Die Wiederentdeckung einer Erfolgsformel

Die Wiederentdeckung einer Erfolgsformel
Die Arbeitnehmer fordern wieder ihren Anteil am Erfolg der Unternehmen.

Irgendeine Begründung hat es immer gegeben, mit der die Arbeitgeber in den vergangenen 15 Jahren von ihren Dienstnehmern Zurückhaltung bei den Lohnsteigerungen forderten - und das in aller Regel auch durchsetzten. Mit der laufenden Lohnrunde der Metaller geht diese Taktik offenbar nicht mehr auf. Die Gewerkschafter haben die Erfolgsformel aus früheren Jahrzehnten wiederentdeckt.

Der legendäre Langzeit-ÖGB-Chef Anton Benya hatte das grundsätzliche Maß für die jährlichen Lohnerhöhungen vorgegeben: Abgeltung der Inflation plus den halben Wert des Produktivitätszuwachses. Wirtschaft und Arbeitnehmer sind mit dieser Benya-Formel über viele Jahre bestens gefahren.

Unter dem Hinweis auf die Zwänge der Globalisierung und in der Philosophie des Shareholder-Value - also der einseitigen Bevorzugung der Eigentümer von Unternehmen - wurde die Erfolgsformel ab Mitte der 90er-Jahre gekippt. Eindeutige Langzeitfolge: Die Lohnquote im Volkseinkommen ist seit 1995 von 76 auf 68 Prozent gesunken. Die Dividendenausschüttung österreichischer Aktiengesellschaften hat sich im gleichen Zeitraum auf 10 Prozent der Unternehmenswertschöpfung verdoppelt.

Die Metaller, traditionell Taktgeber für die jährlichen Lohnrunden, wollen jetzt dem schleichenden Verlust bei den Nettoeinkommen ein Ende setzen. 5,5 Prozent fordern sie, und das entgegen allen Usancen auch noch via Pressekonferenz statt hinter den Türen der Verhandler. Betriebsversammlungen sollen das zu Beginn der kommenden Woche unterstützen, wenn es bei den Verhandlungen am Mittwoch keine Fortschritte aus Gewerkschaftssicht gibt, stehen Streiks im Raum.

Konsum als Konjunkturmotor

Gewiss hat der Hinweis der Arbeitgeber auf eine eher unsichere Konjunkturlage im kommenden Jahr einiges für sich. Aber mindestens so gewichtig ist der Hinweis der Wirtschaftsforscher, die drohende Rezession werde dadurch verschärft, dass der Massenkonsum als Konjunkturmotor weitgehend ausfällt.

Über mehrere Jahre sind die Reallöhne regelmäßig gesunken. Wer steuerpflichtig ist, hat mit seinem Einkommen netto sogar deutlich verloren. Kommt die für breiteste Schichten eindeutig unrealistische Berechnung der Inflation dazu. Am realen Konsumverhalten berechnet bewegt sich die Teuerung nämlich rund um die 10 Prozent statt der offiziellen Rate von derzeit 3,4.

Es ist also nicht bloß eine Frage der mangelnden Gerechtigkeit in der Verteilung der Unternehmenserfolge, die seit Jahren einseitig von den Eigentümern und auch von den Managern kassiert wurden.

An der Entschlossenheit der Gewerkschaften ist auch deshalb nicht zu zweifeln, weil die zunehmend unter dem Druck ihrer Kollegen stehen. Fast 60 Prozent der Arbeitnehmer halten sie nach einer neuen Umfrage des Klagenfurter Humaninstituts für wenig bis nicht wichtig, knapp 70 Prozent für nicht zeitgemäß. Die Vorzeichen für diesen Herbst sind stürmisch.

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