„Die Währungsfonds-Prognose für 2020 ist zu optimistisch“

Peter Brezinschek, Raiffeisen-Chefanalyst
RBI-Ökonom Peter Brezinschek bezweifelt, dass sich der Welthandel so rasch erfängt. Am EZB-Kurs scheiden sich die Geister.

Abschwung, welcher Abschwung? Der Internationale Währungsfonds (IWF) malte jüngst ein erstaunlich rosiges Bild. Bei der Herbsttagung in Washington prognostizierten die Experten für 2020 ein globales Wachstum von 3,4 Prozent (nach heuer 3 Prozent). Und, noch verblüffender: Für die Industriestaaten soll sich – so wie heuer – ein Plus von 1,7 Prozent ausgehen.

Das ist für Peter Brezin-schek, Chefökonom der Raiffeisen Bank International (RBI), der die Debatten vier Tage lang in Washington verfolgt hat, schwer nachvollziehbar. Zwar zeichne sich ab, dass der Tiefpunkt des Abschwunges bald erreicht sein dürfte. Viel Aufwind sei aber nicht in Sicht.

Zum Vergleich: Die RBI-Experten prognostizieren für 2020 der Eurozone 0,5 Prozent Plus, den USA 1,5 Prozent und Japan 1 Prozent. All das ist weit entfernt von den IWF-Erwartungen. Und es passt auch nicht zu den vielen Warnrufen in Washington, die eine Eskalation des Handelsstreits befürchteten.

Unberechenbarer Trump

Der Optimismus der IWF-Analysten rührt nämlich daher, dass sich das Welthandelsvolumen 2020 bei 3,2 Prozent Plus einpendeln soll. Wozu freilich die Handelskonflikte ausgeräumt werden müssten. Wahrscheinlicher ist es hingegen, dass US-Präsident Trump am 15. November neue Preisaufschläge auf europäische Autoimporte verhängt. Das wäre ein weiterer Konjunktur-Dämpfer.

Breiten Raum nahm in Washington die Debatte über die Geldpolitik ein. Insbesondere an den von der EZB jüngst gesetzten, zusätzlichen Lockerungsimpulsen schieden sich die Geister.

Geldpolitik wirkt wenig

Sogar Verfechter eines „Gelddrucken-Kurses“ wie der italienische Notenbanker Ignazio Visco sähen die Grenzen des Möglichen erreicht. Die Nebenwirkungen dieser Politik nähmen zu; zur Realwirtschaft trügen die Null- und Negativzinsen kaum noch Positives bei, zumal die Kreditvergabe ohnedies floriere.

Obendrein werde bei niedrigen Sparerträgen mehr gespart statt weniger: Die Menschen versuchen, fehlende Zinsen auszugleichen und ihr Sparziel dennoch zu erreichen. Viele Notenbanker hoffen nun, dass die neue EZB-Chefin Christine Lagarde ab November die Lager versöhnen kann. Vorgänger Draghi wurde zuletzt autokratisches Agieren vorgeworfen.

In der Kritik stand aber auch Deutschland: Der Staat gebe angesichts seines Budgetüberschusses zu wenig Geld aus und erschwere der EZB ihre Aufgabe unnötig. Brezinschek sieht freilich nur den Ausgabenmix kritisch: Deutschland habe zu viel konsumptiv ausgegeben (für Geldtransfers) und zu wenig investiert (in Infrastruktur). Das jüngst beschlossene deutsche Klimapaket mit 54 Mrd. Euro Steuersenkungen und Investitionen gehe in die richtige Richtung.

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