Deutsche Ökonomen senken Ausblick deutlich, Rezession bei Gas-Lieferstopp

Female industrial worker working with manufacturing equipment in a factory
Der Ukraine-Krieg versetzt der deutschen Wirtschaft einen schweren Dämpfer. Die Inflation bleibt enorm hoch

Die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute warnen vor einer schweren Rezession und der höchsten Inflation seit Bestehen der Bundesrepublik im Falle eines Stopps russischer Gaslieferungen.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte heuer bei normaler Versorgung um 2,7 Prozent zulegen, heißt es in der heute veröffentlichten Frühjahrsprognose. Im Herbstgutachten waren noch 4,8 Prozent veranschlagt worden. Die Inflation wird mit 6,1 Prozent so hoch erwartet wie seit 40 Jahren nicht.

"Die Erholung von der Coronakrise wird infolge des Kriegs in der Ukraine gedämpft, behält aber die Oberhand", sagte der Vizepräsident und Konjunkturchef des Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW), Stefan Kooths. "Für 2023 wurde die Vorhersage dagegen von 1,9 auf 3,1 Prozent angehoben.

220 Milliarden Euro in Gefahr

Bei einem sofortigen Stopp russischer Gaslieferungen sieht das Konjunkturbild allerdings sehr viel düsterer aus. Dann dürfte die Wirtschaft heuer nur um 1,9 Prozent zulegen und 2023 sogar um 2,2 Prozent schrumpfen. "Bei einem Stopp der Gaslieferungen droht der deutschen Wirtschaft eine scharfe Rezession", warnte Kooths. In beiden Jahren stünden insgesamt 220 Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung im Feuer.

"Wirtschaftspolitisch käme es dann darauf an, marktfähige Produktionsstrukturen zu stützen, ohne den Strukturwandel aufzuhalten", sagte Kooths. Hilfen für private Haushalte zum Abfedern hoher Energiepreise sollte die Politik sehr zielgerichtet dosieren. "Werden solche Hilfen auf breiter Front ausgereicht, treibt das zusätzlich die Inflation und torpediert den wichtigen Lenkungseffekt höherer Energiepreise", warnte der Ökonom. Das verschärfe wiederum die Probleme einkommensschwacher Haushalte.

Hohe Inflation bleibt

Für die Verbraucher haben die Ökonomen vorerst keine guten Nachrichten parat. Demnach werden die Preise in diesem Jahr mit durchschnittlich 6,1 Prozent so stark anziehen wie seit 40 Jahren nicht mehr. "Im Falle eines Lieferstopps für russische Energie würden sogar 7,3 Prozent erreicht, der höchste Wert seit Bestehen der Bundesrepublik", so die Prognose. Auch im kommenden Jahr dürfte die Rate mit 2,8 Prozent - oder 5,0 Prozent im Falle eines Lieferstopps - deutlich über dem Durchschnitt seit der Wiedervereinigung liegen.

Die Zahl der Arbeitslosen soll heuer um rund 300.000 auf knapp 2,3 Millionen sinken und 2023 auf diesem Niveau verharren. Kommt es zum Gaslieferstopp, wird jedoch mit einem Anstieg der Arbeitslosenzahl auf fast 2,8 Millionen im nächsten Jahr gerechnet.

Die sogenannte Gemeinschaftsdiagnose der Institute dient der deutschen Regierung als Basis für ihre eigenen Projektionen, die wiederum die Grundlage für die Steuerschätzung bilden. Erarbeitet wurde das Gutachten mit dem Titel "Von der Pandemie zur Energiekrise - Wirtschaft und Politik im Dauerstressfeder" führend vom RWI in Essen, vom DIW in Berlin, vom Ifo-Institut in München, vom IfW in Kiel und vom IWH in Halle.

Kommentare