DAX vor dem Zehntausender: Experten erwarten Gipfelsieg

DAX vor dem Zehntausender: Experten erwarten Gipfelsieg
Der Deutsche Aktienindex ist am Montag nur acht Zähler unter 10.000 Punkten geblieben.

Deutschlands erster Zehntausender – fast wäre er erklommen worden. Nicht einmal acht Punkte haben dem Deutschen Aktienindex (DAX) am Montag zum Gipfelsturm gefehlt. Doch bei 9992,33 Zählern war kurz nach Handelsstart um 9 Uhr Schluss. Offenbar wurde die Höhenluft doch zu dünn. Am Nachmittag drehten dann unerwartet schwache US-Konjunkturdaten die Kurskurve sogar noch ins Minus. Zurück ins Basislager also: Die Börsianer müssen sich gedulden, bis der DAX erstmals fünfstellig notiert.

"Wir glauben schon länger, dass die 10.000 Punkte erreicht werden. Aber der Markt ist eine launische Diva", sagt Ulrich Kater, Chefökonom der deutschen Dekabank, zum KURIER. Zuletzt habe die Ukraine-Krise auf den Kursen gelastet. Weg sei das Risiko nicht, aber in den Hintergrund gerückt: Die Investoren erwarten, dass es ein innerukrainisches Thema bleibt und das "Sanktions-Stillhalteabkommen" von EU und USA ausreicht.

DAX vor dem Zehntausender: Experten erwarten Gipfelsieg
Deshalb sind alle Blicke nach Frankfurt gerichtet: Selten hat sich ein Chef der Europäischen Zentralbankso weit aus dem Fenster gelehnt wie Mario Draghi. Er hat den Journalisten Anfang Mai in die Blöcke diktiert, der EZB-Rat "fühlt sich wohl, beim nächsten Mal zu handeln". Das ist am Donnerstag, den 5. Juni.Seither wird heftig spekuliert, was sich Draghi und Co. einfallen lassen: Sinkt der Leitzins von 0,25 Prozent auf 0,125 Prozent? Negative Zinsen für die Banken? Die Erwartungen sind hoch gesteckt – womöglich zu hoch. Aber: "Die Aktienmärkte würden nur abdrehen, wenn sie gar nichts tut", sagt Kater.

"Ungeliebteste Hausse"

Im Jahr 2013 hat der DAX mehr als 25 Prozent zulegt. Die Luft werde allmählich dünner, die Kurse seien aber "noch okay, wenn die Konjunktur hält". Selten habe es freilich so viele Kassandrarufer und Crashpropheten gegeben wie in diesem Börsenaufschwung: "Das ist die ungeliebteste Hausse, an die ich mich erinnere. So schlechte Stimmung bei so guten Kursen hat es lange nicht gegeben." Sparern, die in Aktien investieren wollen, rät Kater, ihr eigenes Vermögen zu prüfen: "Die Analyse ist wichtiger als jene des DAX oder ATX." Jeder müsse für sich festlegen, wie viel er investieren und riskieren kann. Wem Aktien sinnvoll erscheinen, der sollte langfristig, mittels Zwei-Jahresplan, Bestände aufbauen.

KURIER: Wird der DAX die 10.000 Punkte erreichen?

Christoph Ohme: Wir geben keine Prognosen für Gesamtstände, sehen die Märkte aber konstruktiv. Unser Kursziel für den DAX liegt auf Jahressicht über 10.000 Punkten.

Gibt es die „psychologisch wichtigen Schwellen“ überhaupt?

Sicher gibt es Schwellen, die ein großes Symbol darstellen. Für uns als professionelle Investoren ist es eine interessante Marke, aber wichtiger sind die Bewertungen von Märkten und die Gewinndynamik.

Sind Aktien nicht schon teuer?

In den letzten zwei Jahren haben sich die Bewertungen sicher ausgeweitet, sie sind aber noch nicht am oberen Ende, sondern im Mittelfeld der historischen Bandbreiten.

Was ist der Grund für den DAX-Höhenflug?

Wir haben eine Kurserholung nach der Finanz- und Verschuldungskrise gesehen. Die Lage der Eurozone hat sich stabilisiert, insbesondere die Risikoprämien für Länder, die unter Druck sind. Im nächsten Schritt erwarten wir, dass sich die Unternehmensgewinne verbessern. Dafür sehen wir erste Anzeichen, aber es ist mehr nötig, um die Märkte weiter nach oben zu treiben.

Von der EZB wird am Donnerstag viel erwartet. Droht eine Enttäuschung und ein Kursrutsch?

Ja, diese Erwartung ist da. Potenzial für eine große Enttäuschung sehe ich aber nicht.

Was raten Sie dem Sparer, der durch das Zinstief real immer mehr Geld verliert?

Das Niedrigzinsumfeld trifft nicht nur Sparer, sondern auch Garantierenditen bei Versicherungen, etc. Für den Anleger ist es wichtig, sich Alternativen zu überlegen. Aktien sind da immer noch attraktiv, schon aufgrund der Dividendenausschüttungen.

Der DAX hat 2013 unglaubliche 25 Prozent zugelegt. Ist es für den Einstieg nicht zu spät?

Man kann natürlich nicht jedes Jahr mit den Kursgewinnen der letzten zwei Jahre rechnen. Aber wir halten die Märkte weiter für attraktiv.

Zur Person

Christoph Ohme ist Portfolio-Manager für deutsche Aktien bei der Deutsche Bank.

Einkaufsmanager gelten als die Seismographen der Ökonomie. Ihre Meinung wird als zuverlässiger Frühindikator für die wirtschaftliche Aktivität anerkannt. Ganz besonders gilt das für den ISM, einen Index, der aus Umfragen des Institutes für Supply Management (ISM) unter Einkaufsmanagern entsteht. Er bewegt Finanzmärkte, geht es doch schließlich um die Lage in der größten Volkswirtschaft der Welt.

So zuverlässig die Manager auch sein mögen, so unzuverlässig erwies sich zum Wochenstart der Index selber. Das Institut mit Sitz in Washington gab den Index für Mai am Montagnachmittag mit 53,2 Punkten bekannt. Werte über 50 Punkten zeigen zwar Wachstum. Im Vergleich zum April war das allerdings ein Rückgang um 1,7 Punkte. Das Wachstum der US-Industrie habe überraschend an Tempo verloren, hieß es anschließend folgerichtig. Der Frankfurter Leitindex DAX verlor in den Minuten danach deutlich, auch die US-Börsen starteten mit Verlusten in den Handelstag.

Am Abend gab es allerdings Entwarnung: Das ISM korrigierte die Angaben nach oben. Tatsächlich sei der Index im Mai auf 55,4 Punkte geklettert – was eine robuste wirtschaftliche Erholung in den USA signalisiert.

Der Frankfurter Leitindex DAX konnte auf diese Korrektur nicht mehr reagieren – die Börse war bereits geschlossen. In New York ging es mit den Kursen aber nach oben, wenn auch nur leicht.

"Und glauben Sie mir, es wird reichen." Mit diesem Satz schaffte es Mario Draghi, Boss der Europäischen Zentralbank (EZB), im Juli 2012 die Finanzmärkte zu beruhigen. Davor waren in der Staatsschuldenkrise die Wogen hochgegangen. Aus Angst davor, die Eurozone könnte auseinanderbrechen und die nächste heftige Wirtschaftskrise auslösen, warfen Groß- und Kleinanleger ihre Wertpapiere auf den Markt. Die Ansage Draghis glättete die Wogen. Sie sagte nichts anderes als: Die EZB werde alles tun, um den Euro zu erhalten – also etwa unendliche Summen in den Aufkauf von Staatsanleihen stecken.

Tatsächlich kaufen musste die EZB gar nichts, Draghis Worte allein reichten. Vor kurzem, nach der EZB-Sitzung im Mai, ließ Draghi erneut aufhorchen. „Der EZB-Rat fühlt sich wohl damit, beim nächsten Mal zu handeln“, sagte der Italiener. Damit kündigte Draghi praktisch an, dass die EZB bei ihrer nächsten Sitzung am 5. Juni in ihren Werkzeugkasten greifen wird. Experten rechnen damit, dass der Leitzins für die Eurozone von derzeit 0,25 Prozent auf 0,15 oder 0,10 Prozent gesenkt wird – womit sich Geschäftsbanken künftig günstiger Geld von der EZB borgen können. Es wird aber auch damit gerechnet, dass die EZB für Einlagen einen Negativzins einführen wird. Derzeit bekommen Banken für Geld, das sie bei der EZB parken, keine Zinsen. Künftig sollen sie einen Strafzins zahlen.

DAX vor dem Zehntausender: Experten erwarten Gipfelsieg
Warum Draghi zu diesen Werkzeugen greifen wird? Vor allem geht es der EZB darum, eine mögliche Deflation abzuwenden. Mit 0,7 Prozent war dieInflationsrate in der Eurozone sehr tief und weit von jenen knapp zwei Prozent entfernt, die die EZB als Geldwertstabilität ansteuert. Geht die Inflation noch weiter zurück oder gehen die Preise gar zurück, droht eine Abwärtsspirale: Haushalte und Unternehmen verschieben größere Anschaffungen, weil sie auf weiter sinkende Preise warten. Das lähmt die Wirtschaft und stürzt sie schlimmstenfalls sogar in eine Rezession. Löhne müssten gekürzt werden, die Arbeitslosigkeit würde steigen – die Spirale nach unten wäre nur schwer zu stoppen.

Tiefe Zinsen sollen zum einen die Bereitschaft schüren, kreditfinanzierte Investitionen zu tätigen – was die Konjunktur (und die Inflation) ankurbeln kann. Winzige Euro-Zinsen sollen zudem helfen, den Kurs der Gemeinschaftswährung nach unten zu drücken. Aus Sicht der EZB hat ein hoher Euro-Kurs nämlich einen eklatanten Nachteil: In US-Dollar gehandelte Rohstoffe werden – in Euro umgerechnet – billiger. Und das drückt die Inflationsrate zusätzlich nach unten.

Was erhofft sich Draghi von einem negativen Zinssatz? Banken könnten es bald leid sein, etwas dafür zu zahlen, wenn sie Geld bei der EZB zwischenlagern – quasi eine Safegebühr zahlen. Die Institute könnten daher vermehrt dazu übergehen, liquide Mittel in Form von Krediten zu vergeben. Beispiele aus anderen Ländern haben allerdings gezeigt, dass dieser Automatismus nicht zwingend funktioniert. Draghi hätte daher noch ein weiteres Werkzeug zur Verfügung: Er könnte Banken wirklich günstiges Geld für längere Zeit leihen (was er in der Vergangenheit schon zwei Mal getan hat). Diesmal könnte er allerdings die Auflage daran knüpfen, dass diese billigen Mittel wirklich in Form von Krediten den Weg in die Unternehmen und Haushalte finden.

Die Erwartungen, die Draghi geschürt hat, sind derart hoch, dass er jetzt tatsächlich handeln muss. Verschiebt er die Entscheidung erneut, wird es an den Börsen abwärts und mit dem Euro-Kurs nach oben gehen, malen Finanzexperten schwarz.

Kommentare