Deutscher Stahlgigant in hausgemachter Krise

Eine Absperrung leuchtet am 11.12.2012 in Essen (Nordrhein-Westfalen) vor der Unternehmenszentrale des Stahlkonzerns ThyssenKrupp Rot. Der krisengeschüttelte Stahlkonzern hat im abgelaufenen Geschäftsjahr einen Verlust von fünf Milliarden Euro verbucht. Foto: Oliver Berg/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Vorstand und Aufsichtsrat von ThyssenKrupp stehen wegen Missmanagement in der Kritik

Krupp und Thyssen waren einst das Herz der deutschen Schwerindustrie schlechthin. 1999 fusioniert, ist es nun in einer neuen Krise: Der größte Stahlkonzern Deutschlands schrieb im abgeschlossenen Geschäftsjahr fünf Milliarden Euro Verlust. Das ist einer der größten Verluste in der deutschen Industriegeschichte. Und der zweite für ThyssenKrupp hintereinander: Schon im Jahr zuvor musste der 150.000-Mitarbeiter-Konzern 1,8 Milliarden Euro abschreiben.

Die Verluste entstanden weniger im Heimatmarkt als in Übersee: Zwei neue Stahlwerke in den USA und Brasilien entpuppten sich als riesige Fehlinvestitionen. Sie werden nun verkauft, wobei die Interessenten aber brutal die Preise drücken dürften.

Dazu kamen Probleme in Europa: Das Schienenkartell nicht nur für die Deutsche Bahn, an dem auch die Voest beteiligt war, kostet hohe Strafzahlungen. Dazu gab es Verstöße gegen die „Compliance“ (Redlichkeit) des Konzerns durch Bestechung in mehreren Ländern, etwa beim U-Boot-Verkauf. Dagegen waren First-Class-Safaris für willige Journalisten nur ein kleines Zeichen für eine verrottete Firmenkultur.

„Versagt und verzockt“

Der Vorstandsvorsitzende Heinrich Hiesinger machte daher am Wochenende reinen Tisch und entließ drei seiner Vorstandskollegen: Gegen gigantische Abfindungen, weil deren Verträge erst vor Kurzem um fünf Jahre verlängert worden waren.

Bei der Bilanz-Präsentation in Essen gab sich Hiesinger kleinlaut: „Unsere Unternehmenskultur hat versagt, es gibt nichts zu beschönigen.“ Der Konzern sei aber nicht gefährdet, er verfüge „über ausreichend Liquidität“. Er müsse aber heuer die Dividende ausfallen lassen. Hiesinger kündigte eine neue Sparwelle im Konzern an, zu der auch tausende Kündigungen gehören könnten. Der Betriebsratschef kritisierte Vorstand und Aufsichtsrat: „Die haben alles auf eine Karte gesetzt und sich verzockt.“

Denn der Aufsichtsrat trägt dafür so viel Verantwortung wie der Vorstand. Vor allem dessen Vorsitzender, Gerhard Cromme, 70, der auch als Aufsichtsratschef von Siemens die Probleme dort mitverantwortet: Er wird von Aktionären und Wirtschaftspresse mit haftbar gemacht, will davon aber nichts wissen und nicht zurücktreten.

Cromme, der stolz auf seinen Ruf als „härtester Manager Deutschlands“ war, will Nachfolger von Berthold Beitz werden. Der ist als Vorsitzender der Krupp-Stiftung Kernaktionär des Konzerns. Doch auch der Erbe der legendären Krupps will nicht abtreten: Er ist erst 99 Jahre alt.
Nur ein ThyssenKrupp-Aufseher will jetzt keine Tantiemen mehr: SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück.

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