Der Schmäh mit dem Ökostrom

Viele Funkmasten und dicker weißer Rauch, der aus einem Kohle-Kraftwerk aufsteigt
Konsumentenschützer kritisieren die Grünstrom-Zertifikate als Irreführung der Kunden.

Österreichs Strommarkt ist fast durch und durch "grün": 87 Prozent der hier zu Lande an Privatkunden verkauften elektrischen Energie ist entweder aus Wasserkraft, Wind, Sonne oder Biomasse. Doch ist auch wirklich Ökostrom drinnen, wenn Ökostrom draufsteht?

"Nein", sagt Jürgen Mühlenhoff vom Europäischen Dachverband der Konsumentenschützer. Er sieht im Grünstrommarkt "eine massive Irreführung der Konsumenten", wie er bei einer Tagung des Umweltministeriums in Wien zum Thema "Was ist Ökostrom?" betonte. Denn in der Praxis können die Kunden nicht erkennen, wie "grün" die von ihnen genutzte Energie tatsächlich ist.

In Österreich wird – je nach Wasserführung der Flüsse – zwischen 65 und 70 Prozent Strom umweltfreundlich erzeugt, verkauft wird aber 87 Prozent als "öko". Wie das geht? Ganz einfach: Die Stromanbieter kaufen die elektrische Energie an der Strombörse. Dort hat Strom "kein Mascherl", seine Herkunft ist unbekannt. Weil aber die Verbraucher gerne Ökostrom kaufen, versehen die Lieferanten den Strom unbekannter Herkunft mit einem Pickerl: Ein sogenanntes Grünstromzertifikat zeichnet die Energie für den Endkunden als Ökostrom aus. Mühlenhoff nennt das "grün waschen" und Verbrauchertäuschung.

Norwegen verkauft Öko-Pickerl

Legal ist das Grün-Etikettieren allerdings. Denn Strom und Grünstromzertifikate werden getrennt gehandelt. Österreichs Lieferanten kaufen zum Beispiel gerne Wasserkraft-Zertifikate aus Norwegen. Diese Pickerl kosten im Vergleich zum Strom fast nichts. Kein Wunder daher, dass Privatkunden im Tarifkalkulator der E-Control, der die Angebot aller Stromlieferanten in Österreich vergleicht, nur 100 Prozent Ökostrom-Angebote finden.

Unter den fast 80 Anbietern in Österreich sind nur zwei, die tatsächlich selbst produzierten Ökostrom verkaufen. Einer davon ist die steirische MeinAlpenstrom. Ihre zwei Kleinwasserkraftwerke produzieren grüne Energie für rund 20.000 Haushalte. 4000 Kleinkunden beliefert der Versorger derzeit direkt, den Rest des Stroms muss er über die Börse verkaufen. Geschäftsführer Philipp Rehulka prangert das breite Ökostromangebot im österreichischen Strommarkt an. Der Kunde bezahle Ökostrom, sein Lieferant aber kaufe an der Börse irgendeinen Mix aus Atom-, Kohle- und ein bisserl Grünstrom. Und im Wasserkraftland Norwegen, das fast alle Wasserkraft-Pickerl ins Ausland verkauft, landet – zumindest rechnerisch – dann Braunkohlestrom bei den Kunden. Die aber glauben, sie kaufen Wasserkraftstrom.

Mühlenhoff hat zwei Vorschläge zur Systemverbesserung: Entweder die Stromlieferanten werden gezwungen, öffentlich zu zeigen, in welche Ökostromanlagen sie das Geld der Kunden investieren. Dieses System hat Großbritannien eingeführt. Oder es wird ein Ranking der Lieferanten nach ihren Grünstrominvestitionen aufgestellt. So machen es etwa die Niederlande.

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) weist darauf hin, dass es in Österreich ein Umweltgütezeichen für Ökostrom gibt. Dieses garantiere, dass der vom Stromhändler gekaufte und verkaufte Strom nur aus erneuerbaren Quellen stamme. Inzwischen würden von zehn Ökostromanbietern 23 Umwelttarife angeboten.

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