Für Donald Trump war es der „Tag der Befreiung“, für den Rest der Welt eine Art Kriegserklärung. Zunächst hat der US-Präsident Verhandlungen über sein historisch einzigartiges Zollpaket eine Absage erteilt, und auch erste Gerüchte über ein Aussetzen der Aufschläge auf US-Importe dementiert. Und jetzt kommt beides – vorerst für 90 Tage.
Am Freitag nahm Trump dann die Zölle auf elektronische Geräte zurück, wie Smartphones oder Computer, die oft aus China kommen. Das gilt auch für Speicherkarten und Halbleiter. Dem voran ging die Sorge, dass Geräte für US-Kunden sehr teuer werden.
Wie lautet Donald Trumps Strategie? Was will er?
Mehr als 70 Länder sollen sich bereits im Weißen Haus gemeldet haben, um dem US-Präsidenten einen Deal anzubieten. Trump sonnt sich derweil in seiner Machtfülle, hat trotz vieler Minister, Beamter und Berater das alleinige Verhandlungsmandat und lässt jetzt einen Regierungschef nach dem anderen antanzen, um sie – bildlich gesprochen – vor laufenden Kameras um Gnade flehen zu lassen.
Trump glaubt offenbar seine eigene Propaganda, wonach der Rest der Welt die Vereinigten Staaten immer nur ausgenutzt und zahlen hat lassen. Jetzt will der 78-Jährige den Spieß umdrehen. Wie sehr er die Situation genießt, hat er vor Parteifreunden gesagt: „Diese Länder rufen mich an, küssen meinen Arsch, sie würden sterben für einen Deal.“
Warum hat Trump die Zölle ausgerechnet gegen China nicht ausgesetzt?
China ist das wichtigste Importland für die USA, mit China haben die USA das größte Handelsdefizit. China ist in den Augen Trumps also maximal böse. Während andere Länder schon länger Verhandlungsbereitschaft signalisieren, bleibt Peking stur auf Linie, die da lautet: „Bis zum Ende kämpfen“.
Weil sich Peking nicht vorführen lässt und von „Erpressung“ spricht, zieht der Herr im Weißen Haus die Daumenschrauben immer fester an. Der Zollaufschlag für chinesische Importware in die USA beträgt bereits 145 Prozent, China hat am Freitag seinerseits auf 125 Prozent nachgezogen und versucht nun, besser mit Europa ins Geschäft zu kommen.
Was könnte Trump alles wollen?
Die Liste seiner Begehrlichkeiten ist lang. Sie reicht von Grönland und Kanada bis zu den Rohstoffvorkommen in der Ukraine, den seltenen Erden in China und dem Wasser in Mexiko. Es geht um den Panamakanal ebenso wie um den Export von Öl, Gas, Autos oder Rüstungsgütern.
Er will freie Fahrt für „seine“ US-Techkonzerne sowie die Zölle anderer Länder kippen. In dem Poker um die neue Welthandelsordnung spielt er die Karte der führenden militärischen und wirtschaftlichen Supermacht aus.
Was, wenn mit Trump kein Deal gelingt?
Zwar ist die EU zu Zugeständnissen bereit, etwa mehr teures und umweltschädliches Fracking-Gas aus den USA zu kaufen, doch mindestens so wahrscheinlich ist, dass in der relativ kurzen Frist von drei Monaten kein umfassendes Abkommen gelingt. Dann treten höchstwahrscheinlich die ausgesetzten Zölle von zehn bis 50 Prozent in Kraft – mit all den Folgen für den Welthandel und die USA selbst.
Ein drastisches Beispiel: In einer Analyse der US-Großbank JPMorgan mit dem Titel „Es wird Blut fließen“, die kurz vor dem Zoll-Moratorium veröffentlicht wurde, wird das Risiko einer Rezession in der Weltwirtschaft mit 60 Prozent bewertet. Die Experten sorgen sich dabei um die Störung der globalen Lieferketten und um die US-Verbraucher, denn Importzölle wirken wie Steuererhöhungen.
„Wenn es so bleibt (...) wäre dies die größte Steuererhöhung in den USA seit 1968“, heißt es bei JPMorgan. Und Fortune schreibt, dass die höheren Zölle für US-Haushalte zu einer Zusatzbelastung in Höhe von rund 700 Milliarden US-Dollar führen würden. Im Verhältnis zur Größe der US-Wirtschaft wäre diese De-facto-Steuererhöhung so schmerzhaft wie Lyndon B. Johnsons damaliger „Revenue Act“ zur Finanzierung des Vietnamkriegs.
Was ist an den Börsen los? Wie geht es weiter?
So verwirrend die Situation dank Trumps Sprunghaftigkeit ist, so schwierig ist auch die Zukunft einzuschätzen – abzulesen an der Hochschaubahnfahrt der Weltbörsen, wo Erwartungshaltungen gehandelt werden.
Ging es in der Hoffnung auf Steuersenkungen und eine florierende Wirtschaft unter Trump mit den Aktienkursen zu Jahresbeginn steil bergauf, so führte die Kakofonie aus dem Weißen Haus zu einem Börsencrash, der in wenigen Tagen Billionen vernichtete. Unterstützer wie Elon Musk verloren Milliarden, daran änderte auch das Kursfeuerwerk am Mittwochabend nach Trumps Zollbremse nichts.
Schon am Donnerstag und Freitag ging es mit den Kursen wieder bergab. Der Tesla-Chef war es auch, der sich als Erster öffentlich aus der Deckung wagte und Trumps Zölle öffentlich kritisierte, wenn auch indirekt. Er nannte Peter Navarro, Trumps Zollarchitekten, einen „Trottel“, so „dumm wie ein Sack Ziegel“.
Gelingen Deals mit Trump, ist dann alles gut?
Ein vertrauenswürdiger Partner agiert anders. Der Reputationsschaden für die USA unter Trump ist massiv.
Die Folge: Börsengänge in den USA wurden vorerst abgesagt; Produktionsstarts verschoben; Notenbanken mussten vereinzelt eingreifen; Peking hat eine Reisewarnung für seine Bürger herausgegeben – und die EU versucht nun Handelsabkommen mit neuen Partnern wie den Vereinigten Arabischen Emiraten abzuschließen. Die ganze Welt greift sich an den Kopf, was da in Washington eigentlich los ist.
Erleben wir gerade das Ende der Globalisierung?
Eher, dass alte Sicherheiten wegfallen. Das kommunistische China steht jetzt für Globalisierung und das Recht auf Entwicklung von aufstrebenden Ländern. Die USA, die jahrzehntelang von der Globalisierung profitiert haben, stehen nun für Abschottung und den Verlust ihrer Soft Power.
Klar ist, der immer schärfer werdende Konflikt zwischen China und den USA muss den Handel zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt erheblich schädigen und zu einer Neuausrichtung globaler Handelsströme führen. Europa fürchtet, mit Billigwaren aus China überschwemmt zu werden, sucht aber auch neue Nähe zu Peking.
US-Konzerne wie Apple, die große Teile ihre Produktion nach China verlagert haben, schwitzen Blut. Schätzungen zufolge hätte ein neues iPhone aufgrund der Zölle bis zu 3.500 Dollar kosten können. Den Beschwerden dieser Firmen dürfte es zu verdanken sein, dass Trump importierte elektronische Geräte am Samstag von seinen Zöllen ausnehmen ließ.
Gibt es historische Parallelen?
Top-Ökonomen sagen: Breitet sich der Zollkrieg weiter aus und greifen mehr und mehr Länder zu Schutzzöllen für ihre Wirtschaft, kann das am Ende eine Weltwirtschaftskrise wie in den 1930er-Jahren auslösen.
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