Es ist mal wieder Lesekrise – diesmal aber verschärft

Das Lesen ist, man weiß das, unter Druck. Einerseits durch die digitalen Schnuller, die unseren Alltag bestimmen: Es gibt schnelleres Dopamin, wenn man zum Smartphone greift als zum Buch. Und andererseits durch den Kampf gegen das sinnerfassende Lesen, den die Populisten aller Länder führen oder gerne führen würden. Und natürlich auch durch die jahrzehntelange Verschleppung von Bildungsreformen.
Die Auswirkungen sind offensichtlich – in Zahlen gefasst dann aber doch erstaunlich. Wie etwa bei einer Studie, über die die New York Times nun berichtet.
Demnach hat sich die Zahl jener Menschen, die aus Vergnügen lesen – gemeint ist in der Freizeit aus freien Stücken, also nicht aus beruflichen oder schulischen Gründen – in den USA seit 2003 fast halbiert.
Nur noch 16 Prozent der Amerikanerinnen und Amerikaner greifen also gerne und freiwillig zu Lektüre, seien das Bücher, Magazine, Hörbücher und mehr. Vor rund 20 Jahren (2004) waren es noch 28 Prozent. Jahr für Jahr, berichtet die Zeitung, sank die Zahl um rund 3 Prozentpunkte. Schon seit den 1940ern nahm dieser Anteil ab, so die Forscher der Universitäten in Florida und London, der rasante Abschwung nun aber sei „überraschend“.
Die Gründe wurden nicht erhoben; die Forschenden haben aber Theorien: Einerseits die vermehrte Nutzung von elektronischen Geräten, andererseits die längeren Arbeitszeiten durch erhöhten ökonomischen Druck.
Billigere Bücher
Lesen wird, das geben die Daten der Studie jedenfalls her, zunehmend eine Tätigkeit der gebildeteren und wohlhabenderen Bevölkerung. Diese Einschätzung teilt auch die dänische Regierung. Die hat die Lage deutlich formuliert: Wir befinden uns in einer „Krise des Lesens“.
Die jüngste PISA-Studie hatte in Dänemark Alarm ausgelöst, berichtet die AFP: 24 Prozent der 15-Jährigen in dem skandinavischen Land können einfache Texte nicht verstehen – ein Anstieg um 4 Prozentpunkte innerhalb von zehn Jahren.
„Wir müssen alles tun, um diese Lesekrise zu beheben, die sich in den letzten Jahren leider verschlimmert hat“, sagte Kulturminister Jakob Engel-Schmidt.
Dafür sollen unter anderem Bücher billiger werden: Der Haushaltsentwurf der dänischen Regierung werde die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Bücher vorsehen. Diese ist mit 25 Prozent die höchste auf Bücher in Europa. In Österreich liegt diese bei 10 Prozent, auch hier wird die Reduktion beziehungsweise Abschaffung gefordert.
Auch aus Deutschland und Österreich kennt man die Entwicklung: Hier sind die Buchmärkte zwar mehr oder weniger stabil; dennoch ist die Zahl der Menschen, die Bücher kaufen, stark gesunken. Die verbliebenen Buchkäuferinnen und (weniger) -käufer erwerben dafür mehr und teurere Bücher. Zu erwarten ist, dass auch die Zahl jener, die Bücher lesen, mehr oder weniger parallel sinkt. Regierungsthema ist das noch keines.
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