Trump setzt auf Härte: Wie der Präsident Amerikas Soft Power untergräbt

Man kann sie nicht in Dollars berechnen. Sie zeigt sich auch nicht als dickes Plus in der Handelsbilanz – die sogenannte Soft power, die „weiche Macht“ – bei der kein Staat der Welt mit den USA mithalten kann.
„Weiche Macht“, sagt Hendrik Ohnesorge, „das ist die Fähigkeit, andere dazu zu bringen, etwas zu tun, was sie sonst nicht getan hätten, ohne Zwang oder Zahlungen, nur auf der Basis von Anziehungskraft und Überzeugung.“ Soft power ohne harte, militärische Macht – das entspricht in etwa Österreich und seiner weltweiten kulturellen Bedeutung.
Aber es sei nicht nur die Attraktivität der Kultur, meint der Politikwissenschafter und Direktor des Centers for Global Studies (Uni Bonn): „Der Sehnsuchtsort USA, der American Way of Life, Cola, Apple, Microsoft, Elvis Presley, Rock ’n’Roll, Bluejeans.“ Amerika, das war stets auch das „land of the free“, wo Demokratie und Politik das Leben liberaler Werte ermöglichten. Und Amerikas Soft power, das war lange auch höchst interessengeleitete Außenpolitik.
Bis Donald Trump kam – und sie nun scheibchenweise abträgt.

USAID-Hilfslieferungen an Haiti
USAID war essenziell
Bereits am ersten Tag seiner zweiten Amtszeit schickte der 47. Präsident der USA die Auslandshilfen der Entwicklungsagentur USAID per Federstrich ins Ausgedinge. Mehr als 40 Milliarden Dollar „für Länder wie etwa Lesotho ausgeben, von denen man noch nie gehört hat“? Nicht mit ihm, polterte Trump.
Und sein Freund Elon Musk, Multimilliardär und Antreiber für Massenentlassungen, prahlte: „Habe das Wochenende damit verbracht, USAID in den Holzhäcksler zu werfen.“
Weniger als ein Prozent ihrer jährlichen Wirtschaftsleistung geben die USA für Entwicklungszusammenarbeit aus. Aus Sicht Trumps und seiner „America-First“-Politik ist das dennoch zu viel.
„Das Konzept von Soft power versteht er nicht, es entspricht nicht seiner Persönlichkeit und seiner Weltsicht“, sagt Ohnesorge über den US-Präsidenten. Vielmehr sehe Trump Amerikas Macht „als wirtschaftliche und militärische Zwangsmacht“.
„Für mich bedeutet Macht, Angst zu verbreiten“, sprach Trump vor einigen Jahren dem US-Starjournalisten Bob Woodward ins Mikrofon.

"America first" lautet das politische Leitmotiv von Donald Trump
J. F. Kennedy nutzte sie
Andere Präsidenten der USA wussten die Werkzeuge der „weichen Macht“ durchaus einzusetzen, um ganz ohne Zwang Verbündete zu finden und sie so früher, im Kalten Krieg, aus dem Einflussbereich der Sowjetunion heraus zu halten. John F. Kennedy etwa nutzte sie bewusst, als er 1961 USAID gründete. Über die zig Milliarden US-Hilfsgelder wurden seither Verbindungen zu Staaten geschaffen, die den USA wohlgesonnen sind; Mehr noch: die sich zu Bündnispartnern entwickelten – und die später US-Konzernen Großaufträge in ihren Ländern ermöglichten. Selbst der konservative US-Präsident George W. Bush zeigte sich – neben seiner fatalen „harten Macht“ im Irak-Krieg – als engagierter Antreiber von Amerikas Soft power.
„Die weiche Macht“
Macht ist die Fähigkeit, seinen Willen durchzusetzen. Während „Hard Power“ auf das Militär oder wirtschaftliche Sanktionen, Strafen oder Zölle setzt, basiert „Soft Power“ auf Anziehungs- und Überzeugungskraft. „Bei der Anwendung von Soft Power geht es darum, durch Überzeugungsarbeit und eigene Attraktivität das Verhalten anderer Staaten so zu beeinflussen, dass die eigenen Ziele erreicht werden können“, sagt Hendrik Ohnesorge vom Center for Global Studies (CGS) der Uni Bonn
Joseph S. Nye
Der Harvard-Professor prägte den Begriff Soft Power. Jene der USA, sagte er, beruhe „auf ihren Ressourcen an Kultur, Werten und Politik“
Kampf gegen Aids
2003 initiierte er massive US-Investitionen, um den weltweiten Kampf gegen HIV/Aids anzukurbeln. Sein Plan (mit dem Titel PREPFAR), ausgeführt von USAID, hatte riesigen Erfolg. 100 Milliarden Dollar in über 50 Ländern machten die USA locker, 26 Millionen Menschen konnten dadurch gerettet werden.
Seit 21. Jänner fließt kein Cent mehr in diese Richtung – Trump hat das gestoppt. In Uganda etwa wurden 80 Prozent der Mittel zur Aids-Bekämpfung von den USA bezahlt. Mindestens drei Millionen Menschen weltweit könnten sich durch den Finanzierungsstopp nun mit HIV anstecken und sterben, befürchtet der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus.
Der „Dealmaker“
Aus der WHO hat Trump die USA ebenfalls bereits herauskatapultiert. Der „Dealmaker“ Trump hält die von den USA geführte Weltordnung, die von ihnen gestützten Allianzen, die von ihnen großteils finanzierten internationalen Institutionen und Initiativen – von der UNO bis zur Pariser Klimakonferenz – für schlechte Deals. Trittbrettfahrer seien sie, schimpft er, „die die USA ausnutzen“.
Was der US-Präsident dabei vergisst: Bisher lag es im Interesse USA, als Lokführer eines Zuges alle Waggons am Laufen zu halten.

NATO-Manöver mit US-Soldaten in Deutschland. Trumps Vorwurf: Die anderen NATO-Partner zahle zu wenig
Die Drohungen
Es ist nicht allein das Abdrehen der Auslandshilfe, die Amerikas Soft power schwächt. Es sind auch die rüden Drohungen gegenüber den bisherigen Freunden wie Dänemark, Kanada oder Mexiko. Und vor allem: Trumps Kampf gegen die liberale Ordnung im eigenen Land. Das Bild der USA als Supermacht der Demokratie, das Vorbild einer freien, liberalen Gesellschaftsordnung wird mit Trumps Präsidialdekreten jeden Tag ein wenig trüber.
„Innenpolitik ist heutzutage auch ein wichtiger Bestandteil der Soft power eines Landes, ebenso wie das Auftreten nach außen“, sagt Hendrik Ohnesorge: „Trumps ,America-First’ wird mehr und mehr zu ,Trump-First’, es geht ihm in erster Linie um ihn selbst“, führt der Experte aus, der zu Soft-Power-Politik und den transatlantischen Beziehungen forscht. „Wenn Trump das verspielt, was die USA bisher so einzigartig gemacht hat, wird er die USA nicht ,great again’, sondern sehr viel schwächer und weniger großartig auf der Welt machen. Und das wird langfristige Folgen haben.“
Unter dem Strich, meint Experte Ohnesorge, vernachlässige Trump mit seiner Missachtung von Amerikas Soft power ein wichtiges Element von Macht. Und einmal geschwächt, sei diese Lücke nicht so bald wieder zu füllen – auch nicht von der aufstrebenden Supermacht China.
Füllt China die Lücke?
China baut zwar seine militärischen Muskeln extrem aus und stieg zur zweitstärksten Wirtschaftsmacht der Welt auf. Aber wo liegt die Anziehungskraft von Chinas Diktatur? Wer tanzt zu chinesischen Popgruppen? Welcher chinesische Schauspieler kommt einem spontan in den Sinn? Welche chinesischen Universitäten ziehen massenhaft Studenten aus dem Ausland an?
„Die Vereinigten Staaten haben trotz allem noch immer die Nase vorn, zumal sie mehr sind als nur Trump“, so Ohnesorge.
Während Trump den harten Präsidenten markiert, hat er die USA schon geschwächt. Amerikas soft power, seine Anziehungskraft lässt bereits dramatisch nach: Laut jüngster YouGov-Umfrage haben mehr als die Hälfte der Briten (53 %), Deutschen (56 %), Schweden (63 %) und Dänen (74 %) mittlerweile eine negative Meinung über die USA.
Weniger Touristen
Auch bei den Einreisen in die USA machen sich Trumps Spuren bereits bemerkbar. Die Zahlen der Anträge für die ESTA-Einreiseanmeldungen sinken. Und das nicht nur, weil Trumps Poltern so manchem Touristen die Lust an einer Amerika-Reise nimmt. Nach einzelnen Festnahmen deutscher Staatsbürger bei der Einreise in die USA hat das Außenministerium in Berlin nun die Reisehinweise ergänzt:
„Vorstrafen in den USA, falsche Angaben zum Aufenthaltszweck oder eine auch nur geringfügige Überschreitung der Aufenthaltsdauer bei Reisen können bei Ein- beziehungsweise Ausreise zu Festnahme, Abschiebehaft und Abschiebung führen“, heißt es warnend auf der Webseite des deutschen Ministeriums.
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