Deutsche arbeiten viel länger als die Österreicher
Mit 60 plus ist noch lange nicht Schluss. Deutschland macht es vor. Erstmals seit vier Jahrzehnten gibt es unter den 60- bis 64-Jährigen wieder mehr Erwerbstätige als Pensionisten. Im Vorjahr arbeiteten in dieser Altersgruppe schon 42 Prozent, 40 Prozent bezogen eine Pension, die restlichen 18 Prozent führten den Haushalt. Laut Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) setze die Trendwende zu mehr Altersbeschäftigung in den letzten zwölf Jahren ein.
Was macht Deutschland anders? Was kann Österreich davon lernen? „Deutschland zeigt vor, dass man mit 60 noch nicht kaputt, sondern durchaus arbeitsfähig ist“, meint Wolfgang Mazal vom Institut für Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Wien. Um den Arbeitsmarkt 60 plus anzukurbeln, muss an folgenden Schrauben gedreht werden.
Arbeitsbedingungen Betriebliche Gesundheitsförderung ist in Deutschland ausgeprägter als in Österreich, Firmen werden mehr in die Pflicht genommen. Altersteilzeit ist ab 55 Jahren möglich und wegen attraktiver Förderungen beliebt. Die Lebenseinkommenskurve flacht im Alter deutlich ab, in Österreich steigt sie an. „Die Sozialpartner sind hier dringend aufgerufen, das Lohnsystem zu ändern“, warnt Mazal.
Jobchancen Für Betriebe, die ältere Arbeitslose einstellen, gibt es in Deutschland Zuschüsse. Trotzdem fällt der Wiedereinstieg schwer, die Arbeitslosigkeit 60 plus ist eine der höchsten in Europa, die Altersarmut steigt. Auch in Österreich sind trotz Beihilfen die Jobchancen gering. Laut AK-Analyse beschäftigen von 290.000 Betrieben gerade einmal 90.000 auch Arbeitnehmer über 55 Jahre.
Die Deutschen gehen immer später in die Rente. Viele wollen es, alle müssen es. Die Frühpensionierung wurde abgeschafft, das Rentenalter auf 67 hinaufgesetzt, die Betriebe bei der Schaffung von altersgerechten Arbeitsplätzen stärker in die Pflicht genommen. Motto: Mit 60 plus ist noch lange nicht Schluss, Arbeit – egal welche – geht vor Pensionierung. Ein Bündel an Arbeitsmarkt-Maßnahmen führte dazu, dass unter den 60- bis 64-Jährigen schon mehr Erwerbstätige als Rentner sind.
Und Österreich? Während sich die Politik in die Frage des richtigen Zeitpunktes für die Anhebung des Frauenpensionsalters verbeißt, gibt es weit fundamentalere Dinge anzupacken. Etwa die extreme Lohnungleichheit zwischen Jung und Alt, die nirgends in Europa so ausgeprägt ist wie in Österreich. In Skandinavien und Deutschland gleichen die Lebenseinkommenskurven eher Maulwurfshügeln.
Die OECD kritisiert seit Jahren die altersbedingten Vorrückungen selbst noch kurz vor der Pension, die noch aus einer Zeit der Vollbeschäftigung und Arbeitskräfteknappheit stammen. Trotz zunehmend bedrohlicher Alterspyramide verharren die Sozialpartner seit Jahren in Schockstarre. Bis auf wenige, eher kosmetische Korrekturen in einigen Kollektivverträgen ist bisher nichts geschehen.
Die Folgen sind fatal: Ältere Arbeitnehmer werden von Betrieben aus Kostengründen abgebaut und ältere Arbeitslose haben kaum noch Chancen auf eine Rückkehr in den Arbeitsmarkt. Wird das gesetzliche Pensionsalter ohne Begleitmaßnahmen für den Arbeitsmarkt angehoben, führt dies nicht zu mehr Beschäftigten, sondern nur zu mehr Arbeitslosen.
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