfalls noch nicht absehbar sind die Auswirkungen des gefürchteten Wetterphänomens El Niño, das Meteorologen für heuer erwarten. Es drohen weitere Dürren und Ernteausfälle. Doch wie immer gibt es Profiteure – auch mit Agrarrohstoffen wird gezockt. Laut der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch seien 80 Prozent der Kontrakte, die auf der weltgrößten Rohstoffbörse in Chicago gehandelt werden, spekulativ. Eine Zahl, die Ernst Gauhs von der Raiffeisen Ware Austria nicht nachvollziehen kann. Es stimme zwar, Spekulation könne auch bei Agrarrohstoffen die Preissituation überhöhen. "Aber nur kurzfristig." Die Preise seien derzeit ganz fundamental von Angebot und Nachfrage getrieben.

Spekulation: Das Ackern am Geldfeld

Die Verbraucherschutz-Organisation "Foodwatch" zitiert immer wieder Studien, die belegen sollen, dass Geldanlagen in Rohstoff-Investments die Preise für Nahrungsmittel mit nach oben treiben und so zum Hunger in der Welt beitragen. Auch wenn nicht klar ist, welche Auswirkungen Spekulationen haben: Die deutsche Commerzbank hat die Konsequenz gezogen und bietet seit Ende Juli keine Veranlagungen in Agrarrohstoffe mehr an. Davor hatten sich schon kleinere deutsche Institute aus diesem "Geldfeld" zurückgezogen.

Die österreichischen Volksbanken gehen den umgekehrten Weg. Just am Montag, dem Tag, an dem die G20 das Einberufen eines Notgipfels zur Lösung von Nahrungsmittelkrisen überlegten, gab die Volksbank Investments die Auflage des neuen Zertifikats "Agrar Rohstoff Garant 2" bekannt. Der Anleger investiert in einen Rohstoffkorb, der zu je einem Viertel aus Mais, Zucker, Sojabohnen und Weizen besteht, und partizipiert in der fünf Jahre dauernden Laufzeit an der Preisentwicklung dieser Nahrungsmittel.

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