Die Krise in Österreich: Einbruch scharf, aber bestenfalls kurz

Distanz eingehalten: Christoph Badelt (Wifo), Martin Kocher und Helmut Hofer (IHS)
"Optimistisches" Szenario von WIFO und IHS erwartet Rezession. Das Minus soll aber kleiner ausfallen als nach der Finanzkrise.

Wie lange? Das ist momentan die große, entscheidende Frage hinter allen Konjunkturprognosen.

Nämlich, wie lange wird der Stillstand in großen Teilbereichen der heimischen Wirtschaft noch andauern müssen, damit die Verbreitung des Coronavirus eingedämmt werden kann. Davon hängt ab, wie tief das Minus in der Wirtschaftsleistung 2020 letztlich ausfallen wird.

Minus 2,5 Prozent

Derzeit lasse sich keine wirkliche Prognose erstellen, man könne nur in Szenarien rechnen, betonte das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) am Donnerstag. Jenes der Ökonomen sieht aktuell so aus: Die Eindämmungsmaßnahmen bleiben bis Ende April in Kraft. Im Mai können sie allmählich gelockert werden, sodass sich die Lage im Sommer normalisiert.

Unter diesen Voraussetzungen würde die österreichische Wirtschaft 2020 laut Wifo um 2,5 Prozent schrumpfen. Der erwartbare Aufhol- bzw. Nachholeffekt, insbesondere in der Industrieproduktion, würde sich großteils erst im kommenden Jahr einstellen.

Extrem zeitkritisch

Das Institut für Höhere Studien (IHS) ist noch eine Spur zuversichtlicher, es geht "nur" von einem Minus der Wirtschaftsleistung (BIP) von -2,0 Prozent aus. Der Unterschied erklärt sich so: Das Wifo glaubt, dass die Eindämmungsmaßnahmen ungefähr ein bis zwei Wochen länger in Kraft bleiben müssen.

Das zeigt, wie zeitkritisch all diese Annahmen sind: Sollte der Teil-Stillstand bis Mitte Mai andauern, würde das BIP-Minus für Österreich im Gesamtjahr 2020 nämlich gleich auf ungefähr -5 Prozent anwachsen, sagte IHS-Chef Martin Kocher.

Wie kommt es, dass diese österreichischen Prognosen so viel positiver - oder weniger negativ - ausfallen als etwa jene in Deutschland, lautete eine Frage der Journalisten, die per Internet zugeschaltet waren. Das Münchener Ifo-Institut hatte schließlich für Deutschland je nach Szenario ein Minus zwischen fünf und knapp 21 Prozent (!) unterstellt.

Negativer Teufelskreis

Solche "Horrorszenarien" spare man bewusst aus, erklärten die Institutschefs unisono. Man dürfe sich vom negativen Nachrichtenfluss nicht zu stark beeinflussen lassen, erklärte IHS-Chef Kocher: "Diese Dynamik stellt momentan einen Teufelskreis nach unten dar." Genauso rasch könne es aber auch wieder nach oben gehen.

Ein Monat Stillstand koste ungefähr drei Prozentpunkte an Wachstum. Allerdings sei dieser Effekt nicht linear. Wenn es länger dauere, entstünden höhere Kosten. Dann steige nämlich die Gefahr permanenter Schäden und es würden sich die Schwierigkeiten in den Lieferketten häufen. Womöglich kämen somit noch Versorgungsschwierigkeiten erschwerend dazu.

Dass die Schäden mit der Fortdauer zunehmen, unterstrich auch Wifo-Chef Badelt. Er halte solche "Worst-Case-Rechnungen" aber für "nicht sehr verantwortungsvoll". Das erzeuge nur Panik.

Großes Budgetloch

In Österreichs Budget werden sich die Rettungsmaßnahmen aus dem 38-Mrd.-Euro-Paket und die erwartbaren Steuerausfälle deutlich niederschlagen. Das Wifo erwartet für das Gesamtjahr 2020 ein Haushaltsdefizit von -5,5 Prozent. In absoluten Beträgen wären das stattliche 21,5 Milliarden Euro Defizit.

Das ist weit jenseits der Drei-Prozent-Schwelle der EU-Maastricht-Kriterien, die aktuell wegen der Krise aber ohnehin ausgesetzt sind. Die Staatsschulden werden laut Wifo von 70 auf 76 Prozent klettern.

Hunderttausende Anträge

Trotz der hohen Kosten seien die Rettungsmaßnahmen der Bundesregierung und der Zugang "whatever it takes", also koste es, was es wolle, in dieser Situation "goldrichtig", betonte Badelt. Die massive und rasche Intervention sei entscheidend, um die Unternehmen zu stützen.

Das akute Problem sei die praktische Umsetzung, wo die Kammern und das AMS derzeit mit Hunderttausenden Anträgen konfrontiert seien. Sie seien zu bewundern, ihnen sei alle Unterstützung zu gönnen, so Badelt.

Ist damit die geplante Steuerreform obsolet geworden? Im Moment stelle sich diese Frage nicht, waren sich die Ökonomen einig. Jetzt lägen die Prioritäten woanders. Was leistbar und sinnvoll ist, müsse man neubewerten, wenn die Krise vorbei ist.

Arbeitslosigkeit steigt

Diese findet auch auf dem Arbeitsmarkt deutlichen Niederschlag: Die ohnehin noch relativ hohe Arbeitslosigkeit von zuletzt 7,4 Prozent (2019) klettert nach Erwartung der Analysten noch heuer auf 8,4 Prozent.

Das wäre ungefähr jener Wert, wo sie sich 2017 befunden hatte. Ein deutlicher Anstieg, und das trotz der Kurzarbeit, die den Kriseneffekt abmildert.

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Rechnung ist optimistisch

Abschließend halten die Wifo-Ökonomen fest, dass das Szenario insofern optimistisch sei, "als es davon ausgeht, dass die verschiedenen Einschränkungen der Wirtschaft nicht wesentlich länger aufrecht bleiben, als dies gegenwärtig geplant ist". Und es dürften keine weiteren Schocks dazukommen, etwa ein Verschärfung der Krise in Deutschland oder den USA.

Was jetzt wichtig ist

Als das "Aller-, Allerwichtigste" bezeichnete Christoph Badelt die Liquiditätsversorgung der Unternehmen. Gerade die Kleinstbetriebe, insbesondere Ein-Personen-Unternehmen, hätten überhaupt keinen Spielraum. Für sie würden Kreditprüfungen zu lange dauern, da brauche es Cash-Lösungen.

Um die Banken machen sich weder Wifo noch IHS große Sorgen, selbst wenn die Kreditausfälle zunehmen würden. Der heimische Finanzsektor sei jetzt viel besser aufgestellt als vor der Finanzkrise 2008. "In Österreich sehe ich kurz- und mittelfristig keine große Problematik aus der Kreditvergabe", so Kocher. Zudem gebe es die staatlichen Haftungen.

Eurobonds: Jetzt nicht

In Ländern wie Italien sei der Rückstau an faulen Krediten viel größer, da habe aber die EZB mit Langfristkrediten, welche die Banken abrufen können, bereits umfassend reagiert. Was Eurobonds, also die gemeinsame Schuldenaufnahme in der Währungsunion betrifft, stehen beide Ökonomen derzeit noch auf der Bremse.

Mit Betonung auf derzeit: Badelt meint, es könne eine Situation eintreten, dass man in vier Monaten noch einmal über das Thema reden müsse. Kocher ist dagegen, dass "der dritte Schritt vor dem zweiten gesetzt wird": Die Europäische Zentralbank habe noch ihr OMT-Programm im Köcher, das in der Eurokrise eingerichtet, aber nie eingesetzt wurde. Dieses wurde damals geschaffen, um Italien vor einer Ansteckung durch die Griechenlandkrise abzuschirmen. Mit Erfolg.

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