Bücherverbannung in den USA: Gefährliche Sommersprossen

Sommersprossen sind offenbar schon zu divers für US-Schulen.
Quizfrage: In welchem Land ist „Mein Kampf“ in Bibliotheken erlaubt, „Das Tagebuch der Anne Frank“ aber nicht? Tipp: Es ist nicht Nordkorea. Richtig, es sind die USA. Hitlers Manifest kann man sich – anders als viele Bücher von schwarzen Autorinnen und Autoren zum Beispiel – noch in der Bibliothek der Marineakademie zu Gemüte führen, während das erschütternde Dokument eines Mädchens, das von Hitlers Regime umgebracht wurde, aus Schulbüchereien in Florida verbannt wurde.
Vergangene Woche hat dieser Bundesstaat wieder einmal weitere Titel an Büchern ausgewählt, die nicht mehr an Schulen ausgeliehen werden dürfen. Florida mit seinem eifrigen Gouverneur Ron DeSantis ist ohnehin schon der Staat mit der längsten Liste: 4561 Bücher stehen drauf. Im Hillsborough School District hat man sich dagegen gewehrt, bis die Regierung Anfang diesen Sommer mit Sanktionen drohte. Der Widerstand knickte daraufhin ein. Der PEN-Club sprach in einem Presse-Statement von „Zensur, die die Regierung angeordnet hat“, und von „gezielten Bemühungen, Macht durch die Verbreitung von Angst durchzusetzen, um Präzedenzfälle zu umgehen und diverse Stimmen in Floridas öffentlichen Schulen zum Schweigen zu bringen.“
Bloß nicht anders sein
Währenddessen ist ein Kinderbuch auf Deutsch erschienen, das auch dem Bücherbann in den USA zum Opfer gefallen ist. Schauspielerin Julianne Moore hat es verfasst, wie schon viele Zelebritäten vor ihr ein Bilderbuch herausgebracht haben. Von Madonna über Serena Williams bis zu Paul McCartney. Der Unterschied ist: Julianne Moores Kinderbuch soll nicht von Kindern gelesen werden – wenn es nach der Trump-Administration geht.
Worum geht es also in „Streuselnase Erdbeerkopf“ (Schaltzeit Verlag, übersetzt von Ruth Keen)? Ein bisschen kann man es sich schon ausmalen: Es geht um ein Mädchen, das unter ihren roten Haaren und ganz besonders unter ihren Sommersprossen leidet. Es versucht die Pigmentfleckchen wegzuwaschen, zu übermalen und sich schließlich unter einer Sturmhaube zu verstecken. Dann bemerkt die solcherart Unsichtbare, dass die Schulkollegen, die sie immer hänseln, sie plötzlich vermissen. Und so nimmt das Mädchen ihr Schicksal an und lernt, dass Anderssein einen erst einzigartig macht.

Der Inhalt des 40 Seiten starken Buchs ist also nicht besonders raffiniert, sein Witz ist überschaubar und es ist von Le Uyem Phan mit Blick auf das Wesentliche illustriert. Es ist für wirklich sehr kleine Mädchen gedacht. Und es würde wohl kaum jemanden interessieren, wenn es nicht eine Oscar-Preisträgerin geschrieben hätte – eine berühmte Schauspielerin mit Sommersprossen.
Moore hat sich auf Instagram „schockiert und traurig“ gezeigt, dass ihr halbautobiografisches Werk aus Schulen entfernt wurde. „Ich habe das Buch für meine Kinder und andere Kinder geschrieben, um sie zu erinnern, dass wir alle unsere Kämpfe ausfechten, aber doch vereint sind durch unsere Menschlichkeit und unsere Gemeinschaft.“ Nun ist das bereits 2007 erschienene, eigentlich total unschuldige Buch zu einem Symbol für die unverständliche Absurdität der Bildungspolitik unter Trump geworden.
Besorgte Autoren
Die übrigens ungeahnte weitere Folgen hat, die auch Leserinnen und Leser in Europa zu spüren bekommen: Schriftstellerin Ali Hazelwood, bekannt für Liebesromane, hat kürzlich bekanntgegeben, dass sie ihre Lesereise in Europa absagen muss. Zu groß ist die Angst der Autorin, die in Italien geboren wurde, aber in den USA ansässig ist, bei der Wiedereinreise Probleme zu bekommen.
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