"Der Rennsport treibt uns an"

Stefan Pierer ist mit der Steuerreform unzufrieden, da Leistungsträger nicht entlastet werden.
Sein KTM-Konzern fährt gute Zahlen ein, aber Bürokratie und hohe Arbeitskosten schmälern den Erfolg.

KURIER: Die vor Kurzem veröffentlichten Halbjahreszahlen von KTM sind sehr gut ausgefallen. Woran liegt das?Stefan Pierer: An den Produktentwicklungen, am globalen Auftritt und der Marke. KTM erkennt man als eine der wenigen österreichischen Marken weltweit. Wir haben uns in vier Jahren auf 88.000 verkaufte Motorräder im Halbjahr verdoppelt.

Wie ist das gelungen?

Der Rennsport treibt uns an, er ist eine Konstante so wie ich selbst, der 25 Jahre im Unternehmen ist. Es ist zudem die Philosophie des Unternehmens, sich mit Großen zu messen und nicht zu fürchten. Und schnell und klar zu entscheiden, insbesondere in volatilen Zeiten. Da hilft uns, dass das Unternehmen von den Eigentümern geführt wird. An Bord den Kapitän zu spielen, bewährt sich. Und großes Glück hat uns auch vor zwei Jahren die zweite Marke Husqvarna gebracht. Diese richtet sich an eine ganz andere Zielgruppe.

Was haben Sie mit dieser Marke vor?

Sie hat großes Potenzial. Wir wollen in zwei Jahren Straßenmotorräder auf den Markt bringen. In vier, fünf Jahren wollen wir die Nummer drei in Europa sein (hinter KTM und BMW, Anm.). Man kann ähnlich wie in der Autoindustrie die zweite Marke auf den gleichen Plattformen mit den gleichen Komponenten, aber mit einem eigenen Design, herstellen. Das bringt eine große Ersparnis und eine schnellere Fertigung.

Wo sehen Sie die großen Wachstumschancen?

Im asiatischen Markt, der zunehmend ein Wirtschaftsraum mit einschätzbaren Regularien wird. Etwa Malaysia, Thailand, Vietnam oder Kambodscha und Singapur als Drehscheibe. Dort waren wir vor zehn Jahren praktisch bei null und bieten jetzt durch die Kooperation mit unserem indischen Partner preislich konkurrenzfähige Modelle an. Damit wird heuer erstmals die Umsatzmilliarde durchbrochen.

Bei Ihrer börsenotierten Fahrzeuggruppe Cross, zu denen unter anderen KTM und Pankl Racing gehört, haben Sie den Streubesitz vor Kurzem verbreitert. Was wollen Sie damit bezwecken?

Die Idee ist, aus dem Bündel eine fokussierte Fahrzeuggruppe an der Börse zu haben, da die Streubesitzquoten bei den anderen Unternehmen relativ klein sind.

Warum nimmt man dann nicht Pankl und KTM von der Börse?

Man verärgert nur die treuen Kleinaktionäre. Das sind KTM-Fans, warum soll ich die vertreiben? Weiters verursacht es Kosten. Zudem muss ein börsenotiertes Unternehmen nach gewissen Regeln und Prinzipien auftreten, und das ist schon gut für das Management und die Transparenz. Daher bin ich nach wie vor ein Verfechter des österreichischen Kapitalmarktes, obwohl dieser in den letzten zehn, 15 Jahren schon massiv unter die Räder gekommen ist.

Wieso?

Es beginnt beim Verständnis der Politik. Ein funktionierender Heimat-Kapitalmarkt ist für die großen Unternehmen wichtig. Die Notierung an Fremdbörsen können Sie vergessen. Sie sind in Frankfurt oder Zürich nicht im Fokus, sondern spielen in der Unterliga. Die Börse ist volkswirtschaftlich wichtig und auch für die Kapitalbeschaffung. Diese Erkenntnis ist leider bei beiden Regierungsparteien nicht gegeben. Dass es eine Gewerkschaft nicht versteht, kann ich noch aus der Weltanschauung herleiten. Ich verstehe aber nicht, dass die ÖVP in der Kammerdenke es auch nicht als wichtig erachtet.

Was sollte geschehen?

Ich muss ganz offen sagen, dass natürlich ein Börse-Vorstand auch noch offensiver sein könnte. Frühere Vorstände wie Stefan Zapotocky hat man in allen Bundesländern angetroffen, er war sehr umtriebig und hat viel bewegt. Jetzt herrscht die Bundeshauptstadt-Mentalität nach der Devise "Wer kommt, ist gut, aber du fährst nach Wien". Und natürlich haben die österreichischen Banken den Kapitalmarkt nicht mehr so im Fokus wie vor der Krise.

Volkswirtschaftlich wichtig sind auch Investitionen. Wie viel davon fließt bei Ihrer Gruppe noch ins Inland?

Ich halte den österreichischen Standort hoch und glaube an ihn. Alleine bei KTM sind es heuer 100 Millionen in die Infrastruktur und Modellentwicklung. Cross hat insgesamt 4400 Mitarbeiter, davon 70 Prozent in Österreich. Davon sind in den ersten sieben Monaten 350 Mitarbeiter neu aufgenommen worden.

Wie zufrieden sind Sie mit dem Standort Österreich?

Wir haben nach wie vor Rahmenbedingungen, die uns in Europa als Industriestandort helfen. Ich hebe die super Exportförderung der Kontrollbank hervor sowie die Forschungsprämie und die Gruppenbesteuerung.

Also alles gut?

Es halten uns nur zwei Dinge vom Erfolg beziehungsweise Geschäft ab: Die überbordende Bürokratie. Es ist unglaublich, welche Aufwendungen Unternehmen haben, etwa bei Baugesetzen, Arbeits- und Gewerberecht. Für ein kleines Unternehmen ist das fast schon nicht mehr machbar. Das Zweite ist die Arbeitszeitflexibilisierung, die sehr wichtig wäre. Die zwei Dinge kosten keinen Euro und würden sogar dem Staat etwas bringen und die Unternehmen extrem entlasten. Eine Arbeitskostenentlastung wäre auch immens wichtig für die Leistungsträger.

Inwiefern?

Dass man eine Steuerreform versucht hat anzugehen, ist grundsätzlich positiv. Wenn aber Leistungsträger, die zum Beispiel 4000 Euro oder mehr verdienen, wegen der Höherbesteuerung von Dienstautos und höheren Sozialabgaben von dieser Reform nicht profitieren und netto weniger bekommen, dann hat diese ihr Ziel nicht erfüllt. Das drückt die leistungsfeindliche Stimmung in der Gesellschaft aus. Und da rede ich nicht nur von Unternehmern. Wirtschaft ist 50 Prozent im Kopf. Wenn die Motivation fehlt, dann geht es in die Verlangsamung, die wir jetzt spüren. Noch haben wir in Österreich keine signifikanten Nachteile gegenüber Deutschland, aber es ist die mangelnde Veränderung sowie das Einprügeln auf die Leistungsträger.

Befürchten Sie eine Abwanderung?

Die ganz guten Jungen gehen aus Österreich weg. Man merkt auch, dass angesichts der hohen Steuerquote die Mehrarbeit nichts bringt, Stichwort Work-Life-Balance. Dafür habe ich Verständnis. Ein Junger hat nicht mehr die Möglichkeit, Wohlstand zu schaffen. Langfristig bringt das den Standort unter Druck.

Kommen wir zurück zu Ihrem Unternehmen. Sie wollen zu einem führenden globalen Player hinter Honda und Yamaha werden. Wie soll das funktionieren?

Dahinter sind Kawasaki und Suzuki, denen kommen wir jede Runde etwas näher. Das ist meine Vision für die nächsten 15 Jahre, die beiden einzuholen. Da fehlen noch rund 200.000 Stück. Das ist ambitioniert, aber machbar.

Wo sehen Sie mit KTM Ihre Rolle im Individualverkehr?

Das Zweirad übernimmt zunehmend Mobilitätsfunktionen des Autos. Gründe sind die CO2-Problematik, Platzgründe in der Stadt und der Preis. Auch Elektromobilität wird zunehmend eine Rolle spielen. Wir sind da ein Pionier und verkaufen seit dem Vorjahr ein Gelände-Sportmotorrad mit 30 PS. Wir arbeiten nun an weiteren Varianten.

Können Sie sich vorstellen, zum Tesla des Motorrads zu werden?

"Der Rennsport treibt uns an"
KTM X-Bow
Ich bewundere Gründer Elon Musk für Marketing und Visionskraft, obwohl Tesla enorm Geld verbrennt. Er hat mit Sicherheit die Autoindustrie mehr als wachgerüttelt. Es stürzen sich nun auch andere auf das Thema, wie etwa Apple. Das wird die etablierten Hersteller das Fürchten lehren.

Sie haben mit dem X-Bow ja schon selbst ein Auto entwickelt, das sich aber nicht so gut verkauft hat wie erhofft.
Wir mussten 45 Millionen Euro abschreiben, das war schmerzhaft. Dennoch bin ich extrem zufrieden und hochstolz, so ein technologisch anspruchsvolles Produkt als Zweiradhersteller auf die Beine gestellt zu haben. Wir werden nächstes Jahr den 1000ten ausliefern.

Zur Person

Der 1956 geborene Stefan Pierer begann nach Abschluss seiner Ausbildung an der Montanuni in Leoben (Betriebs- und Energie-
wirtschaft) seine Karriere 1982 beim Heizkesselhersteller Hoval als Vertriebsassistent und später als Prokurist. Seit 1992 ist der verheiratete Vater von zwei Söhnen KTM-Vorstand und -Aktionär. 1987 gründete er die heute reine Fahrzeuggruppe Cross.

Kommentare