Die Xiaomi-Mission: Das Smartphone ist erst der Anfang
Ein winziges Saatkorn, das gut gedüngt prächtig gedeiht und sich rasch ausbreitet: Das chinesische Wort „Xiaomi“ (sprich: Schiaumie) bedeutet übersetzt Hirse und bringt die Firmenphilosophie des siebentgrößten Digitalkonzerns der Welt gut auf den Punkt. Vor elf Jahren in Peking als lokales Start-up gegründet, mit Geld von China Mobile und dem US-Chipgiganten Qualcomm zu Chinas Nummer 1 am Smartphone-Markt aufgestiegen, matcht sich Xiaomi heute mit Samsung und Apple um den globalen Smartphone-Thron.
In Zentral- und Osteuropa liegt Xiaomi bereits an der Spitze, in ganz Europa auf Rang 2, weltweit und in Österreich (noch) auf Rang 3. Doch welche Strategie steckt hinter dem Aufsteiger aus China?
Nur Nr. 1 zählt
„Wir treten nicht an, um Vierter zu werden“, lässt Kurt Manninger, Country Manager von Xiaomi Österreich, keinen Zweifel am erklärten Ziel: Marktführerschaft in jedem Land. Seit September des Vorjahres baut Manninger, der von Huawei abgeworben wurde, das Österreich-Geschäft auf. Derzeit gibt es sechs Mitarbeiter, die Zahl soll je nach Geschäftsverlauf weiter aufgestockt werden.
Die Handys der Marken „Mi“ und „Redmi“ sind inzwischen bei allen Netzbetreibern und im Handel erhältlich, in der SCS Vösendorf wurde der erste eigene „Mi-Store“ eröffnet. Weitere sollen bald folgen, „wir evaluieren gerade den Ausbauplan“, so Manninger zum KURIER. In den Shops werden nicht nur Smartphones, sondern auch E-Scooter, Notebooks, Gaming-Monitore und Fitness-Tracker verkauft.
Erst der Anfang, wie Manninger betont. „In China verkaufen wir 2.000 verschiedene Produkte, in Europa sind es erst etwa 200. Aber wir erweitern laufend unser Portfolio“. Das Konzept dahinter: Das Smartphone als zentrale Steuerungseinheit für ein gesamtes „Ökosystem“, wie es Manninger nennt.
Alles aus einer Hand
Mittels App lassen sich nicht nur zig Dienstleistungen vom Einkauf, über Flugbuchungen und Streaming bis zum Impfpass erledigen, sondern auch der gesamte Haushalt steuern – vom TV-Gerät über den Saugroboter bis zum intelligente Mülleimer – und künftig auch das selbstfahrende Auto. Alles selbstverständlich von Xiaomi, denn andere Gerätehersteller ohne hauseigenen Smartphone-Anschluss hätten es künftig schwer, meint Manninger.
- Gründung 2010 in Peking
- aktuell in 100 Märkten weltweit tätig
- Marktanteile im Smartphone-Geschäft (laut Canalys): Österreich Platz 3, Europa Platz 2 (23 % Marktanteil), CEE Platz 1
- Umsatz: Geschäftsjahr 2020 ca. 31 Milliarden Euro
- Maschine-zu-Maschine-Kommunikation: IoT-Plattform für Verbraucher mit 324,8 Millionen Geräten, die miteinander verbunden werden können (Stand: 31.12.2020)
- F&E: Investitionen in Höhe von 7 Mrd. Dollar in die Forschung und Entwicklung von 5G und Künstliche Intelligenz in den nächsten 5 Jahren
Die Verkaufsmasche, das „Alles aus einer Hand“-Prinzip ist nicht neu, sondern von Amazon, Apple und Google abgeschaut. Xiaomi-Gründer und CEO Liu Jun bezeichnet sein Unternehmen daher gerne als „Amazon-Apple-Google-Hybrid“ – „mit einem großen Teil Amazon und etwas weniger Apple und Google“, wie er in einem Reuters-Interview angab. Tatsächlich verdienen die Chinesen einen Großteil des Geldes nicht mit Endgeräten, sondern mit mehr als 50 Anwendungen und Dienstleistungen, die über das eigene Handy-Betriebssystem MIUI laufen.
Massenmarkt
Im globalen Digitalbusiness gibt es mit Huawei, ZTE, Vivo oder Oppo künftig starke Konkurrenz aus dem eigenen Land, wobei Huawei durch die US-Sanktionen massiv
an Marktanteilen im Handybereich verloren hat. Alle Hersteller zielen auf den Massenmarkt ab und decken vom Einsteiger- bis zum Premium-Segment alles ab. Optisch gleichen sich die Geräte, technologisch sind sie auf dem letzten Stand, preislich top. Vorbehalte in puncto Datenschutz versucht Manninger zu zerstreuen. „Wir halten uns an die europäische Datenschutzrichtlinie. Die Daten der Europäer werden nicht in China, sondern in Frankfurt gespeichert“. Bezüglich des Einflusses der Regierung in Peking verweist er auf die Aufhebung der US-Sanktionen Ende Mai. Einen Google-Bann wie gegen Huawei gibt es für Xiaomi nicht.
5G-Technologieführer
Aber woher kommt die plötzliche Expansionswut der Chinesen, steckt da vielleicht doch eine nationale Strategie dahinter? „Europa hat als Innovationsträger im Bereich Telekommunikation das Zepter aus der Hand gegeben, und Asien hat die Technologie dann vorangetrieben“, erklärt Manninger die Offensive aus Fernost. Nach dem Heimmarkt würden jetzt die Auslandsmärkte folgen. An der Technologieführerschaft, vor allem bei 5G, werde sich in den nächsten zehn Jahren nichts ändern, ist er überzeugt. Bis dahin wird noch viel Hirse gesät werden.
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