Deutschlehrer für Asylberechtigte dringend gesucht

Experten schätzen, dass mindestens 800 Trainer österreichweit fehlen, um die zusätzlichen Deutsch- und Integrationskurse abzuhalten. Das AMS will heuer 22.500 Asylberechtigte auf die Schulbank setzen.
80 Millionen Euro zusätzlich für Sprachkurse, aber zu wenig Trainer. Kritik an Auflagen.

Alle Verantwortlichen sind guten Willens. Flüchtlinge müssen so rasch wie möglich Deutsch lernen. Um in den Arbeitsmarkt integriert zu werden und einen Job zu bekommen.

Am Geld mangelt’s nicht. Das Arbeitsmarktservice (AMS) hat für heuer ein Zusatzbudget von 68 Millionen Euro, hauptsächlich für Deutschkurse. Der zum Außenministerium gehörende Österreichische Integrationsfonds (ÖIF) stellt erstmals Mittel für Sprachkurse zur Verfügung, in Summe 12 Millionen Euro.

Woran es allerdings mangelt, sind geeignete Trainer. Experten schätzen, dass österreichweit mindestens 800 zusätzliche Trainer notwendig sind, um die Deutschkurse abhalten zu können. Es ist schon schwierig genug, in kurzer Zeit so viele Fachkräfte zu finden. Erschwert wird die Suche durch Vorschriften und Bürokratie. Typisch Österreich, sind die Auflagen auch noch nach Bundesländern unterschiedlich.

"Da droht ein riesiger Pallawatsch. Jetzt schon gibt es ein wildes Hauen und Stechen um jeden Trainer. Gute Leute werden gesucht wie die Nadel im Heuhaufen", befürchtet der Manager eines großen Erwachsenenbildungsinstituts im Gespräch mit dem KURIER. Man habe hervorragende Trainer zur Hand, "aber wir können etliche von ihnen gar nicht beauftragen, da sie nicht allen Kriterien entsprechen oder nicht alle notwendigen Zertifikate haben", klagt der Verantwortliche eines weiteren Instituts. Er könne sich nicht vorstellen, dass tatsächlich alle der geplanten Kurse stattfinden können. Namentlich zitieren lassen will sich lieber niemand. Zu groß sind die Ängste, bei künftigen Ausschreibungen von Kursen hinauszufliegen.

Wie das System funktioniert

Die Landes-AMS und der Integrationsfonds halten die Kurse nicht selbst ab, sondern schreiben sie aus. Erwachsenenbildungsinstitute – das rote BFI, das schwarze WIFI und private Anbieter – rennen um die Projekte. Sie müssen die Trainer engagieren, die Räumlichkeiten zur Verfügung stellen und die Vorfinanzierung der Projekte aufstellen.

Gebraucht werden neben Lehrern für den Deutschunterricht auch zusätzliche Fachkräfte für Berufsorientierung und sozialpädagogische Betreuung. Eben um die Flüchtlinge auf die Eingliederung in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt vorzubereiten.

22.500 Kursplätze

Das AMS vergibt für 2016 insgesamt 22.500 Kursplätze, das sind um 50 Prozent mehr als im Vorjahr. Teilnehmen dürfen nur jene Flüchtlinge, die bereits die Asylberechtigung haben. Schwerpunkt ist natürlich die Bundeshauptstadt, wo sich die meisten Flüchtlinge aufhalten. Zwei Drittel der Kursmittel erhält das Wiener AMS.

Als Kriterien für die Trainer werden die fachliche Qualifikation, die pädagogische Ausbildung und die Erfahrung gewertet. Um in der Ausschreibung für Deutschkurse überhaupt Punkte zu bekommen, ist beispielsweise der Abschluss einer pädagogischen Hochschule im Fach Deutsch notwendig. Bessere Bewertungen gibt’s mit einem abgeschlossenen Universitätsstudium.

Trainer für die sozialpädagogische Betreuung der Flüchtlinge müssen in Wien per Zertifikat nachweisen, dass sie beispielsweise in Gruppendynamik, Moderationstechniken, Kommunikation und Konfliktmanagement ausgebildet sind. In die oberste der drei Bewertungskategorien gelangen nur Kräfte mit einem abgeschlossenen Studium. Oder Bewerber mit einer Coaching- bzw. Supervisionsausbildung und mindestens fünf Jahren nachgewiesener Praxis. Da kommen etliche junge Pädagogen von vornherein gar nicht infrage.

Oberösterreich

In Oberösterreich werden wiederum Zusatzausbildungen in interkultureller Kompetenz und Generationen-Kompetenz (für Schützlinge, die älter als 45 Jahre sind) verlangt. Wofür auch noch der europäische Computer-Führerschein notwendig sein soll, ist nicht klar. Das Gender- und Diversity-Zertifikat der Trainer darf nicht älter als fünf Jahre sein. Alle Unterlagen für die Kursteilnehmer müssen perfekt gegendert sein. Sonst keine Sorgen?

Der Integrationsfonds, der rund 40 Prozent seiner 12 Fördermillionen in Wien ausschüttet, verlangt überhaupt ein abgeschlossenes Deutsch-Studium oder einen Universitätslehrgang samt umfassender Praxis in der Erwachsenenbildung. Trainer, die aus der beruflichen Weiterbildung kommen, benötigen mindestens 3000 Stunden Unterrichtserfahrung.

Dazu muss man wissen, dass die wenigsten Lehrkräfte in der Erwachsenenbildung 38 Wochenstunden im Einsatz sind, sondern meist nur Teilzeitjobs bekommen. "Wir wollen gut qualifizierte, etablierte Trainer", begründet ein Sprecher des Fonds. Die Kurse beginnen frühestens im September, "bis dahin müsste das Recruiting der Fachkräfte möglich sein". Hoffentlich.

Bürokratie

Ähnlich wie die Lehrer im klassischen Schulbetrieb werden die Trainer auch noch mit dem Schreiben von Berichten eingedeckt. Über jeden Teilnehmer muss ein Endbericht verfasst werden, plus ein mit viel Statistik gespickter Kursabschlussbericht. "Dafür haben die Trainer doch gar keine Zeit. Dann heißt es, sie sollen das in den zehnminütigen Pausen nach jeder Unterrichtseinheit machen", beschwert sich ein Kurs-Veranstalter. Entweder würden die Trainer ihre Schüler mit Stillarbeit beschäftigen und die Berichte während der Unterrichtszeit verfassen – oder in ihrer Freizeit. Bei ohnehin nicht üppigen Gehältern.

Derzeit laufen gerade die Kollektivverhandlungen. Junge Trainer erhalten für einen Vollzeit-Job 2135 Euro brutto im Monat. Die meisten stehen aber nur 20 Stunden pro Woche in den Kursen. "Die Trainer fühlen sich oft wirklich alleingelassen. Man darf nicht vergessen, sie müssen Flüchtlinge betreuen, die oft zuerst überhaupt die Schrift lernen müssen. Viele sind von den schrecklichen Erlebnissen in ihrer Heimat oder auf der Flucht auch noch schwer traumatisiert", erzählt ein Vortragender.

Trainermangel offiziell "kein Thema"

Offiziell will niemand was von einen Trainermangel wissen. "Ist kein Thema bei uns. Wir haben viele Angebote auf die laufende Ausschreibung bekommen, es ist also gut möglich, die Kurse aufzustellen", sagt ein Sprecher des Wiener AMS. Chefin Petra Draxl habe einen regelmäßigen Jour Fix mit den Führungskräften der Institute und deren Personalvertretern, auch dort habe niemand aufgezeigt. Sollte es wirklich eng werden, werde man Menschen, die sich für den Trainerberuf interessieren, finanziell und organisatorisch unterstützen.

Stimmt schon, kontert ein Insider. Aber die Institute würden den Mangel nicht zugeben, sonst dürften sie sich gar nicht bewerben. Und die Auftraggeber auch nicht, sonst könnten sie nicht ausschreiben.

"Es krankt am System. Das AMS und der Integrationsfonds versuchen ihr Bestes und wollen sich nicht dem Vorwurf aussetzen, schlechte Trainer zuzulassen. Aber zu viele Auflagen und zu viel Bürokratie verstellen letztlich den Blick auf jene, die so dringend Hilfe brauchen", resümiert ein Experte.

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