Florian Jonak: Generell machen die Geschäfte in der Wiener Innenstadt zwischen 40 und 50 Prozent des Umsatzes mit Touristen. Wie viel genau hängt von der Branche und der Lage ab.
Klingt gar nicht so viel ...
... ist aber eine Definitionssache. Wir definieren „Touristen“ als jene Kunden, die die Mehrwertsteuer rückerstatten. Das sind also jene mit Wohnsitz außerhalb der EU. Sie tragen bei uns 50 Prozent zum Umsatz bei. Dass das Geschäft aktuell leidet, ist klar. Als Geschäftsmann muss man jetzt einen klugen Kopf bewahren.
Heißt was?
Ein wesentlicher Bestandteil der Strategie heißt abwarten. Man sieht bereits, dass am Anfang der Krise vieles falsch eingeschätzt wurde. Die Panik, die uns aufgrund der ungewohnten Situation in den Knochen gesteckt ist, verschwindet jetzt langsam.
Woran machen Sie das fest?
Wir sind unter anderem im Austausch mit vielen europäischen Lieferwerken und haben Hinweise, dass sich die Lage entspannt.
Was passiert mit Teilen, die nicht verkauft werden konnte? Wird es Designermode heuer günstig geben?
Nein, der Lagerdruck ist nicht hoch. Die Sommerware wird ab November angeliefert – sie war zu einem guten Teil schon verkauft, als die Krise ausgebrochen ist. Und der letzte Teil der Kollektion ist nicht mehr voll ausgeliefert worden.
Wieso?
In Italien und Spanien sind Lieferwerke oft ein, zwei Monate still gestanden. Die Ware kam nicht innerhalb der vereinbarten Lieferfenster. Deswegen sind die Lager nicht übervoll. Aus heutiger Sicht sehe ich überhaupt keinen Grund zu schleudern. Überhaupt sind die Werke der Luxuslabels in der Regel zurückhaltend bei der Auslieferung. Hier kommt es in nächster Zeit sicher zu Verschiebungen.
Wird die Krise wirklich dazu führen, dass künftig weniger Kollektionen auf den Markt kommen?
Kurz- und mittelfristig ja, langfristig habe ich Zweifel.
Warum sind Sie gegen die Sonntagsöffnung in Wien?
Weil sie den internationalen Konzernen in die Hände spielt. Familiengeführte Firmen können es sich gar nicht leisten, aufzusperren.
Aber die Personalkosten sind doch dieselben, oder?Ja, aber die vertikalisierten Ketten (Anmerkung: wie Zara, H&M, Benetton) haben ja ganz andere Spannen, weil sie die Ware zu ganz anderen Preisen ins Geschäft bekommen. Die Spannen sind oft doppelt so hoch.
Gehören Ihnen eigentlich die Immobilien, in denen die Geschäfte sind?
Nein. Würden sie mir gehören, wäre ich auch verleitet, sie an große Ketten zu vermieten. Die Häuser in den Top-Lagen der Innenstadt gehören vor allem Versicherern, Banken sowie einzelnen Investoren.
Viele Modehändler diskutieren mit ihren Vermietern, ob sie für die Zeit des Shutdowns die Miete zahlen müssen. Wie schaut das am Flughafen Wien aus, wo sie fünf Geschäfte betreiben?
Wir sind noch in Verhandlungen. Es ist nicht die erste Krise, die wir zusammen durchstehen. Es gab auch SARS, 9/11, die Aschewolke oder die Russlandkrise. Die Dimension ist freilich eine noch nie da gewesene, zumindest in der gesamten industrialisierten Welt.
Wann rechnen Sie wieder mit Touristen aus Asien?
Im ersten Halbjahr 2021, wenn auch unter neuen Voraussetzungen. Ich war nie ein Freund von Billigflügen. Habe nie verstanden, wie um umgerechnet 900 Euro Asiaten nach Europa geflogen werden, um hier zu Tausenden durch die Einkaufsstraßen gescheucht zu werden, bevor sie wieder zurückverfrachtet werden. Ich verstehe auch nicht, warum man um 16 Euro in eine Stadt fliegen muss. Vielleicht haben skurrile Blüten wie diese mit der Krise ein Ende.
Sind Ihnen die Stammkunden in der Krise treu?
Wir haben viele Stammkunden, unsere Familie ist seit mehr als 100 Jahren im Geschäft. Das ist auch der Grund, warum internationale Marken uns überhaupt den Franchisevertrag geben. Die Bevölkerung ist derzeit aber verunsichert, auch wegen der Auflagen für den Handel. Die Abstandsregeln, das Desinfektionsmittel und die Maskenpflicht tun dem Einzelhandel nicht gut. Schon gar nicht dem Modehandel. Es macht einen Unterschied, ob man eine Glühbirne kauft, um am Abend nicht im Dunkeln zu sitzen, oder das fünfte Sommerkleid. Es geht hier um Emotionen.
Luxuslabels
Florian K. Jonak
Der Wiener führt das Familienunternehmen in dritter Generation und ist Franchisenehmer von Luxuslabels wie Hermés, Gucci, Versace und Giorgio Armani. Er beschäftigt 100 Verkaufsmitarbeiter, die derzeit alle in Kurzarbeit sind. Jonak ist Sprecher der Einkaufsstraßen Wiener Graben und Kohlmarkt
Luxusindustrie
Die Umsätze mit Luxusgütern sind im 1. Quartal 2020 infolge der Corona-Pandemie weltweit um ein Viertel eingebrochen, so eine Studie des Beraters Bain&Company
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