Deutsche Wirtschaft auf der Kippe: Was das für Österreich bedeutet

Deutsche Zulieferer wie BASF stehen nach dem Dieselskandal unter Druck. Innovationen sind gefragt.
Das Land befindet sich knapp vor der Rezession. Die Probleme sind auch auf die Autoindustrie zurückzuführen. Österreich spürt die Folgen.

Europas Konjunkturlokomotive geht die Kraft aus. Nach Jahren mit guten Wachstumsraten fiel das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) von April bis Juni um 0,1 Prozent zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch nach vorläufigen Berechnungen mitteilte. Schrumpft die Wirtschaft im laufenden Sommerquartal erneut, handelt es sich um eine Rezession. Zwei Minus-Quartale in Folge gab es zuletzt um den Jahreswechsel 2012/13. Die Gefahr einer Rezession beziffert das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) derzeit mit 43 Prozent. „Deutschlands Konjunktur steht auf der Kippe“, sagte der wissenschaftliche Direktor des IMK, Sebastian Dullien. Und mit ihr könnten auch die Wachstumsraten in Österreich massiv leiden.

Laut Experten (siehe rechts) sind die Gründe naheliegend: Handelsstreitigkeiten, Brexit und die generell schwächer werdende Weltwirtschaft. Es gibt aber auch hausgemachte Gründe: allen voran die Autobranche, eine Leitindustrie des Landes. Die Folgen des Dieselskandals wie strengere Abgasvorschriften und hohe Investitionen in alternative Antriebe machen den Herstellern, aber auch Zulieferern zu schaffen.

Epizentrum einer Schwäche

„Wir und andere Experten dachten, dass sich die Lage im Laufe dieses Jahres wieder normalisiert“, sagt Wifo-Konjunkturexperte Stefan Schima im KURIER-Gespräch. „Es dürfte aber so sein, dass sich die Probleme länger hinziehen.“ Das liege auch an den noch hohen Lagerbeständen. Die Autobranche sei „das Epizentrum einer Schwäche“ vor allem in der Industrie.

Zweites, hausgemachtes Problem: Deutschlands Innovationskraft schwächelt, nicht zuletzt mangels staatlicher Investitionen in die Infrastruktur. „Es gibt einen starken Nachholbedarf, Maßnahmen wären mehr denn je geboten“, rät Schima. Eine Verschrottungsprämie wie noch in der Krise 2009 wäre allerdings heutzutage in Zeiten der Digitalisierung der falsche Ansatz.

Merkel bremst

Allein, Kanzlerin Angela Merkel will davon (noch) nichts wissen: „Ich sehe derzeit keine Notwendigkeit für ein Konjunkturpaket.“ Investitionen des Staates seien nicht das Problem, vielmehr machten lange Planungszeiten und der Fachkräftemangel der Wirtschaft zu schaffen. Der Konsum trage die Konjunktur weiterhin einigermaßen. Handelskonflikte träfen Deutschland als Exportnation. Außerdem seien in der Kernindustrie Automobil „viele Fehler“ passiert. Merkel warnte davor, die wirtschaftliche Lage schlecht zu reden. „Wir werden situationsgerecht agieren.“

Ansteckungsgefahr

Österreich als Nachbar ist naturgemäß besonders gefährdet, bald in den Sog nach unten mitgerissen zu werden. Geht doch ein Siebtel aller Warenausfuhren nach Deutschland. „Alarmstimmung ist nicht angebracht, aber man muss die Situation beobachten“, sagt Schima. Auch hier zu Lande gehe die Industrieproduktion bereits zurück, wenn auch nicht so stark. Noch sei die Auslastung sehr gut, auch dank anderer Märkte wie Osteuropa.

Durch die Exporte nach Osteuropa sei Österreichs Außenhandel breit genug aufgestellt, um die deutsche Industrieschwäche zu kompensieren, sagt Raiffeisen-Chefanalyst Peter Brezinschek. Allerdings: „Österreich ist auch später in den Aufschwung gestartet. Bis 2015 war Österreich gegenüber Deutschland im Nachteil.“

Laut Schima dürfte das heurige Jahr dank des privaten Konsums und der Dienstleitungen „gerettet sein“. Für die Lohnverhandlungen erwartet er aber ein härteres Feilschen. „Die Vorzeichen stehen für die Industrie nicht so gut wie noch im Vorjahr.“

Italien

Schwieriger dürfte es 2020 werden. Das liegt dann laut dem Experten auch an Italien, nach Deutschland und USA Österreichs drittwichtigstes Exportland. „Italien geht es schon länger nicht gut, ausgenommen die Industrie in Norditalien. Mit dieser ist Österreichs stark vernetzt. Es ist aber zu befürchten, dass diese auch in Mitleidenschaft gezogen werden könnte.“

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