Tablet oder Tafel – Wie weit darf Digitalisierung in der Schule gehen?

Von Franziska Trautmann
Unterricht mit Wikipedia? Klingt abwegig, aber nicht mehr so unrealistisch wie man denken würde. Zumindest war das eine Zeit lang der Fall in Dänemark und Schweden. Jetzt schrauben die nordischen Vorreiter aber zurück. Denn mehrere Studien haben ergeben, dass die zunehmende Digitalisierung in den Schulen mehr negative als positive Auswirkungen auf Kinder hat. Das wirft auch hierzulande Fragen auf – wie steht es um den digitalen Unterricht in Österreich, wenn in knapp einer Woche die Schulen wieder öffnen?
Zu „begeistert und naiv“
„Unsere Kinder sollten keine Versuchskaninchen in einem digitalen Experiment sein, dessen Ausmaß und Folgen wir nicht absehen können", sagte Mattias Tesfaye, dänischer Bildungsminister, bereits 2023. Statt Büchern, habe man Kindern "bei der Einschulung iPads in die Hand gedrückt". Zu „begeistert und naiv“ sei man an die Digitalisierung herangegangen. Ab 2012 begann eine strategische Förderung, spätestens mit der globalen Coronapandemie waren Tablets und Laptops aus den Klassenzimmern nicht mehr wegzudenken. Jetzt trägt Dänemark die Konsequenzen. Das Hauptproblem: ein uneingeschränkter Zugang und Umgang mit dem Internet.
Seit Ende 2023 zeigen sich im digitalen Klassenzimmer die ersten Risse. Die damals veröffentlichte PISA-Studie ergab, dass dänische Schüler von allen 81 OECD-Ländern am häufigsten digitale Werkzeuge in der Schule nutzen, im Durchschnitt 3,8 Stunden pro Tag. Dadurch lenken sie nicht nur sich selbst, sondern auch andere Mitschüler ab.
Ein Bericht im Auftrag der dänischen Gesundheitsbehörde ergab, dass nicht nur Konzentration, sondern auch die schulische Leistung erheblich darunter leiden. Das läge aber hauptsächlich am Zugang zu privaten Laptops oder Tablets, zum Teil von den Schulen verlangt und gefördert. Denn mittlerweile spielt sich der Unterricht und das Lernen Großteils digital ab.
Aber Dänemark steht damit nicht allein, sein Nachbarland Schweden sitzt mit im Boot. Auch hier rudert man bereits zurück. Immer mehr Lehrkräfte fordern eine Rückkehr zu traditionellen Lernunterlagen. Auch eine Stellungnahme des schwedischen Karolinska-Instituts „Entscheidung über den Vorschlag für eine nationale Digitalisierungsstrategie für das Schulsystem“ bestätigt das.
Das zentrale Argument ist eine Kritik an der Art und Weise, digitale Geräte im Unterricht einzusetzen. Denn an schwedischen Schulen wird nicht mit eigens bereitgestellten digitalen Lernmitteln unterrichtet, sondern das Internet als uneingeschränkte Ressource verwendet – ohne Leitlinien für Schulen.
Nicht Technologie, sondern Umgang ist Problem
Für Alessandro Barberi, Medienpädagoge an der Universität Wien und der OVGU Magdeburg, liegt das Problem nicht an den Technologien, sondern an der mangelnden Kompetenz im Umgang mit ihnen: „Technologien sind aus sich selbst heraus weder gut noch schlecht, sie sind neutral. Wir leben in einer Zeit, in der die Digitalisierung nicht mehr wegzudenken ist. Entscheidend ist, dass man den Unterricht ausgewogen gestaltet und ein gut konzipiertes Curriculum hat, in dem Medienbildung und digitale Grundbildung integriert sind.“ Natürlich plädiert er für eine ausgewogene Bildschirmzeit, aber Computer und digitale Medien komplett aus dem Lehrplan zu streichen, sieht er als rückschrittlich an.
Sowohl Dänemarks als auch Schwedens Regierung haben Richtlinien konzipiert, um den Umgang mit digitalen Geräten im Klassenraum zu verbessern. Kinder sollen sich nicht mehr orientierungslos im Internet selbst „bilden“ können. „Die Schule sollte keine Erweiterung des Jugendzimmers sein. Holt euch das Klassenzimmer zurück. Das ist die Botschaft", erklärte der dänische Bildungsminister Tesfaye. Die strengste Maßnahme: ein Handyverbot an Schulen.
Barberi steht dem (medien-)kritisch gegenüber: „Man kann in einer Gesellschaft, die auf allen Ebenen bereits auf Digitalisierung verwiesen ist, die Lebenswelten nicht einfach durch Verbote einschränken. Wir können die Kinder nicht einfach von der Digitalisierung wegdrehen. Ich würde sagen, dass vor allem der bedachte Einsatz von analogen und digitalen Medien wichtig ist. Dabei ist aus Sicht der Medienpädagogik entscheidend, dass man bedenkt: Menschen sind keine Maschinen.“
„Digitale Schule“ in Österreich
Aber wie schaut das eigentlich an Österreichs Schulen aus? Auf den Zug der Digitalisierung ist das Bildungsministerium mit dem Projekt „Digitale Schule“ aufgesprungen.
Das Konzept zielt darauf ab, digitale Kompetenzen bei Lehrern und Schülern systematisch zu fördern. Ein zentraler Bestandteil ist die teilweise Ausstattung mit digitalen Geräten wie Laptops oder Tablets. Gleichzeitig wird der Einsatz digitaler Lern- und Lehrmethoden im Unterricht verstärkt sowie die IT-Infrastruktur an Schulen ausgebaut.
Klingt theoretisch gut, wirft praktisch aber noch einige Mängel auf. Denn das Projekt scheint in den heimischen Schulen nicht so zu funktionieren wie vorgestellt. Letztes Jahr sind in einer österreichweiten Umfrage des Österreichischen Bundesverlags (öbv) in Kooperation mit der School of Education der JKU Lehrkräfte zur Nutzung digitaler Medien befragt worden.
Laut Studie vermissen 87 Prozent der Lehrkräfte geeignete digitale Ausstattung und Unterstützung. Darunter fallen vor allem stabiles Internet, digitale Lernmaterialien und Endgeräte für die Schüler. Auch ein Großteil der Lehrkräfte nutzt den privaten Laptop für die Arbeit. Trotzdem setzen fast 90 Prozent der Lehrkräfte digitale Geräte ein, anscheinend aus privaten Ressourcen. An einer flächendeckenden Grundausstattung fehlt es noch.
In einem Punkt ist Österreich den nordischen Vorreitern Dänemark und Schweden aber zuvorgekommen: ein Handyverbot in den Schulen. Seit 1. Mai dürfen Mobiltelefone, Smartwatches und ähnliche Geräte in der Schule und bei Schulveranstaltungen bis zur achten Schulstufe bundesweit grundsätzlich nicht mehr verwendet werden. Ausnahmen sind möglich.
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