Infineon: Wie aus Sand ein Chip für das Handy wird

Herzstück der Chip-Produktion bei Infineon in Villach ist der sogenannte Reinraum. Infineon verfügt aktuell über 22.000 m2 Reinraumflächen.
Es gibt Unternehmen, die einem im Alltag sehr oft begegnen, ohne dass man es merkt. Infineon ist so ein Unternehmen.

Die Digitalisierung bestimmt längst unser Leben. Jeder, der ein Smartphone hat oder über Amazon einkauft, nutzt die Vorteile der Digitalisierung. Dahinter stehen oft Unternehmen, die man in der breiten Öffentlichkeit kaum wahrnimmt. Unternehmen, die sich auch in Österreich befinden und eine wesentliche Rolle in der globalen Digitalisierung spielen.

Der Technologie-Konzern Infineon ist so ein Unternehmen. Die Infineon Technologies Austria AG, so der offizielle Firmenname, hat ihren Sitz in Villach und beschäftigt derzeit rund 4.200 Mitarbeiter. Infineon stellt Mikro-Chips her. 

Ohne Forschung und Entwicklung geht bei Infineon nichts

„In jedem dritten Smartphone weltweit sind Silizium-Mikrophone mit unseren Chips enthalten. Die sorgen für den guten Ton beim Telefonieren“, sagt Sabine Herlitschka. Die Salzburgerin und gelernte Forscherin führt das Unternehmen seit 2014 als Vorstandsvorsitzende. Marktführer ist man laut Herlitschka aber auch in einem anderen Bereich: So etwa bei Radarsystemen für Fahrzeuge. Die Entwicklung dazu erfolgt im Forschungszentrum in Linz. „Wir sind hier Teil bei der Entwicklung jener Technologie, die das autonome Fahren ermöglichen und sicher machen wird.“

Infineon: Wie aus Sand ein Chip für das Handy wird

In jedem dritten Smartphone weltweit sind Silizium-Mikrophone mit Infineon Chips enthalten

Aber es gibt noch mehr Alltag von Infineon. 50 Prozent aller Server haben mindestens einen Infineon-Energiesparchip eingebaut. Und ein Sicherheitschip von Infineon ist weltweit auf rund der Hälfte aller Pässe und Ausweise zu finden. Hier kommt die Expertise aus dem Grazer Entwicklungszentrum.

Insgesamt zählt der deutsche börsennotierte Infineon-Konzern über 40.000 Mitarbeiter, die zuletzt einen Umsatz von 7,6 Milliarden Euro erzielten. Infineon Österreich trägt mit knapp drei Milliarden Umsatz somit wesentlich zum Geschäft des Gesamtkonzerns bei.

1800 Mitarbeiter in der Forschung

Entstanden ist Infineon Ende der 1990er-Jahre durch die Ausgliederung des Halbleitergeschäfts der Siemens AG. Herlitschka: „Wir sprechen ja immer gerne von den tollen industriegeschichtlichen Storys aus den USA und Asien. Wir haben solche Storys aber auch in Europa und Österreich. Infineon ist so ein Beispiel.“

In Villach hat man einst als verlängerte Werkbank begonnen. Heute ist Infineon mit einem Forschungsaufwand von 17 Prozent des Umsatzes laut Eigenangaben das forschungsstärkste Unternehmen Österreichs.

Rund 1800 der 4200 Mitarbeiter sind im Bereich Forschung & Entwicklung tätig. Wenn derzeit viel von Digitalisierung die Rede ist, so ist Infineon ein Paradebeispiel dafür. Denn die Entwicklung und Produktion von Mikro-Chips ist an sich schon ein hochtechnologischer Prozess.

Infineon: Wie aus Sand ein Chip für das Handy wird

Infineon-Chefin Herlitschka im Gespräch mit KURIER-Wirtschaftschef Unterhuber: „Automatisierung bedeutet, dass Prozesse wie der Name schon sagt automatisiert abgewickelt werden. Aber noch nicht mit der Intelligenz, mit der das Produkt selbst den Produktionsprozess steuern kann.“

Doch was ist das Besondere an der Digitalisierung? Und worin besteht der Unterschied zwischen Digitalisierung und der aus der Industrie ja schon länger bekannten automatisch gesteuerten Produktion (wie etwa in der Autoproduktion)?

Herlitschka: „Automatisierung bedeutet, dass Prozesse, wie der Name schon sagt, automatisiert abgewickelt werden. Aber noch nicht mit der Intelligenz, mit der das Produkt selbst den Produktionsprozess steuern kann.“ Sprich: Die Produktionsanlagen und die logistischen Systeme kommunizieren – im Idealfall in Echtzeit -  mit dem gesamten Produktionsumfeld.

22.000 m² Reinraumflächen

Das Herzstück der Chip-Produktion bei Infineon in Villach ist der sogenannte Reinraum. Infineon verfügt aktuell über 22.000 m² Reinraumflächen. „Innerhalb des Konzerns ist unser „Pilotraum 4.0“ einer der neuesten und effizientesten Reinraumflächen“, sagt Richard Lippe, der bei Infineon verantwortliche Digitalisierungsmanager. Reinräume müssen staubtechnisch super-sauber sein.

Infineon: Wie aus Sand ein Chip für das Handy wird

Infineon-Manager Bernd Steiner )Mitte) und Reinhard Lippe (re.) mit KURIER-Wirtschaftschef Unterhuber.

Wie sauber, erklärt Bernd Steiner, Produktionsleiter bei Infineon. „In normaler Umgebungsluft befinden sich üblicherweise rund eine Million Staubteilchen. Ein Operationssaal in einem Krankenhaus hat nur noch 1.000 bis 10.000 Staubteilchen. In einem Reinraum der Klasse I bei uns hier in Villach ist je 28 Liter Luft maximal ein Staubteilchen über 0,5 Mikrometer Durchmesser zulässig.“ Hinter solch mega-klinischer Sauberkeit steckt ein komplexes Luftschleusensystem.

Die Aufbereitung der Luft erfolgt im Obergeschoss des Reinraums. Über fünf Millionen Kubikmeter Luft werden stündlich umgewälzt, erklärt Steiner. Die Temperatur beträgt konstant 22,7 Grad, die Luftfeuchtigkeit 40,4 Prozent. Der Reinraum ist 24 Stunden am Tag in Betrieb. Und das an 365 Tagen im Jahr.

Im Herzstück der Chip-Produktion

Der Zutritt in den Reinraum erfolgt über Schleusensysteme, wo spezielle Reinraumkleidung angezogen werden muss. Es erinnert an Raumschiffe aus Hollywood-Filmen. Überall Bildschirme, elektronische Systeme, Metallarme, die schwarze Boxen heben und senken, und natürlich viele bunte Knöpfe.

Menschen sind in diesem Bereich kaum zu sehen. „Die Ingenieure und IT-Experten befinden sich in einem anderen Areal, von wo aus sie die Produktion kontrollieren“, erläutert Lippe und fährt fort: „Das Grundmaterial, aus dem Chips gemacht werden, ist Silizium-Sand." Aufwendige chemische und physikalische Prozesse seien notwendig, um das Material zu reinigen. Lippe: „Am Ende dieses ersten Prozesses steht ein einkristalliner Siliziumstab von höchster Reinheit.“

Dünner als ein Blatt Papier

Auf zehn Millionen Silizium-Atome kommt im Stab nur noch ein Fremd-Atom. Den Block oder Stab nennt man Ingot. Die Ingots werden in Scheiben zerschnitten. Dieses Scheiben nennt man „Wafer“ und sehen aus wie hauchdünne Palatschinken aus Metall.

Bei Infineon Austria werden bis zu 40 Mikrometer (das sind 0,04 Millimeter) dünne Wafer gefertigt, betonen Steiner und Lippe. Zum Vergleich: Ein Blatt Standard-Schreibpapier ist etwa 0,11 Millimeter dünn. Je dünner der Wafer und die damit hergestellten Chips, desto geringer ist der Widerstand bei der Strom-Übertragung.

Damit aus einem Wafer Chips entstehen, sind bis zu 1.000 einzelne Arbeitsschritte notwendig. Am Ende des komplexen Produktionsprozesses steht jedenfalls ein Wafer voller Chips. 13,75 Milliarden Chips wurden im Geschäftsjahr 2018 von Villach aus in alle Welt geliefert, berichtet Steiner.

Die größe Baustelle Mitteleuropas

Ab 2021 werden es noch mehr sein. Denn der Infineon-Standort in Villach wird seit dem heurigen Frühjahr ausgebaut. In der ersten Hälfte 2021 soll in der neuen Chipfabrik dann die Produktion starten. Laut Andreas Wittmann, dem zuständigen Projektleiter für den Ausbau, ist man im Zeitplan. Die dafür getätigte Investition von 1,6 Milliarden Euro ist die größte private Investition seit Jahrzehnten in Österreich.

Das geschätzte zusätzliche Umsatzpotenzial liegt bei etwa 1,8 Milliarden Euro pro Jahr. 60.000 Quadratmeter wird der neue Gebäudekomplex umfassen, so Wittmann. 15.000 Tonnen Stahl werden dafür verbaut werden. Das entspricht dem Zweifachen des Stahlgewichts des Eiffelturms.

Und das sagt die Infineon-Chefin im Kurzinterview

KURIER: Wieviele Jobs gehen durch die Digitalisierung verloren?

Sabine Herlitschka: Die Frage muss man anders stellen: Wie viele Jobs würden verloren gehen, wenn wir nicht auf die Digitalisierung setzen würden? Es kommt ja schon seit vielen Jahren jetzt zu einer Veränderung der Arbeitsplatzstruktur.

Inwiefern?

Menschen mit niedrigerem Bildungsabschluss haben deutlich schlechtere Chancen, einen Arbeitsplatz zu finden. Daher ist es das Um und Auf, auf Aus- und Weiterbildung zu setzen.

Wird es neue Berufe geben?

Es entstehen schon jetzt neue Berufe: Zum Beispiel Data Scientists oder Roboter-Trainer. Dieser Trend wird sich fortsetzen.

Asien und die USA sind uns in Sachen Digitalisierung aber schon weit voraus. Wie kann da Europa eigentlich noch mithalten?  
Die Digitalisierung ist eine riesige Chance gerade für Europa, in einem massiven globalen Wettbewerb durch Wissen zu punkten. Hier geht es sozusagen nicht um die billigsten Hände, sondern um die schlauesten Köpfe.

Sucht Infineon gerade schlaue Köpfe?

Immer. Wir haben allein letztes Jahr rund 500 neue Leute an Bord geholt.

Philosophisch gefragt: Wo steht die Menschheit bei der Digitalisierung?

Wir sind erst am Anfang. Die Digitalisierung bricht nicht über uns herein wie das Wetter. Wir können und müssen sie gestalten, sodass sie als echte Chancen erkannt und genützt wird. Und dabei haben wir auch individuell als Konsumenten eine wichtige Rolle einzunehmen.

Serie "Österreich digital": Infineon

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