EU-weiter Berufszugang bleibt Utopie
Wenn es um die Berufszulassung von Handwerkern und Freiberuflern geht, wird die Europäische Union wohl noch länger kein einheitlicher Binnenmarkt sein. Die EU-Kommission ist mit ihren umstrittenen Plänen für eine elektronische "europäische Dienstleistungskarte" vorerst abgeblitzt. Die EU-Mitgliedsstaaten wollen die Entscheidung über die Berufsregulierung nicht aus der Hand geben. Der europäische Rat für Wettbewerbsfähigkeit pochte diese Woche darauf, dass nationale Besonderheiten wie die duale (Lehr)-Ausbildung und Meisterpflicht in Österreich weiterhin gewahrt bleiben.
Um den Wettbewerb zu forcieren, will Brüssel, dass Selbstständige künftig mit einem vereinfachten elektronischen Verfahren über die Grenze hinweg tätig sein können. Eine einfache Bescheinigung der Behörden im Herkunftsland soll ausreichen. Ferner sollen die Mitgliedsstaaten bei Gesetzesänderungen – wie etwa die Gewerbeordnung – vorab die Zustimmung der EU-Kommission einholen müssen. Diese strenge Vorab-Prüfung nationaler Gesetzgebung wird von den Mitgliedsstaaten, allen voran Deutschland, abgelehnt. Jeder Mitgliedsstaat darf daher auch weiterhin über das Niveau von Gesundheits- und Verbraucherschutz entscheiden. Es soll aber strenger geprüft werden, ob bestehende Berufszugangshürden (noch) angemessen sind.
"Etappensieg"
In der Wirtschaftskammer (WKO) herrscht Freude darüber, dass an der nationalen Berufsreglementierung nicht gerüttelt wird. "Dies ist ein wichtige Etappensieg auf dem Weg zum Erhalt der Meisterpflicht", sagt die Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk, Renate Scheichelbauer-Schuster.
Der Druck auf heimische Betriebe durch ausländische Billigkonkurrenz sei groß, betont die Branchensprecherin, die im Vorfeld von einer "Bevormundung aus Brüssel" sprach. Berufszugangsregeln würden den Binnenmarkt gar nicht behindern. Auch die Gewerkschaft ist erleichtert. "Insbesondere in der Baubranche wäre durch die Dienstleistungskarte grenzüberschreitendem Lohn- und Sozialdumping Tür und Tor geöffnet", meint Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB. Auch das in Österreich recht strenge Anti-Dumping-Gesetz könnte ausgehebelt werden.
Zurück ins Parlament hieß es bekanntlich für die bereits zwischen SPÖ und ÖVP ausverhandelte Novelle zur Gewerbeordnung, die noch vor dem Sommer verabschiedet werden soll. Wichtiger Teil der Novelle ist ein vereinfachtes Verfahren bei neuen Betriebsanlagen – Stichwort One-Stop-Shop. Sämtliche Verfahren für eine Genehmigung (Baurecht, Gewerberecht, Naturschutz, Wasserschutz etc.) sollen künftig in einem von der Gewerbebehörde durchgeführt werden. Für die Gesetzesänderungen ist eine Zweidrittelmehrheit im Parlament erforderlich.
Die Grünen könnten hier mitziehen, stellen aber Bedingungen. „Wir halten den One-Stop-Shop für sinnvoll, aber nicht, wenn er auf Kosten der Umwelt und Anrainerinteressen geht“, betont Christiane Brunner, Umweltsprecherin der Grünen. Sie fürchtet, dass bei Bauvorhaben wichtige Anliegen in Bezug auf Naturschutz, Raumordnung, Flächenwidmungen oder Ortsbildschutz einfach ausgehebelt werden können. So wäre es möglich, etwa Hotels auch in einem Naturschutz- oder Landschaftsschutzgebiet zu errichten, wenn eine einzige Behörde diesbezüglich keine Einwände hat. Gerade im Naturschutzrecht komme es aber auf Parteienrechte an. Im vereinfachten Verfahren hätten auch Nachbarn keine Parteistellung mehr.
Sperrstunde
Wenig Freude haben die Grünen auch mit den geplanten Lockerung der Sperrstunden-Regelung. Diese von der Gastronomie heiß ersehnte Erleichterung sieht vor, dass bei Lärmbelästigung durch Gaststättenkunden die Gemeinde die Sperrstunde vorverlegen „kann“, nicht mehr „muss“. „Die Problematik des Lärms vor Lokalen wird zunehmen, wenn das absolute Rauchverbot ab Mai 2018 gilt“, so Brunner. Sie will eine Prüfung schon bei der Betriebsanlagengenehmigung. Der nächste Wirtschaftsausschuss im Parlament findet am 22. Juni statt.
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