Der unterschlagene Autopionier

Josef Ganz im Silberfisch Prototyp mit Aluminium Karosserie
Der deutsche Ingenieur und Journalist baute in den 1920er-Jahren den ersten "Volkswagen".

Schon im Jahr 1926 definierte der damals 28-jährige Josef Ganz als Chefredakteur der deutschen Autozeitschrift Motor-Kritik den "Volkswagen", der seiner Meinung nach folgende Eigenschaften haben sollte: "Aerodynamisches Chassis mit tiefem Schwerpunkt, Heckmotor, Einzelradaufhängungen mit Schwingachsen und einen Preis, der 1000 Reichsmark nicht übersteigt." Er beließ es aber nicht nur bei theoretischen Überlegungen, sondern begann damit, ein solches Fahrzeug zu konstruieren. So entstand 1929 der Prototyp "Maikäfer" – das erste Fahrzeug, das diesen Kriterien für einen Wagen für die breite Masse, einen Volkswagen eben, entsprach.

Damit inspirierte Ganz die arrivierte Autoindustrie in Deutschland und forderte sie gleichzeitig heraus. Auch andere Konstrukteure arbeiteten an der Entwicklung radikal neuer Volkswagen-Prototypen, darunter der NSU Typ 32 von Ferdinand Porsche.

Der unterschlagene Autopionier
Foto 4, Josef Ganz beim konstruieren des Aufhängungssystems des Ardie-Ganz Prototypen, 1930
1932 fand der Einzelgänger Ganz einen Hersteller für seine Konstruktionen, so dass 1933 der "Standard-Superior" als "neuer Volkswagen" vorgestellt werden konnte. Bei der Automobil- und Motorradausstellung in Berlin im Frühjahr 1933 präsentierte Ganz persönlich dem neuen Reichskanzler Adolf Hitler seinen Volkswagen. Und das wurde ihm zum Verhängnis.

Denn kurze Zeit danach wurde Ganz von der Gestapo verhaftet. Er war, ohne sich je damit auseinandergesetzt zu haben, in der Definition der Nationalsozialsten ein "Volljude". Wie viele andere hatte er bis dahin überhaupt keinen direkten Bezug zum Judentum gehabt. Sein Büro in Frankfurt/Main wurde durchsucht und viele seiner Dokumente, Pläne und Unterlagen wurden beschlagnahmt. Als Ganz nach einem Monat aus dem Gefängnis entlassen wurde, verlor er seine Position als Chefredakteur. Er versuchte noch weiter an seinen Konstruktionen zu arbeiten und schrieb einige Artikel als freier Journalist.

Berufsverbot

Aber im März 1934 wurde über ihn ein Berufsverbot verhängt und dann sogar ein Mordanschlag auf ihn verübt. Da erkannte Ganz, dass er aus Deutschland flüchten musste. Mit wenigen privaten Dingen im Gepäck gelangte er nach Liechtenstein und ging von dort später in die Schweiz. Da er sich einen guten Namen als Konstrukteur gemacht hatte, bekam er bald beim Fahrzeugunternehmen Rapid in Dietikon eine Anstellung und entwickelte dort einen "Schweizer Volkswagen". Einer dieser Kleinwagen steht heute noch im "Verkehrshaus" in Luzern.

Nach dem Zweiten Weltkrieg bekam der Einzelgänger jedoch zunehmend Probleme mit den Schweizer Be-hörden. Er führte Prozesse, wurde als notorischer Querulant qualifiziert und schließlich aus der Schweiz ausgewiesen. 1951 wanderte er nach Australien aus und bekam einen Job beim Autohersteller Holden in Melbourne. In den frühen 1960er-Jahren erlitt Ganz eine Reihe von Herzinfarkten, er starb 1967.

Seine Leistungen als Konstrukteur des ersten "Volkswagens" wurden von den Nationalsozialisten einfach gelöscht. Vor etwa zehn Jahren wurde der niederländische Journalist Paul Schilperood auf das Leben von Ganz aufmerksam und recherchierte sein Werk. Im Zuge der Nachforschungen lernte er in der Schweiz Lorenz Schmid, einen Nachkommen eines Onkels von Ganz kennen. Die beiden haben jetzt das letzte noch vorhandene Fahrgestell eines "Standard Superior" gefunden und wollen es in einer Crowdfunding-Kampagne (www.josefganz.org) originalgetreu restaurieren und sogar fahrbereit machen. Damit soll auch erreicht werden, dass Josef Ganz den ihm zustehenden Platz in der Automobilgeschichte bekommt.

Dieser Artikel ist auch in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift NU erschienen.

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