Größter US-Bankenkollaps seit Finanzkrise 2008
Erinnerungen an die Finanzkrise 2008 werden aktuell wach. Damals sorgte eine Immobilienkrise in den USA dafür, dass die Finanzbranche weltweit in Schieflage geriet. Und auch wenn jetzt die Voraussetzungen dafür andere sind und die Lage weitaus weniger bedrohlich scheint, ist an den Börsen bereits eine gewisse Nervosität zu bemerken. Doch worum geht es dieses Mal?
Die Silicon Valley Bank (SVB) wurde am Freitag in Folge massiver Kursverluste von der kalifornischen Regulierungsbehörde geschlossen. Insidern zufolge war zuvor eine Not-Kapitalerhöhung gescheitert, die nach Milliardenverlusten aus dem Verkauf eines Anleiheportfolios nötig geworden war. Es ist die größte US-Bankenpleite seit der Finanzkrise.
SVB-Chef Gregory Becker war zuletzt noch um Beruhigung bemüht. Er soll große Kunden persönlich angerufen und versichert haben, dass ihr Geld bei dem Institut geschützt sei. Am Donnerstag hatten die Papiere des Instituts rund 60 Prozent ihres Werts eingebüßt. Der Börsenwert der SVB reduzierte sich binnen Stunden um rund 80 Milliarden Dollar (76 Mrd. Euro). Am Freitag blieb der Handel mit den Papieren des Institutes, das Tech-Unternehmen und Start-ups fördert, ausgesetzt, nachdem sich vorbörslich Verluste in ähnlicher Höhe angekündigt hatten.
Wie der öffentliche Einlagensicherungsfonds FDIC am Freitag mitteilte, wurden versicherte Einlagen bei der SVB an eine von der FDIC neugegründete Bank überwiesen. Die 17 Filialen der SVB sollen aber wieder am Montag öffnen.
Hintergrund ist die US-Geldmarktpolitik. Die steigenden Leitzinsen führen dazu, dass die Anleihen in den Portfolios der Banken bilanziell an Wert verlieren (auch wenn sie zu Laufzeitende zu vollem Nennwert getilgt werden). Um die Bilanz aufzupolieren, hat SVB einen Teil seines Anleihenportfolios verkauft – allerdings mit Verlust. Um das Loch zu stopfen, wurden neue Aktien im Umfang von 1,75 Mrd. Dollar ausgegeben. Analysten bewerteten diese Vorgehensweise eher zurückhaltend.
Die Bank zählte zudem Tech-Unternehmen zu ihren wichtigsten Kunden, die besonders mit einer verschlechternden Finanzlage kämpfen, auch weil durch die Anhebung der Zinsen die Aufnahme von Krediten teurer wird.
Kryptos
Die Krise am Markt für Digitalwährungen hat wiederum den Finanzkonzern Silvergate Capital in die Knie gezwungen. Alleine im vierten Quartal wurden acht Mrd. Dollar abgezogen. Die Bank gab am Mittwoch bekannt, ihren Betrieb einzustellen und die Abwicklung einzuleiten. Sämtliche Einlagen sollen vollständig zurückgezahlt werden. Silvergate wurde bereits 1988 gegründet und ist seit 2013 in Kryptowährungen aktiv.
Silvergate und SVB "sind Opfer desselben Phänomens, da die Straffung der US-Geldpolitik den Schaum aus den Teilen der Wirtschaft mit den meisten Überschüssen abschöpft", sagt Analyst Adam Crisafulli von Vital Knowledge.
Implosion
"Auch deutsche Banken stehen jetzt im Visier der Verkäufer, weil SVB etwas offenbart hat, was auch sie angehen könnte: unrealisierte Verluste im Anleiheportfolio", sagt Analyst Jochen Stanzl vom Broker CMC Markets. Was der Markt jetzt fürchte, sei eine Implosion in den Bilanzen der Banken. Die Investoren würden nun auf Klarstellungen der großen Geldhäuser warten, ob und in welchem Ausmaß die Probleme von SVB auch auf sie zutreffen.
Der europäische Bankenindex fiel am Freitag um gut vier Prozent. Die Deutsche Bank verlor 9,8 Prozent, die RBI und die Erste Group je 3,6 Prozent und die Bawag 4,9 Prozent. Nach Bekanntwerden der aktuellen Arbeitslosenzahlen grenzten sich die Verluste etwas ein.
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