Der EZB-Steuermann verlässt die Bank

Der EZB-Steuermann verlässt die Bank
Jean-Claude Trichet ist einer der mächtigsten Banker. Am Donnerstag hat er seinen letzten Auftritt als EZB-Chef.

Der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) lässt sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen. Bei der Pressekonferenz nach der EZB-Sitzung im September platzte Jean-Claude Trichet aber der Kragen. Auslöser war die Kritik die EZB sei von ihrer zentralen Aufgabe, die Preisstabilität in der Eurozone zu sichern, abgewichen. "Diesen Leuten sage ich: Unsere Aufgabe ist es, die Preisstabilität in den 17 Euro-Ländern zu gewährleisten. Und diese Stabilität haben wir in den Jahren seit der Euro-Einführung einwandfrei abgeliefert", so Trichet mit erhobener Stimme. Der Euro habe "seine Stabilität besser gehalten als die D-Mark in den 50 Jahren vor dem Euro". Am kommenden Donnerstag wird der EZB-Chef seine letzte Pressekonferenz abhalten. Ende Oktober läuft sein Vertrag aus, dann wird der Italiener Mario Draghi das Ruder übernehmen.

Tabubruch

Das Ende seiner Amtszeit hat sich der 68-Jährige, der als einer der Mächtigsten in der Finanzwelt gilt, wohl anders vorgestellt. Die EZB unter Trichet steht massiv in der Kritik, weil sie im Mai des Vorjahres mit einem Tabu gebrochen hat und Staatsanleihen hoch verschuldeter Euro-Länder aufkauft - für mittlerweile mehr als 150 Milliarden Euro. Mit dieser "künstlichen" Nachfrage wollen die Notenbanker erreichen, dass die Zinsen für Staatspapiere aus Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Italien nicht in astronomische Höhen schießen. Als Krisen-Feuerwehr, die die Brandherde lokalisierte und rasch zur Stelle war - so wurde die EZB mitten in der Krise gelobt. Sie senkte die Leitzinsen auf ein Rekordniveau von einem Prozent und stellte Banken enorme Geldmengen zur Verfügung, als sich diese nur noch zu exorbitanten Zinsen mit Geld versorgen konnten. Das alles trug zur Stabilisierung bei.

Mit dem Aufkauf von Staatsanleihen sei die EZB aber zu weit gegangen, meinen die Kritiker. Nach den EU-Verträgen ist das eigentlich verboten. Die EZB selbst glaubt eine Lücke entdeckt zu haben. Sie kauft die Anleihen auf dem sogenannten Sekundärmarkt. Sie erwirbt Staatspapiere, die schon vor Längerem auf den Markt gekommen sind und im Besitz etwa von Banken sind. Neue Papiere von den betroffenen Staaten hat sie keine gekauft.

Vakuum

"Wenn man in einer Krise feststellt, dass es ein institutionelles Vakuum gibt, kann man entweder mit seinen Prinzip glorreich untergehen oder versuchen, das Schiff ans Ufer zu retten", verteidigte Yves Mersch, der Notenbank-Chef Luxemburgs und Ratsmitglied in der EZB, das Vorgehen. Das Vakuum war entstanden, weil die Politiker in der Eurozone nicht rasch genug auf die Schuldenkrise reagierten. Sie schufen zwar den Euro-Rettungsschirm EFSF. Der darf allerdings keine Staatsanleihen aufkaufen. Das wird sich erst ändern, wenn alle Parlamente der Euro-Länder der Ausweitung und Reform dieses Schirms zugestimmt haben. Die Staatsanleihen-Käufe könnten Trichet auch noch in der Pension beschäftigen.

Klage

Eine Gruppe um den Berliner Wirtschaftsjuristen Markus Kerber will ihn beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg verklagen, berichtete die deutsche Tageszeitung Die Welt . Trichet habe als EZB-Chef eigenmächtig und in eklatanter Weise gegen die EU-Verträge verstoßen und so die finanziellen Grundlagen der Euro-Länder gefährdet. Der deutsche Bundespräsident Christian Wulff hat einen Brief von Kerber mit der Aufforderung erhalten, die Klage zu unterstützen. Wulff hat im August das Vorgehen der EZB kritisch kommentiert: "Ich halte den massiven Ankauf von Anleihen einzelner Staaten durch die EZB für rechtlich bedenklich."

Vor dem Kadi zu stehen ist Trichet nicht unbekannt. Der in Lyon geborene Professoren-Sohn studierte zuerst Bergbau, dann Politik, Ökonomie und Staatsverwaltung. In seiner Zeit im Pariser Schatzamt war Trichet auch für Staatsunternehmen zuständig. Dazu zählte die - seit langem privatisierte - Großbank Credit Lyonnais. Diese vertuschte Anfang der 90er-Jahre Milliardenverluste. Die Behörden ermittelten gegen Trichet. Ihm wurde vorgeworfen, von den Bilanztricks gewusst und sie vertuscht zu haben. Im Prozess im Juni 2003 wurde Trichet freigesprochen. Damit war der Weg an die Spitze der EZB frei. Acht Jahre später, macht Trichet, der 68 Jahre alt ist, Mario Draghi Platz, der am 3. September seinen 64. Geburtstag gefeiert hat.

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