Debatte: Wer Lehrlinge abwirbt, soll Ablöse zahlen müssen

Wertvolle Ausbildung: Eine vierjährige Lehrlingsausbildung (im Bild Siemens) kostet einen Betrieb im Durchschnitt 14.000 Euro
Der Wettbewerb um die Fachkräfte wird schärfer. Aber wer kommt für die Ausbildungskosten auf?

Im Fußball ist diese Art von Transfersystem längst üblich: Ein Talent wird mit viel Aufwand ausgesucht und vom Verein anschließend mit viel Geld und Zeit zum Profi ausgebildet. Wird der fertige Profi dann abgeworben, so muss der Käufer die Ausbildungskosten ersetzen und im besten Fall ist das für alle Beteiligten ein Gewinn.

Ablösesystem

Angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels wird nun auch über eine Art Ablösesystem in der Lehrausbildung diskutiert. Betriebe sollen Ablösesummen zahlen müssen, wenn sie Lehrlinge gleich nach Lehrabschluss von der Konkurrenz abwerben, fordert der deutsche Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer.

Konkret sollten die fertig ausgebildeten Lehrlinge in den ersten Jahren nur dann den Betrieb wechseln dürfen, wenn der neue Arbeitgeber zumindest einen Teil der Ausbildungskosten übernimmt. Im Schnitt würde die dreijährige Ausbildung einem Betrieb rund 15.000 Euro kosten, rechnet Wollseifer vor. Hintergrund der deutschen Debatte ist auch ein starker Rückgang an Lehrbetrieben.

Berechtigte Forderung

In Österreich, wo die Lehrlingszahlen zuletzt wieder gestiegen sind, sind Abwerbungen ebenfalls ein Thema. Laut Studie des Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft (ibw) sind drei Jahre nach Lehrabschluss nur noch 35 Prozent der Lehrlinge bei ihrem Ausbildungsbetrieb beschäftigt. Im Tourismus sind es gar nur 16 Prozent. „Ich halte einen Lastenausgleich der Lehrlingskosten für eine berechtigte Forderung“, sagt ibw-Experte Helmut Dornmayr zum KURIER.

14.000 Euro pro Lehrling

Die Netto-Kosten für eine vierjährige Lehrzeit in Österreich schätzt er auf rund 14.000 Euro, höherwertige Ausbildungen sind noch teurer. „Die Lehre rentiert sich für den Betrieb nur, wenn er sich die Rekrutierungskosten erspart, also der fertig ausgebildete Lehrlinge nicht gleich wieder weg ist“, so Dornmayr. Ein Transfermodell wie im Fußball hält er aber für wenig praxistauglich, vielmehr sollte die Entschädigung von der öffentlichen Hand kommen. Dem Staat kosten Lehrlinge in einem Betrieb ohnehin viel weniger als  AHS- oder BMS-Schüler. Am teuersten ist die überbetriebliche Ausbildung.

In Oberösterreichs Industriebetrieben, die im Fachkräfte-Wettbewerb mit Süddeutschland konkurrieren, ist die Thematik schon länger am Köcheln. Der Marchtrenker Kunststoff-Spezialist Starlim Sterner etwa trat schon vor zwei Jahren für ein Ablösesystem ein. Die Wirtschaftskammer (WKO) bremst. „Lehrlingsablösen sind bei uns ein Thema, aber wir sehen derzeit keinen Bedarf für neue Regularien“, sagt Bildungsexperte Friedrich Dallamaßl von der WK Oberösterreich.

Mobilität wichtig

Wer einen flexiblen Arbeitsmarkt will, dürfe die Mobilität der Arbeitnehmer nicht einschränken. Gute Ausbildungsbetriebe müssten sich auch nicht vor der Konkurrenz fürchten. „Ablösen sind kein geeigneter Lösungsansatz“, heißt es bei der Sparte Gewerbe & Handwerk in der WKO. Auch sei der Druck in Deutschland größer, weil weniger Betriebe ausbilden als in Österreich. Auch im Tourismus ist man skeptisch. Die Aussicht, eine Zeit lang nicht wechseln zu dürfen, mache den Lehrberuf sicher nicht attraktiver. Nach dem Lehrabschluss würden viele junge Köche den Arbeitgeber wechseln und oft ins Ausland gehen, um Erfahrungen zu sammeln. Das sei sogar wünschenswert.

Lastenausgleich

Eine Art indirekten Lastenausgleich gibt es bereits durch den Insolvenzentgeltfonds (IEF), in den alle Unternehmen einzahlen. Ein kleiner Teil davon fließt in die Lehrstellenförderung. Künftig soll dieses Fördergeld aus dem Topf der Arbeitslosenversicherung kommen, was die Arbeiterkammer (AK) zuletzt kritisierte. Die AK schlägt einen Lastenausgleich in Form eines Ausbildungsfonds vor. Dort sollen jene Betriebe einzahlen, die nicht ausbilden und jene gefördert werden, die dies sehr wohl tun.

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