Der Wettkampf der Standorte

Der Wettkampf der Standorte
Die Amerikaner sind den Europäern in etlichen Bereichen überlegen.

Aus dem Linzer Stadtbild ist die voestalpine nicht wegzudenken. Aus dem Umfeld des 300.000-Einwohner-Ortes Corpus Christi bald auch nicht mehr. Dort entsteht ein riesiges Voest-Werk (mehr dazu). Der heimische Stahlriese könnte auch noch weitere Kapazitäten aus Linz abziehen. "Das ist keine Drohung, sondern einfach eine Anwendung der Grundrechenarten im globalen Wirtschaftsgeschehen", sagte Voest-Chef Wolfgang Eder kürzlich dazu.

Die Grundrechenarten, die den Wettbewerb der Wirtschaftsräume bestimmen, sind simpel: In den USA kostet Gas nicht einmal halb so viel wie in Europa. In der EU sind die Personalkosten um 30 Prozent höher, Grundstücke kosten ein Vielfaches als jenseits des Atlantiks.

Diese Rechnung sei allerdings zu kurz gedacht, meinen die Experten der Privatbank Gutmann. Der Energiepreis sei wichtig, vor allem für Energie-intensive Betriebe wie die Voest. "Letztlich entfallen aber nur vier bis zehn Prozent der operativen Kosten in den USA auf Energie, in Europa vermutlich noch weniger", sagt Gutmann-Investment-Manager Nikolaus Görg. Energiepreise würden bei vielen nur marginal auf die Wettbewerbsfähigkeit wirken. "Es muss also etwas anderes sein, was Erfolg ausmacht." Görg und Gutmann-Fondsmanager Christoph Olbrich haben einige Beispiele dafür, warum die USA in etlichen Bereichen die Nase vorne haben:

Regulierung

Von Land zu Land unterschiedliche Auflagen, unterschiedliches Unternehmensrecht – unter dem stöhne vor allem der Dienstleistungssektor in Europa. Die USA ersparen sich diese Kleinteiligkeit nahezu. "Die Fragmentierung bürdet Kosten auf. Ein großer Heimplayer zu werden ist in der EU viel schwieriger als in den USA", sagt Görg.

Eigenkapital

In Europa ist es Unternehmen fast unmöglich, an Risikokapital (Private Equity) zu kommen. Und wenn doch, "heißt es wieder, die Heuschrecken kommen", meinen die Gutmann-Manager. In den USA sei das Angebot an Eigenkapital viel, viel breiter. Das wäre auch in Europa, wo die Banken auf der Kreditbremse stehen, bitter nötig. "Das fehlende Angebot ist ein viel größerer Wettbewerbsnachteil als die Energie", sagt Görg.

Innovation

Wettbewerbsfähigkeit sei auch eine Frage der Innovationskraft. Dafür wiederum sei Risikokapital nötig – womit sich die europäische Katze in den Schwanz beißt.

Es gibt aber nicht nur Negatives: "Wir haben großes Jammerpotenzial, aber wir sind toll", so die Gutmann-Experten. Großer Vorteil: der soziale Friede. Und die große Chance durch die Nähe zu Afrika, das im Jahr 2050 mehr erwerbsfähige Mnschen als China aufweisen wird. "Europa muss sich dort schnell positionieren. Das verschlafen wir derzeit", so die Analyse.

USA

314 Millionen Einwohner. Die Arbeitslosenrate sank zuletzt auf 6,3 Prozent – das war das niedrigste Niveau seit Herbst 2008. Das Wirtschaftswachstum wird heuer 2,6 Prozent ausmachen. Exportvolumen 2013: 1145 Mrd. Euro.

EU

507 Millionen Einwohner. Die Arbeitslosenrate gibt leicht nach, wird heuer aber trotzdem 10,5 Prozent ausmachen. Die Wirtschaftsleistung wird heuer laut Prognose um 1,5 Prozent steigen. Exportvolumen 2013: 1733 Mrd. Euro.

Durch Pleiten und Betriebsschließungen gehen in Österreich deutlich mehr Jobs verloren als durch die Abwanderung von Firmen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Wirtschaftsforschungsunternehmens EcoAustria im Auftrag von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, das die Restrukturierung von 3000 Unternehmen mit knapp 1,3 Millionen Mitarbeitern in 27 europäischen Staaten untersucht hat.

In Zahlen: In den vergangenen elf Jahren kostete die Verlagerung von Unternehmen 6870 Arbeitsplätze, durch Insolvenzen wurden im selben Zeitraum einschließlich der Großpleiten Alpine und dayli mit 14.300 mehr als doppelt so viele Jobs vernichtet. Das Klischee, dass durch Abwanderung besonders viele Arbeitsplätze verloren gingen, stimme daher nicht, so Mitterlehner bei der Präsentation der Studie am Mittwoch. Außerdem seien im Gegenzug zu den Verlagerungen seit 2002 durch mehr als 1900 Betriebsansiedelungen Unternehmen rund 20.500 Arbeitsplätze geschaffen worden. Weitere Abwanderungen hofft der Wirtschaftsminister mit einer neuen Standort-Strategie möglichst zu verhindern. Dabei sollen durch schrittweise Verbesserung der Rahmenbedingungen Leitbetriebe im Land gehalten werden, die Wachstum und Beschäftigung bei ihren zahlreichen Zulieferfirmen sichern.

Schwerpunkt Osten

Innerhalb Europas liegt Österreich mit seiner Abwanderungsquote im Mittelfeld, 0,7 Prozent aller Beschäftigten waren in den vergangenen elf Jahren davon betroffen. Das ist zwar schlechter als Deutschland (0,4 Prozent) und Italien (0,2 Prozent), aber deutlich besser „Spitzenreiter“ Irland , wo 1,8 Prozent aller Beschäftigten „Opfer“ von Verlagerungen wurden.

Weitgehend gleich sind dagegen die Regionen, in die Unternehmen ausgelagert wurden. EcoAustria-Chef Ulrich Schuh: „Die meisten Unternehmen wurden innerhalb der EU verlagert, erst an zweiter Stelle kommt Asien mit den Schwerpunkten China und Indien.“ Innerhalb Europas gibt es ein Ost-West-Gefälle, die meisten Firmen wanderten aus den westlichen EU-Staaten nach Osteuropa, vor allem nach Polen.

Die heimische Wirtschaft freilich sieht die Lage nicht so positiv wie der Minister. Zwar hätte sich bisher, gesteht Karl Nigl vom Autozuliefer-Riesen Magna zu, die Abwanderung in Grenzen gehalten. Aber: „Wenn wir in die Zukunft schauen, müssen wir feststellen, dass die Investitionen nicht mehr in Österreich, sondern verstärkt in anderen Regionen stattfinden.“ Zum einen wegen der hohen Lohn- und Lohnzusatzkosten, andererseits wegen der geringen Flexibilität bei der Arbeitszeit. Eine große Hürde sei auch die hohe Steuerquote für die Beschäftigten.

Angesichts der Krise in der Ukraine und des Gaskonflikts mit Russland steht die Unabhängigkeit in Energiefragen derzeit ganz oben auf der europäischen Agenda. Die EU-Kommission hat am Mittwoch eine „Strategie zur Sicherheit der Energieversorgung“ vorgelegt; die Mitgliedsstaaten, die den Auftrag dazu gegeben hatten, wollen beim Juni-Gipfel der Staats- und Regierungschefs darüber beraten.

Die Strategie der Brüsseler Behörde sieht unter anderem Stresstests in den 28 EU-Staaten vor, mit denen geklärt werden soll, ob die Energieversorgung bei einem Gas-Lieferstopp im nächsten Winter gesichert wäre. Diese Tests sind vor allem für die osteuropäischen Länder wichtig, die – wie etwa Litauen – bis zu hundert Prozent von russischem Gas abhängen. „Wir müssen vermeiden, dass wir politisch und wirtschaftlich erpressbar werden“, sagte EU-Energiekommissar Günther Oettinger. Eine direkte Gefahr sieht er derzeit nicht: „Wir stehen heute deutlich besser da als bei den Gaskrisen 2006 und 2009.“

Die Kommission schlägt auch vor, die Energiespeicher in Europa vorsorglich höher zu befüllen. Eine Analyse der Kommission hat ergeben, dass derzeit durchschnittlich nur 56 der Gasspeicherkapazitäten genutzt werden. Die Staaten sollten zudem nationale Notfallpläne erstellen.

Derzeit importiert die EU nach Angaben der Kommission mehr als die Hälfte der Energie, die sie verbraucht. Aus Russland wird aktuell bei Rohöl und Erdgas je ein Drittel des Bedarfs gedeckt. Vorerst auf Eis legen will Oettinger das umstrittene Gaspipeline-Projekt South Stream, an dem auch Österreich beteiligt ist. Das Projekt müsse erst EU-rechtskonform werden.

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