Die EZB-Rezepte: Alles über Risiken und Nebenwirkungen

Die EZB-Rezepte: Alles über Risiken und Nebenwirkungen
Die Europäische Zentralbank vor einem epochalen Schritt: Donnerstag ist Tag der Wahrheit.

Die Finanzmärkte haben ihr Urteil längst gefällt: Die Europäische Zentralbank (EZB) soll Staatsschuldpapiere um mindestens 700 Milliarden Euro aufkaufen und so der Wirtschaft der Eurozone einen kräftigen Schubs verpassen, Punkt. Was macht die Investoren da so sicher? Und wo liegen dabei die Risiken? Der KURIER gibt Antworten.

Was spricht dafür, dass EZB-Chef Mario Draghi am Donnerstag handeln wird?

Weil die Inflationsrate seit 2011 fällt und fällt. Die EZB hat aber den Auftrag, für stabile Preise zu sorgen. Damit ist eine Teuerungsrate nahe zwei Prozent gemeint. Deshalb schrillten jüngst die Alarmglocken: Im Dezember sind die Preise im Euroraum um 0,2 Prozent gesunken – erstmals seit fünf Jahren.

Was wäre so schlimm, wenn die Preise weiter fallen?

Zentralbanker haben Angst vor dauerhaft fallenden Preisen und Löhnen (Deflation): Haben sich die Unternehmen und Konsumenten darauf eingestellt, ist es schwer gegenzusteuern. Die Wirtschaftsflaute und steigende Arbeitslosigkeit, die sich bereits abzeichnen, würden dauerhafte Begleiter.

Gibt es noch weitere Gründe für die EZB-Geldflut?

Ja. Die Krisenländer müssen billiger werden, um ihre Produkte im Ausland verkaufen zu können. Wenn die Preise im Euroraum insgesamt fallen, wird das nahezu unmöglich. Und es würde für sie schwieriger, ihre hohen Schulden zurückzuzahlen.

Warum muss die EZB Staatsanleihen kaufen?

Das Standardrezept, um billiges Geld in den Finanzkreislauf zu pumpen, wäre eine Senkung des Leitzinses – der liegt aber bei 0,05 Prozent, tiefer geht es wirklich nicht mehr. EZB-Chef Draghi hat angekündigt, die Bilanzsumme zurück auf den Rekordwert von Anfang 2012, rund 3000 Milliarden Euro, heben zu wollen. Dazu wäre ein Schub von etwa 700 Milliarden Euro nötig – das geht fast nur mit Staatsanleihen.

Darf sie das überhaupt?

Prinzipiell ja. Geldpolitische Lockerung ("Quantitative Easing") ist zwar ein ungewöhnliches, aber mittlerweile von vielen Zentralbanken praktiziertes Instrument. Die EZB darf Euro-Staaten nicht direkt finanzieren, der Ankauf von Schuldtiteln aus zweiter Hand ist aber legitim. Es wird aber ganz genau darauf geachtet werden, welche Papiere die EZB aus welchen Ländern kauft – und zu welchen Konditionen.

Was verspricht sich Draghi von den Ankäufen?

Wenn die EZB den Banken Anleihen abkauft, können diese mit dem Geld neue billige Kredite vergeben. Das sollte die Investitionen der Unternehmen ankurbeln. Zugleich schwächt eine lockere EZB-Politik den Euro, was den Exporten einen Schub gibt. All das sollte die Inflationsrate steigen lassen.

Gibt es Zweifel an der Wirksamkeit?

Ja. Manche Ökonomen argumentieren, dass bereits genug billiges Geld vorhanden wäre. Kredite würden schlicht zu wenig nachgefragt: Wenn die Unternehmen kein Vertrauen in eine rosige Zukunft haben, werden sie nicht große Investitionen tätigen wollen. Da könne die EZB die Banken noch so sehr mit Geld überhäufen.

Welche Risiken gibt es?

Das Hauptargument der Kritiker: Kauft die EZB Schuldtitel aus Krisenländern wie Griechenland oder Spanien, so wird das Ausfallsrisiko auf alle Euroländer übertragen. Das senkt zwar die Zinsen für diese Länder, sie hätten aber weniger Anreiz für harte Reformen – weil sie ja ohnehin an billiges Geld herankämen.

Gibt es noch weitere Nebenwirkungen?

Ja. Sogar EZB-Banker räumen ein, dass reiche Menschen besonders von solchen Maßnahmen profitieren. Das Füllhorn mit Billiggeld, das die Zentralbanken seit 2008 ausschütten, lässt die Anleger höhere Risiken eingehen. Das befeuert die Börsen, lässt da und dort die Immobilienpreise explodieren und nährt Sorgen, dass so die nächste Blase aufgebläht wird, die bald mit lautem Knall zerplatzt.

Wer ist für die Anleihenkäufe? Wer dagegen?

Ganz klar als Gegner hat sich nur Deutschland deklariert. Zu den Befürwortern zählen südeuropäische Länder, aber auch Frankreich. Dazwischen gibt es viele "Ja, aber"- Positionen.

Was, wenn sich "Super Mario" und Co. unerwartet doch anders entscheiden?

Das Zähneknirschen wäre groß. Die Aktienkurse würden deutlich fallen, der Euro würde hingegen an Wert zulegen. Es würden sicher Stimmen laut, dass die EZB gespalten und nicht handlungsfähig sei. Das könnte schlimmstenfalls sogar die Eurokrise neu hochkochen lassen.

Die Geldschwemme

Wie Geld gedruckt wird Notenbanker lassen natürlich nicht mehr Druckerpressen rotieren, sondern schaffen neues Geld per Mausklick über Bankguthaben. Der Effekt ist aber derselbe. Weltweit haben Zentralbanken die Märkte seit Herbst 2008 mit billigem Geld geflutet, um eine Depression wie in den 1930ern zu verhindern.

EZB fällt zurück Dabei liegt die EZB im Konzert der Großen nicht etwa vorne, sondern ist hintennach (Grafik). Ihre Bilanzsumme hat sich seit 2008 knapp verdoppelt, jene der US-Notenbank Fed hingegen fast verfünffacht. Zuletzt ist die EZB-Bilanz sogar geschrumpft – eher unfreiwillig: Banken haben langfristige Billigkredite der EZB (TLTRO) vorzeitig zurückgezahlt.

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