Ein Google-Rivale aus der Steiermark

Ein Google-Rivale aus der Steiermark
Die KNAPP AG beweist, dass Hightech auch aus Österreich kommen kann. Teil zwei der KURIER-Serie "Österreich digital".

Die Szenerie wirkt, als hätte ein futuristischer Künstler ein Maschinen-Ballett choreographiert: Wie von Geisterhand suchen sich die Roboter-Schlitten ihre Bahnen und transportieren Waren ans Ziel.

Sorgen, überrollt zu werden, muss kein Lagerarbeiter haben: Mit den autonom fahrenden Helferlein, die an den Star-Wars-Droiden R2-D2 erinnern, haben nämlich sogar Kinder ihren Spaß – die sie mit Bällen bewerfen und so zum Stoppen bringen.

KNAPP-Anwendungen

Was für den Laien nach Zukunftsmusik klingt, ist für die KNAPP AG Alltag. Die „Open Shuttles“ der Technologieschmiede, die ihren Sitz in Hart bei Graz hat, sind vielfach praxiserprobt und kommen in großen Warenlagern von Handels- oder Pharmafirmen zum Einsatz.

„Eng verzahnt“

Es ist nur eines von vielen Beispielen, wie die Digitalisierung und „Industrie 4.0“ in der Logistik Einzug gehalten haben. Physische Warenströme und Datenflüsse lassen sich gar nicht mehr wirklich trennen. “Das ist eng verzahnt. Digitalisierung ist bei uns ein wesentlicher Part aller Lösungen“, erklärt KNAPP-Produktmanager Roman Schnabl im Gespräch mit dem KURIER.

So beschäftige sich das Unternehmen seit 15 Jahren mit Datenbrillen. Und hat sich wichtige Patente gesichert – etwa für eine Lösung, wo der digitale Sehbehelf in Warenlagern genau jene Artikel anzeigt, die zusammengestellt werden müssen.

Die Kommissionier-Anwendung

So, als würde im Supermarkt dem Einkäufer die Shoppingliste ins Gesichtsfeld gespiegelt. Und auch noch der kürzeste Weg zum Regal und das gewünschte Produkt angezeigt. Logistikprofis nennen das „Kommissionieren“. „Da werden wir von Google als Rivale gesehen“, sagt Schnabl schmunzelnd. Der Vorteil: Fehler werden minimiert, es muss keine Liste abgehakt werden. Die Arbeitskraft hat beide Hände frei.

Datenbrillen kommen aber auch in der Fernwartung zum Einsatz: So kann ein Techniker, der eine Motoryacht in einem fernen Hafen reparieren soll, via Datenbrille mit den Experten in der Zentrale Rücksprache halten. Er erhält von ihnen exakte Infos ins Gesichtsfeld eingeblendet, welche Handgriffe er machen muss.

Ein Google-Rivale aus der Steiermark

Roman Schnabl, Director Product Management der KNAPP AG und KURIER-Redakteur Hermannn Sileitsch-Parzer

Die KNAPP-Programmierer haben sich den Spaß erlaubt, ein Spiel zu entwerfen, bei dem man sich eine Virtual-Reality-Brille (VR) aufsetzt und imaginäre Pakete und Bälle in einem Korb versenkt.

Die lustige Spielerei hat einen praktischen Hintergrund: Weil Kunden für Warenlager-Systeme üblicherweise Millioneninvestitionen tätigen, die für viele Jahre Bestand haben, können sie ihre gesamte Anlage vorab virtuell begehen und mit der VR-Brille sogar die künftigen Arbeitsplätze testen. Auch für Schulungszwecke kommt diese Software zum Einsatz.

Virtueller Rundgang

Es begann mit Krapfen

KNAPP ist der blühende Beweis, dass ein Digitalisierungspionier auch in Österreich heranwachsen kann. Der einstige Anlagenbauer hat einen bemerkenswerten Weg hinter sich. Firmengründer Günter Knapp war 1952 in Graz mit zwei Mitarbeitern gestartet und hatte Spezialmaschinen konzipiert, die beispielsweise Krapfen mit Marmelade befüllten.

Heute zählt die KNAPP-Gruppe 4.500 Mitarbeiter an knapp 30 Standorten weltweit. Und wächst mit Schwindel erregendem Tempo: Der Umsatz kratzt an der Milliarden-Euro-Schwelle. Allein im Vorjahr sind 730 Mitarbeiter dazugekommen. Und, besonders bemerkenswert: Rund 3.000 Mitarbeiter sind in Österreich beschäftigt.

Jährlich würden hier 136 Millionen Euro an Lohn-, Ertragssteuer und Sozialabgaben entrichtet, betont KNAPP-Chef Gerald Hofer. Viele der Mitarbeiter, rund 800, sind im Software-Bereich tätig.

„Wir haben den ganz klaren Fokus, das im Haus zu machen“, sagt Schnabl. Der Großteil sitze in Österreich, auch in der Software-Entwicklung. Womit zugleich die Frage beantwortet ist, ob die Digitalisierung Jobs kostet – es sind andere, höher qualifizierte Arbeitsplätze, die entstehen.

Mehr Jobs? Weniger?

Den Lagerarbeiter von einst gibt es tatsächlich kaum noch. Heute schleppen nicht mehr Menschen Kisten, sondern die Waren kommen zur Verarbeitung zu ihnen. Dazu flitzen an die 100 kleine Roboterwägen in gigantischen Regalen auf Schienen, um die Artikel zu transportieren. „Solche Hochregalsysteme sind mehrere Fußballfelder groß und 25 oder 30 Meter hoch“, erklärt Schnabl.

Eines der jüngsten Systeme hat KNAPP in den Niederlanden bei Kramp installiert, Europas größtem Ersatzteilhändler für Agrarmaschinen. Die Herausforderung ist hier, aus 500.000 unterschiedlichen Artikeln die richtigen für den schnellstmöglichen Versand bereitzustellen.

Könnten das Arbeiter nicht auch so schnell und exakt? „Unmöglich“, sagt Schnabl. Überflüssig werde der Mensch aber noch nicht. Denn so sehr sich die Robotik weiterentwickle: „Eines der besten Bildverarbeitungssysteme sind die Augen, eines der besten Greifsysteme die menschlichen Arme.“

 

Den gesamten TV-Beitrag über KNAPP können Sie noch einmal hier nachsehen:

Serie "Österreich digital": Knapp

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