Drogenbaron aus der Studenten-WG

Ross Ulbricht soll der Drahtzieher des Darknet-Marktplatzes Silk Road gewesen sein.
Prozess-Auftakt in New York: War der 30-jährige Ross Ulbricht das Mastermind der Drogen-Plattform?

Heroin, vakuumverpackt und unverdächtig via Post geliefert. Gefälschte Pässe und Führerscheine, ausgestellt auf beliebige Wunschnamen. Gehackte Kreditkarten oder sogar Kontaktdaten zu Auftragskillern: All das konnte über die Internet-Plattform Silk Road ("Seidenstraße") geordert werden. Und zwar so komfortabel, wie man es sonst nur von Handelsseiten wie eBay oder Amazon kennt.

Am Dienstag startet nun in New York der Prozess gegen Ross William Ulbricht. Dem 30-jährigen US-Amerikaner aus Austin (Texas) wird vorgeworfen, das Mastermind hinter Silk Road zu sein. Er soll unter dem Film-Pseudonym "Dread Pirate Roberts" das Netzwerk gegründet und betrieben haben, über das von 2011 bis September 2013 Geschäfte im Wert von 1,2 Milliarden Dollar abgewickelt wurden, behaupten die Ermittler. Und er soll 80 Millionen Dollar Provision eingestrichen haben.

Ein schmächtiger Computerfreak aus einer Studenten-WG mit Profilen auf Linked-In, YouTube und Facebook und einem Faible für den libertären US-Republikaner Ron Paul und den österreichischen Ökonomen Ludwig von Mises: Stellt man sich so einen Drogenbaron vor? Die US-Justiz klagt Ulbricht wegen sieben Delikten an, die von mafiöser Verschwörung über Drogenhandel bis Geldwäsche reichen. Er bestreitet alle Vorwürfe.

In Bibliothek verhaftet

Ulbricht war im Oktober 2013 in einer öffentlichen Bibliothek in San Francisco festgenommen worden, während er über seinen Laptop die Plattform betreut haben soll. Und das, nachdem die Bundespolizei FBI und die Drogenbehörde DEA jahrelange vergeblich Jagd auf Silk Road gemacht hatten. Der Server lief nämlich über ein verschlüsseltes Netzwerk und verwischte dank der Software Tor alle Spuren. Bezahlt wurde ausschließlich mit Bitcoins – einer virtuellen Währung, die wie Bargeld anonym gehandelt wird.

Im Internet fand "Dread Pirate Roberts" viele Sympathisanten, die es als Privatsache erachten, was Menschen mit Drogen anstellen. Sie lehnen jeden Einfluss der Regierung und die Kontrolle des Internets vehement ab. Diese Community diskutiert intensiv, wie die Ermittler dem Silk-Road-Server in Island auf die Spur kommen konnten. Der Verdacht: Das FBI habe sich der Instrumente des Geheimdienstes NSA bedient. Die Beweismittel seien illegal beschafft worden und im Prozess nicht zulässig, versuchte die Verteidigung zu argumentieren – blitzte aber bei Richterin Katherine Forrest ab. Die Anschrift des Silk-Road-Servers sei ganz banal durch einen Programmierfehler des Portals aufgeflogen, erklärte das FBI.

Verschwörungstheorie

Für Ungereimtheiten sorgt überdies, dass Ulbricht zwar vorgeworfen wird, er habe in sechs Fällen (vergeblich) versucht, Auftragsmörder anzuheuern. Diese sollten ihm Erpresser vom Hals schaffen. Angeklagt wurde aber nur ein einziger Fall, bei dem "Dread Pirate Roberts" an einen verdeckten Ermittler geriet. Die US-Justiz wolle Ulbricht diskreditieren, ohne Beweise vorlegen zu müssen, kritisiert die Verteidigung. Im Falle einer Verurteilung droht ihm jahrzehntelange Haft.

Der Online-Kriminalität tut dies jedenfalls keinen Abbruch: Seit der Beschlagnahmung von Silk Road sind etliche neue Portale entstanden, die dasselbe "Geschäftsmodell" verfolgen.

Seit der Beschlagnahmung von Silk Road sitzt die US-Regierung auf 144.000 Bitcoins, die nun versteigert werden. Ulbricht hat nichts dagegen, fordert das Geld aber zurück. Tendenziell verlieren die Bitcoins an Wert: Am Höhepunkt des Hypes im November 2013 war ein Bitcoin 1006 Euro wert, aktuell liegt der Kurs bei etwa 220 Euro. Damit erweist sich das Computergeld aber als erstaunlich langlebig. Bitcoins waren mehrfach totgesagt: nach der Megapleite der einst größten Börse Mt. Gox im Februar 2014 oder nach etlichen Diebstählen durch Hackerattacken. Bitcoins gibt es weder als Geldschein noch Münze, sie werden nur online gehandelt. Als Zahlungsmittel werden sie vor allem im Internet-Handel, vereinzelt auch im „echten Leben“ akzeptiert. Die virtuelle Währung hat viele Fans, die dem staatlichen Geld misstrauen.

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