Die sieben mageren Jahre sind demnächst vorbei
Die US-Wirtschaft ist nicht nur bereit für höhere Zinsen, sie braucht höhere Zinsen." Mit ungewohnt deutlichen Worten bereitete Janet Yellen, die Chefin der US-Notenbank Fed, in der Vorwoche die Finanzwelt darauf vor, dass die sieben mageren Zinsjahre jetzt zu Ende gehen. Bereits seit 2008 liegen die Fed-Leitzinsen auf dem Rekordtief von 0,0 bis 0,25 Prozent. Seither hat sich in den Vereinigten Staaten vieles gebessert. Jörg Angelé, Analyst in der Raiffeisen Bank International (RBI), hat daher viele Argumente, warum die Fed schon im September die Leitzinsen anheben wird.
Arbeitslosenquote Fed-Chefin Yellen liegt der Arbeitsmarkt besonders am Herzen. Die Zinsen werden erst steigen, wenn die Arbeitslosenrate langfristig unter die Marke von 6,5 Prozent sinkt, hat sie zu Beginn ihrer Amtszeit als Parole ausgegeben. Dort ist sie längst gelandet. Im Juni lag die Quote bei 5,3 Prozent. "Die Vollbeschäftigung, die die Fed bei 5,1 Prozent Arbeitslosenrate ansetzt, dürfte im September erreicht sein", sagt Angelé voraus. Dabei helfe eine Spezialentwicklung: Die Babyboomer gehen gerade in (Früh-)Pension. Dadurch steige das Arbeitskräfte-Angebot nicht mehr.
Inflation Wie auch die EZB für den Euroraum hat die Fed für die USA zum Ziel, die Teuerungsrate nahe an die Zwei-Prozent-Marke zu bringen. Mit zuletzt 0,2 Prozent Inflation sind die USA auf den ersten Blick weit von diesem Ziel entfernt. Rechnet man allerdings die für hohe Schwankungen bekannten Energie- und Lebensmittelpreise heraus, macht die Teuerung (als Kernrate bezeichnet) 1,8 Prozent aus. "Und hier drücken die tiefen Energiepreise, weil etwa Flugtickets oder Fernbusse billiger geworden sind", sagt Angelé.
Wachstum Das Budgetdefizit wird heuer 2,0 bis 2,5 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmachen. Die USA dürfen wieder mehr in den öffentlichen Konsum (etwa in die Infrastruktur) stecken als in den Vorjahren. Bisher hat sich dieser Staatskonsum als Dämpfer erwiesen, jetzt hilft er der Konjunktur etwas auf die Sprünge. Mit 2,7 Prozent sollten die USA heuer ein gutes Wirtschaftswachstum schaffen, so die RBI-Prognose. Höhere Zinsen wären da leicht zu verdauen.
Mit "neutralem Zins" bezeichnet die Finanzwelt jenen Zinssatz, der die Konjunktur weder dämpft noch antreibt. Bei knapp zwei Prozent Inflation und einer Quasi-Vollbeschäftigung würde dieser neutrale Zins laut Modellrechnungen bei 3,5 Prozent liegen – viel Luft nach oben für Fed-Chefin Yellen. In einem ersten Schritt werde sie die Zinsspanne im September auf 0,25 bis 0,5 Prozent und im Dezember weiter anheben, so die Prognose. Ende 2016 könnten die US-Leitzinsen dann bei drei Prozent liegen. Mit dieser Aussicht könnte das Dollar-Euro-Verhältnis heuer noch die Parität (1:1) erreichen.
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