Wifo-Chef Felbermayr: „Dieser Krieg macht uns alle ärmer“

Wifo-Chef Felbermayr
Der Ökonom sagt, die Energiepreise waren schon vor dem Ukraine-Krieg hoch, das brachte über die Teuerung massive Wohlstandsverluste mit sich

Ein Jahr Überfall auf die Ukraine, das ist auch ein Jahr Wirtschaftskrieg des Westens gegen Russland und die Unterstützer des Regimes von Wladimir Putin.

Wifo-Chef Gabriel Felbermayr hat zum Jahrestag die verschiedensten Auswirkungen der EU-Sanktionen und die Änderungen im wirtschaftlichen Gefüge durch die schrittweise Entkopplung von der russischen Wirtschaft analysiert.

Eine seiner zentralen Erkenntnisse lautet: Die schon seit 2021, also bereits vor Ausbruch des Krieges, massiv gestiegenen Importpreise für Öl, Gas und Industrierohstoffe aus Russland haben zu „massiven Wohlstandsverlusten“ in Österreich und vielen anderen Ländern geführt. Die Energie-Preissteigerungen seien auf die kräftige Konjunkturerholung nach dem Corona-Jahr 2020 und den Kohleausstieg etlicher Länder zurückzuführen gewesen. In direkter Folge stieg die Teuerung auch hierzulande in lichte Höhen.

Nur Mini-Plus pro Kopf

Das bedeutet: Vom nominellen, also unbereinigten Wirtschaftswachstum von knapp zehn Prozent im Jahr 2022 blieb nach Abzug der Inflation und pro Kopf nur ein Plus von 1,5 Prozent übrig. Das ist nur rund ein Drittel des offiziell für Österreich ausgewiesenen Wirtschaftswachstums 2022.

Und legt man diese Sicht gar auf den Zeitraum ab 2019 um, nimmt also die Corona-Pandemie und ihre Milliardenkosten gedanklich mit, so zeige sich: Das real verfügbare, also für den Konsum verwendbare Einkommen wird in Österreich erst 2024 wieder das Vorkrisenniveau erreichen. Und pro Kopf betrachtet, auch im kommenden Jahr noch darunter liegen.

Das bedeutet bereits die „Hälfte eines verlorenen Jahrzehnts“, sagt der Top-Ökonom. Und ergänzt: „Der Krieg macht uns alle ärmer. Besserverdiener stemmen das leichter. Aber es muss ein faire Verteilung der Lasten geben. Das ist zentral für den sozialen Frieden.“

Gas-Importe

Zuletzt sind die Gas-Importe aus Russland wieder gestiegen. Felbermayr: „Ich habe nichts gegen günstiges russisches Gas, wir werden Gas in einer Übergangszeit noch brauchen. Ich habe aber etwas dagegen, wenn mit unserem Geld für russisches Gas Krieg in der Ukraine geführt wird.“ Er plädiert daher weiterhin für einen möglichst raschen Ausbau der erneuerbaren Energie.

Die Wirtschaftsbeziehungen zu Russland sind im Übrigen nicht völlig weggebrochen, im Gegenteil: Österreichs Exporte sind beispielsweise nur um 25 % zurückgegangen (EU-Durchschnitt 50 %). Die Wirtschaft der Ukraine ist trotz aller Probleme erstaunlich widerstandsfähig. Der Handel mit der EU habe sich auf Vorkriegsniveau erholt.

Der massive Zuwachs an Exporten nach Weißrussland, bei Straßenfahrzeugen machte der Anstieg zuletzt 280 Prozent aus, ist für Felbermayr ein Hinweis darauf, dass „das EU-Sanktionsregime Löcher hat.“

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