Der erste deutsche Zwölftausender

EZB-Aktivismus, Eurotief, solide Konjunktur: die Gründe für den deutschen Aktien-Boom.

Je weiter es raufgeht, umso dünner wird die Luft. Das gilt für Bergsteiger ebenso wie für Aktienkäufer. Außer an der Frankfurter Börse, scheint es: Dort ist nach dem atemberaubenden Kurs-Anstieg der letzten Monate die Todeszone offenbar noch nicht erreicht. Im Gegenteil: Der deutsche Aktienindex DAX eilt von einem Hoch zum nächsten. 23 Prozent Plus in 90 Tagen: Wo sonst sind solche Zuwächse möglich? Am Donnerstag wurde kurz vor Mittag bei 11.830,14 Punkten ein neuer Rekord erreicht. Damit war vorerst Schluss, gegen Ende des Tages gab es ein leichtes Minus.

Dennoch: Jetzt nimmt der DAX die 12.000er-Marke ins Visier, sind viele Analysten überzeugt. Was sind die Gründe für den fast schon unheimlichen Boom?

EZB Die Frankfurter Währungshüter haben soeben die größte Shoppingtour der Euro-Historie gestartet: Allein in den ersten drei Tagen haben sie Wertpapiere (Staatsanleihen) um 9,8 Milliarden Euro abgeräumt. Das soll fallende Preise abwehren und die Kreditvergabe und Konjunktur im Euroland ankurbeln. Dass diese Geldspritzen als Doping für die Aktienkurse wirken, weiß man durch das Vorbild der US-Notenbank Fed.

EZB Auf Platz zwei der Gründe für den DAX-Höhenflug: wieder die Europäische Zentralbank. Klingt widersinnig, aber die Geldpolitik ist auch für das Zinstief verantwortlich. Dieses sorgt (mit den Anleihenkäufen) dafür, dass andere Anlageformen fast nichts abwerfen. Mangels Alternativen werden Unternehmensbeteiligungen gekauft: Die "Anleger sind in Kaufpanik", kommentierte ein Experte.

Deutschland Die Wirtschaft marschiert kräftig dahin und hat das Hochplateau erreicht: "Deutschland lebt auf der Sonnenseite der Konjunktur", sagt Stefan Kooths vom Kieler Institut für Weltwirtschaft. Die Arbeitslosigkeit ist niedrig, die Menschen geben dank höherer Löhne und niedriger Inflation mehr Geld aus.

Schwacher Euro In die Karten spielt dem Export-Vizeweltmeister überdies die Euro-Schwäche. Diese macht deutsche Produkte im Dollar- oder Franken-Raum günstiger – ein gewaltiger Rückenwind. Schon bald dürfte der Euro im Verhältnis eins zu eins in Dollar getauscht werden: Am Donnerstag sank der Kurs zeitweilig auf 1,0494 Dollar.

Solide Unternehmen Die Kurse spiegeln die Erwartungen künftiger Gewinne wider, die für die DAX-Schwergewichter ausgezeichnet sind. Ganz oben auf der Gewinnerliste der letzten 52 Wochen stehen Pharma- und Gesundheitskonzerne wie Merck, Fresenius oder Bayer. Knapp dahinter folgen die großen Automobilhersteller wie BMW, Daimler und Volkswagen.

Der DAX selbst Zur Rallye trägt die Eigenart bei, wie der DAX ermittelt wird. Anders als beim Wiener ATX werden Dividenden, also Ausschüttungen an die Aktionäre, in den Kurs hineingerechnet – was bei guter Gewinnlage wie ein Turbo wirkt. Der DAX-Kursindex, der ohne diesen Anschub auskommt, steht aktuell bei 6050 Punkten: Zum Allzeithoch bei 6196 Punkten von März 2000 fehlen ein paar Höhenmeter.

Politik In Österreich vermisst Robert Ottel, der Präsident des Aktienforums, ein "klares Bekenntnis zum heimischen Kapitalmarkt" und fürchtet neue Belastungen durch die Steuerreform. In Deutschland ist das Umfeld viel freundlicher. Am 16. März, dem "Tag der Aktie", können Privatanleger bei ausgewählten Direktbanken spesenfrei Aktien erwerben.

Der erste deutsche Zwölftausender

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