Die EU feilt an einer Co2-Grenzabgabe
Aus seiner grimmigen Entschlossenheit, die USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen herauszuführen, hat Donald Trump nie ein Hehl gemacht. Ab heute kann der US-Präsident formell den Antrag dazu stellen. Genau ein Jahr später sind die USA dann draußen – und stellen die europäische Wirtschaft vor gewaltige Herausforderungen: Während die US-Wirtschaft unter weniger strengen Umweltschutzbeschränkungen – und damit billiger – produzieren wird, kommen auf die Wirtschaft der EU erheblich strengere Auflagen zu.
Ein „green deal“ schwebt der designierten EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen vor. Binnen hundert Tagen nach ihrem Amtsantritt (Dezember) will die EU-Kommission ein umfassendes Gesetzespaket vorlegen. Das Ziel: Bis 2050 sollen die EU-Staaten klimaneutral sein, das heißt ihre Nettoemissionen bei Null liegen.
Schlüssel
Ein Schlüsselinstrument im Werkzeugkasten der neuen EU-Klimapolitik könnte die so genannte -Grenzausgleichsabgabe sein („Carbon border adjustment). „Um sicherzustellen, dass unsere Unternehmen zu gleichen Bedingungen miteinander konkurrieren können, werde ich eine -Grenzabgabe einführen, um die Verlagerung von -Emissionen zu vermeiden“, hat von der Leyen im Juli bei ihrer Rede im EU-Parlament in Straßburg versprochen. Schon zuvor hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die Forderung angestoßen.
Seither nimmt die Debatte an Fahrt auf. In der EU-Kommission werden bereits Pläne gewälzt, konkret ist allerdings noch nichts. Sicher aber wäre: Die Einnahmen aus der Co2-Grenzabgabe würden ins EU-Budget fließen – und könnten so den nahenden Ausfall des Nettozahlers Großbritannien ein wenig abfedern.
Auslagerung
Worum geht es? Vereinfacht gesagt soll es bei Importen in den EU-Raum einen Aufschlag geben, wenn sie aus Ländern mit geringeren Klimaschutzauflagen kommen. Diese Abgabe soll die Differenz zu den wesentlich höheren Produktionskosten in der EU ausgleichen, denn hier wird unter hohen Umweltschutzauflagen - und damit teurer - produziert. Bleibt so ein Ausgleich aus, wird befürchtet, dass angesichts der viel höheren Co2-Bepreisung in Europa die Co2-intensive Industrie ins Ausland verlagert wird („Carbon leakage“).
Besonders die Stahlindustrie kann einer möglichen Co2-Grenzabgabe einiges abgewinnen.
Die Wirtschaftskammer steht dagegen eher auf der Bremse. Sie würde es auf KURIER-Anfrage vorziehen, „das Problem an der Wurzel anzupacken, etwa durch einen weltweit abgestimmten -Preis im Rahmen des Pariser Klimavertrages“. Und auch der europäische Industrie-Verband BusinessEurope bleibt vorsichtig, wenn auch nicht ablehnend: Erst müsse die gesamte Maßnahme sehr sorgsam evaluiert werden.
Denn die größte Schwierigkeit ist die Frage: Wie kann eine -Grenzabgabe funktionieren, ohne protektionistisch zu sein? „Diese Gefahr kann man nie ganz beseitigen“, gibt der schwedische Ökonom Henrik Horn (Research Institute of Industrial Economics, Stockholm) zu bedenken. Seit vielen Jahren forscht er zum Thema Co2-Grenzabgabe. „Aber man kann die Risiken des Protektionismus minimieren. Wenn man die eigene, europäische Klimaschutzgesetzgebung sehr verstärkt und dann zusätzlich zu einem reformierten Emissionshandelssystem die Co2-Grenzschutzabgabe einführt, dann würde ich ja dazu sagen.“
Gegenmaßnahmen
Doch wo Protektionismus vermutet wird, dort drohen Gegenmaßnahmen. Entsprechend vorsichtig sind die meisten europäischen Wirtschaftsverbände und Politiker. Das deutsche Wirtschaftsministerium bremst massiv. Befürchtet werden schmerzhafte Strafaktionen etwa aus den USA, die den aktuellen Handelsstreit nochmals verschärfen würden.
Die wichtigste Frage rund um eine -Grenzabgabe lautet derzeit daher: Wäre solch eine Maßnahme mit den Regeln der WTO vereinbar? Ja – glaubt die Expertin für Klima- und Energiepolitik Susanne Dröge (Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin): „Solch eine Maßnahme wäre in jedem Fall umsetzbar“, glaubt sie. „Sie muss allerdings zielgerichtet geprüft werden und es muss klar sein, dass sie wirklich dem Klimaschutz dient.“
Und auch die nötige Technologie, um die Grenzabgaben zu kontrollieren, gebe es bereits, sagt die deutsche Volkswirtin. Zugleich aber gibt Dröge zu bedenken: "Diese Maßnahme eignet sich nicht für jedes beliebige Produkt." Es müssten Basissektoren sein wie Rohstahl oder Zement oder Aluminium.
Wenn die USA aussteigen
Europas Schwerindustrie (Stahl, Zement und Alumnium) ist derzeit für 16 Prozent der europäischen Treibhausgase verantwortlich. Global gesehen gehen 25 Prozent der Emissionen auf die Schwerindustrie zurück.
Wenn die USA im November kommenden Jahres tatsächlich aus dem Paris Klimaschutzabkommen aussteigen, "wird sich die EU generell überlegen müssen, wie sie darauf antwortet", sagt Klimaexpertin Dröge. "Eine Co2-Grenzabgabe allein wird jedenfalls nicht die große Antwort sein."
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