"Die Digitalisierung in Österreich ist fast zum Stillstand gekommen"
108 Mio. Euro will die Regierung bis 2030 in die Digitalisierung stecken, das kündigte Staatssekretär Alexander Pröll (ÖVP) Mitte Dezember an. "Der große Wurf der Digitalisierung ist es nicht", sagt der Salzburger Unternehmer Harald Kohlberger. Auch konkrete Pläne, was gemacht werden solle, gebe es keine.
Es brauche eine viel stärkere Initiative, sagt der Geschäftsführer von Consileon Österreich: "Wir hinken bei der Digitalisierung zehn Schritte hinterher." Denn durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) und Digitalisierung könnten Milliarden in der Verwaltung eingespart werden. In Österreich seien zuletzt aber wegen der klammen Budgetlage viele Projekte gestrichen worden. "Die Digitalisierung ist in der heimischen Verwaltung zuletzt fast zum Stillstand gekommen", sagt Kohlberger.
Der Salzburger Unternehmer hat mit seiner Firma Consileon in Österreich seit 2022 zahlreiche Rahmenvereinbarungen im öffentlichen Sektor in der Höhe von Hunderten Millionen Euro gewonnen. Abgerufen werde aktuell von den Ministerien und der Bundesverwaltung aber verhältnismäßig wenig, sagt Kohlberger.
Automatische Erfassung von Rechnungen
In welchen Bereichen könnte KI in der Verwaltung eingesetzt werden? Ein Projekt hat Kohlbergers Firma gemeinsam mit der Österreichischen Gesundheitskasse umgesetzt. Konkret ging es dabei um Eingangsrechnungen für die ÖGK. Dabei werden Rechnungen mithilfe von KI automatisch erfasst, verarbeitet und verbucht. Durch Prozessverbesserungen sei die Arbeitsgeschwindigkeit erhöht und Fehlerquoten reduziert worden, sagt Kohlberger. Das Projekt wurde im Herbst 2024 gestartet und sei wenige Monate später fertig gewesen. Warum solle das, was bei der ÖGK funktioniere, nicht auch bei anderen Verwaltungseinheiten auf Bundes-, Landes- oder Gemeindeebene genauso funktionieren, fragt der Consileon-Geschäftsführer.
KI-Agenten
Potenzial sieht er im Einsatz von KI-Agenten, die nicht nur wie ein Chatbot Antworten geben, sondern untereinander kommunizieren und Entscheidungen vorbereiten. Zum Einsatz kommen könnten sie etwa bei Protokollen in Gemeinderäten, Landtagen oder im Parlament, aber auch zur Unterstützung juristischer Recherchen.
Das Ziel müsse sein, dass man dort, wo es heute schon einen Mangel an Arbeitskräften oder eine Überlast an Arbeit gebe, die Leute zu entlasten. "Da kommen Themen rund um die Dokumentation ins Spiel", sagt der Consileon-Chef. Etwa im Pflegebereich, wo KI Dokumentations- und Aufschreibarbeiten übernehmen könne. Die Pflegerinnen und Pfleger könnten sich dann mehr auf den zwischenmenschlichen Kontakt konzentrieren.
"Schreibstubenpositionen lassen sich durch KI ersetzen"
Die Dokumentationsaufgaben seien in den vergangenen Jahren immer mehr geworden. "Das kann die KI perfekt übernehmen", sagt Kohlberger. "Da kann man viel einsparen, ohne jemandem den Job wegzunehmen." Schreibstubenpositionen ließen sich im Wesentlichen mit KI ersetzen, das Personal könnte an anderer Stelle Pensionierungsabgänge auffangen, sagt Kohlberger. Denn nicht nur in der Verwaltung steht eine Pensionierungswelle bevor, wenn in den kommenden Jahren zahlreiche Babyboomer in Pension gehen.
KI hängt der Ruf nach, viele Fehler zu machen und zu halluzinieren. Können die Systeme bedenkenlos eingesetzt werden? Es gebe eine Reihe von Best-Practice-Beispielen. Kohlberger verweist etwa auf eine Transkriptionslösung, die für Vernehmungsprotokolle bei der deutschen Polizei zum Einsatz kommt. "Wenn es für die deutsche Polizei sicher genug ist, dann reicht es auch für den Gemeinderat in Mondsee", sagt der Consileon-Chef. Auch bei juristischen Recherchen liege die menschliche Trefferquote deutlich unter jener, die mit KI erzielt werden könne.
Vernetzung von Daten
Auch die bessere Vernetzung von Daten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden könne hohe Einsparungen bringen. Heute wisse man nicht einmal genau auf Knopfdruck, wie viele Schulden die Bundesländer haben, sagt Kohlberger. "Das ist wie in der Steinzeit."
Masterplan und Digitalisierungsminister
Es brauche einen über alle Bereiche übergeordneten Masterplan. So könnten Multiplikatoreneffekte entstehen. Was in der Justiz gelungen ist, könne vielleicht auch bei der Polizei, im Bildungs- oder Gesundheitsbereich gelingen, sagt Kohlberger. Man müsse nur mit der Umsetzung beginnen.
Notwendig sei auch ein eigenes Digitalisierungsministerium, sagt Kohlberger. Das Thema spiele in alle gesellschaftsrelevanten Bereiche hinein - von der Bildung über die Sicherheit bis hin zum sozialen Bereich und den Gesundheitsbereich. "Wir kommen nur weiter, wenn es institutionalisiert wird und die Kompetenz nicht, wie in den vergangenen Jahren, herumgeschoben wird." Kohlberger mahnt auch ein "autonomes Digitalisierungs- und KI-Budget" ein.
Vorstellbar sind für Kohlberger auch Partnerschaften zwischen der öffentlichen Hand und privaten Unternehmen - Private Public Partnership-Modelle (PPP) . Dabei könnten Firmen, ähnlich wie in der Vergangenheit bei Infrastruktur, in die Digitalisierung investieren und an den Spareffekten und Kosteneinsparungen mitverdienen.
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