Die Gewinner und Verlierer des Zinstiefs
Spätherbst 2008: Die Finanzkrise fraß sich rund um den Globus, die heftige Rezession stand noch bevor. Die Notenbanken reagierten mit Zinssenkungen. Der Leitzins für die Eurozone landete schließlich bei Null. Das hat auch die heimische Geldwelt radikal verändert. Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) hat errechnet, wer in den vergangenen zehn Jahren zu den Profiteuren und wer zu den Verlierern gezählt hat.
Geld ist viel billiger geworden – und damit Kredite. Seit dem Schlussquartal 2008 bis zur heurigen Jahresmitte haben sich die heimischen Haushalte im Vergleich zur Zeit davor einen Berg an Kreditzinsen erspart. Kumuliert waren das bisher rund 30 Milliarden Euro. Unternehmen haben sich sogar 33 Milliarden Euro an Zinsaufwand erspart. Auf 27 Milliarden Euro Ersparnis kam der Staat, weil er bei der Geldaufnahme (Anleihen) weniger Zinsen zahlen musste. „Und der Staat sind wir Steuerzahler“, betont Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny.
Des Kreditnehmers Freud bedeutet des Sparers Leid. Bankeinlagen brachten den privaten Haushalten in Österreich um 46 Milliarden Euro weniger Zinsen ein als vor der Krise. Bei Unternehmen sanken diese Zinserträge um rund elf Milliarden Euro.
Diese Entwicklung wird noch länger anhalten. Im Unterschied zur US-Notenbank, die die Zinsen schon mehrmals angehoben hat und keine Staatsanleihen mehr kauft, „ist die Europäische Zentralbank erst bei Schritt 1“, sagt Nowotny. Sprich: Sie wird das Anleihen-Kaufprogramm Ende des Jahres beenden, auslaufende Anleihen aber weiter veranlagen. Und die Zinsen erst nach dem Sommer 2019 antasten.
Sicherheitsnetz
„Den kleinen Sparer gibt es nicht“, stellt der Notenbank-Chef fest. Fast ein Viertel der privaten Haushalte hat zuwenig Einkommen, um überhaupt zu sparen. Für einen „erheblichen Teil der Menschen“ sei Sparen ein Sicherheitsnetz. Etwa für den viel zitierten Fall, dass die Waschmaschine eingeht. Zinsen seien in diesem Bereich zweitrangig, Empfehlungen, Veranlagungen mit mehr Ertrag zu favorisieren, sinnlos. Erst die Haushalte mit höheren Nettoeinkommen können sich höhere Sparquoten über den Notgroschen hinaus leisten.
Genauso bunt wie die Welt der Sparer ist auch jene der Bankkunden. Kontostand abfragen, Geld überweisen, einen Abbuchungsauftrag installieren – Bankgeschäfte werden zunehmend online durchgeführt. Allerdings kommt es hier sehr auf das Alter der Kundschaft an. In der Altersgruppe 14 bis 35 setzen um die 70 Prozent auf Online-Banking. In der Altersgruppe 66+ sind das höchstens zehn Prozent. Weil die Digitalisierung fortschreitet, müssten sich Banken auch Angebote für Ältere überlegen, fordert Nowotny, der vor einer drohenden Altersdiskriminierung warnt. In wenigen Bereichen sei der Unterschied zwischen den Generationen so ausgeprägt, meint Nowotny. „Vielleicht noch bei Disco-Besuchen.“
Bargeld
Auch beim Thema Bargeld gibt es große Unterschiede zwischen Jungen und Älteren. In der Altersgruppe bis 35 sind nur noch 52 Prozent der Meinung, dass Bargeld seine derzeitige Bedeutung behalten sollte. In der Altersgruppe 66+ wollen 93 Prozent am Bargeld festhalten.
Auch in der heimischen Bankenlandschaft hat sich seit dem Ausbruch der Krise viel verändert – vor allem zum Positiven. Hatten die heimischen Großbanken früher gerade einmal 6,5 Prozent Kapital als Risikopolster, sind es jetzt 14,7 Prozent. Der Gewinn hat wieder Vorkrisenniveau erreicht. Die Bankkunden haben aber jetzt weitere Wege: Die Anzahl der Filialen hat sich um 580 auf 3677 (Stand Jahresmitte) verringert.
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