Details aus Einvernahmen zeigen Sittenbild des Casinos-Konzerns
Ein umfangreiches Strafverfahren und ein U-Ausschuss sollen klären, ob es einen „Deal“ zwischen dem Novomatic-Konzern und der FPÖ über die Bestellung des blauen Managers Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria (Casag) gab. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt nach einer anonymen Anzeige gegen elf Beschuldigte – Spitzenmanager und ehemalige Politiker. Neben Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus auch gegen die ehemaligen ÖVP-Finanzminister Josef Pröll und Hartwig Löger.
Casinos-Aufsichtsratspräsident und Raiffeisen-Generalanwalt Walter Rothensteiner wurde als Beschuldigter bereits im August einvernommen. In den vergangenen Wochen befragten die Leitenden Staatsanwälte Christina Jilek und Gregor Adamovic sieben Zeugen.
Dem KURIER liegen die Einvernahme-Protokolle vor.
Daraus ergibt sich kein Beweis für einen strafrechtlich relevanten „Deal“ über Konzessionen. Konkret darauf angesprochen, erklärten alle Befragten, dazu „keine Wahrnehmung“ zu haben. Wenn nicht noch Beweise oder klare Aussagen auftauchen, ist die Suppe bis dato strafrechtlich dünn.
Klima des Misstrauens
Die Aussagen zeichnen allerdings ein Klima tiefen Misstrauens im Unternehmen sowie ein Sittenbild eines teilstaatlichen Konzerns, der immer ein Spielball der Parteipolitik war und ist. Und wie die Politik mit der Brechstange versuchte, einen FPÖ-nahen Manager in den Vorstand zu hieven. Sidlo wurde inzwischen abberufen. Er hat 2,3 Millionen Euro eingeklagt.
Eine PR-Agentur, die auch heikle Jobs erledigt. Deren Chef sagte am 27. November 2019 aus, die tschechische Sazka, größter Aktionär der Casag, habe ihn beauftragt, einen umfassenden Lebenslauf über Sidlo zu recherchieren. Sazka war von Beginn an gegen Sidlos Bestellung.
Da der Vorstand nicht funktionierte, wurde im Frühjahr 2019 ein neues Team eingesetzt. Die Staatsholding ÖBAG favorisierte die jetzige Chefin, langjährige Finanz-Vorständin und Ex-ÖVP-Vizevorsitzende Bettina Glatz-Kremsner. Sazka nominierte den ehemaligen Erste-Banker Martin Skopek und Novomatic brachte Sidlo in Spiel.Rothensteiner ließ alle Bewerber vom Personalberater Egon Zehnder screenen.
Zehnder-Chef Raimund Steiner erklärte, dass Sidlo mangels Konzernerfahrung nicht auf die Longlist gekommen wäre (siehe Faksimile unten). Man habe nach einem Alternativkandidaten gefragt. Einen solchen präsentierte Novomatic-Chef Harald Neumann (ebenfalls Beschuldigter), zog ihn aber wieder zurück. Im Endbericht wird die Einschätzung über Sidlo jedoch relativiert. Es sei nicht interveniert worden, beteuerte Steiner gegenüber den Staatsanwälten.
"Das ist halt Österreich"
Der mit mehr als vier Millionen vorzeitig verabschiedete Casinos-Vorstand und Ex-SPÖ-Politiker Dietmar Hoscher erinnerte sich bei seiner Einvernahme an diverse Treffen mit Strache. Diesen hätten primär Pokerlizenzen interessiert. Die vorzeitige Auflösung seines Vertrages sei ihm mit der Begründung mitgeteilt worden, „das ist halt Österreich“. Hoscher sagt, Aufsichtsräte hätten ihm vorher eine Vertragsverlängerung versprochen.
Einer der wichtigsten Zeugen bisher war Robert Chvatal, Sazka-Chef und Vize-Präsident des Casino-Aufsichtsrates. Er war überrascht, sagte er aus, über die Verflechtung des Unternehmens mit der Politik (siehe Faksimile).
Sidlo als "kalte Dusche"
Auch für Chvatal war eine vorzeitige Neubesetzung des Vorstandes im Interesse des Unternehmens, „weil der Vorstand nicht wirklich funktionierte. Dr. Labak stand im Konflikt mit dem Betriebsrat, Mag. Hoscher war fast unsichtbar und ,old school’ und nützte diese Situation, um in einem noch engeren Tätigkeitsfeld noch weniger sichtbar zu sein und nur Glatz-Kremsner war eigentlich von allen unbestritten“. Sazka habe den Wunsch der Republik respektiert, die Managerin „als die nach außen sichtbare Vertreterin der Casag zu bestellen“.
Sidlo sei als „cold shower“ auf die Bühne gekommen. Novomatic-Chef Neumann habe ihm erklärt, dass Sidlo der FPÖ nahestehe und seine Nominierung die beste Lösung für das Unternehmen sei, weil dieses „immer auch politisch sein werde“. Damals sei offensichtlich geworden, erklärte Chvatal eine Woche vor Weihnachten, „dass die Politik zurück im Unternehmen CASAG war“. Die Regierung war türkis-blau.
Sein Wunsch, der Zehnder-Bericht möge dem gesamten Aufsichtsrat vorgelegt werden und nicht nur dem Präsidium, sei niedergestimmt worden. Der Sazka-Chef berichtet über lange Diskussionen, am Schluss sei ihm klar gewesen, dass er ohnehin überstimmt würde. Daraufhin habe er sich bei Sidlo der Stimme enthalten, obwohl er nach einem Interview mit Sidlo nicht überzeugt gewesen sei. Alle anderen Aktionäre plus Betriebsrat stimmten dagegen für Sidlo.
"Nicht Über-Fan von Sidlo"
Rothensteiner hatte im August 2019 ausgesagt, auch er sei „nicht der Über-Fan des Sidlo, wir haben allerdings vereinbart, dass jeder Gesellschafter einen Vertreter vorschlägt und daran haben wir uns gehalten“. Sidlo verfüge jedoch über „entsprechend gute Qualifikationen“. Er habe ihm den Job im Vorfeld zugetraut und gesehen, dass er seinen Job gut mache. Sidlo verfüge auch zusätzlich „über die Fit and Proper Bestätigung der FMA. Auch ist er Generalrat in der OeNB, dort wird man nicht ohne Ahnung bestellt“.
Nach der Abberufung von Sidlo schreibt Rothensteiner Anfang Dezember einen Brief an die Staatsanwaltschaft. Sein anfängliches Widerstreben gegen Sidlos Bestellung habe ausschließlich persönliche Gründe aus Begegnungen im Generalrat der Nationalbank gehabt. Auf Grund der Art und Weise, wie Sidlo mit ihm gesprochen habe, habe er kurzfristig sogar erwogen, „meine Funktion als Vorsitzender des Aufsichtsrates zurückzulegen, für den Fall, dass Mag. Sidlo zum Vorstand bestellt wird“.
Das habe nichts mit den gesetzlichen Qualifikationen zu tun, die Sidlo ohne Zweifel erfülle. Nach dessen Bestellung hätten sich die Bedenken schließlich als unbegründet herausgestellt. Damit erklärt Rothensteiner offenbar eine publik gewordene Gesprächsnotiz nach einem Telefonat mit Löger.
Ex-Casag-Chef mutmaßt über türkis-blauen Deal
Der mit mehr als 2 Millionen Euro verabschiedete Ex-Casag-Chef Alexander Labak erzählte bei seiner Einvernahme seine eigene Version eines „Deals“ (siehe unten): Sidlo in die Casag, dafür der ÖVP-Mann Thomas Schmid als Alleinvorstand an die Spitze der Staatsholding.
Labak erinnerte sich an ein Treffen mit Strache, der sich beklagt habe, dass Novomatic vom Glücksspielmarkt ausgeschlossen werde. SPÖ und ÖVP würden von der Casag gut bedient, die FPÖ nicht.
Auf Nachfrage sagte Labak, man habe keine Parteispenden feststellen können. Aber: „Es gab immer wieder Sponsoring zu Gunsten von Veranstaltungen oder Vereinen die allgemein bekannt der SPÖ und ÖVP nahestanden“. Es sei versucht worden, das Sponsoring zu objektivieren.
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