Das Modell Heini sorgt für Furore

"Schuhrebell" Staudinger verpasst die Frist der Aufsicht – sein Modell findet viele Nachahmer.

Es ist sich doch nicht ausgegangen: Bis Ende März hatte die Finanzmarktaufsicht (FMA) dem Waldviertler Schuhhersteller Heini Staudinger Zeit gegeben, um sein strittiges Finanzierungsmodell zu legalisieren. Dazu müssten die knapp 200 Geldgeber – die seinem Unternehmen GEA fast drei Mio. Euro geborgt haben – unterschreiben, dass sie sich bei einer Pleite ganz hinten anstellen.

Das nennt sich "Nachrangdarlehen" – die Investoren verzichten auf alle Ansprüche. "Wir wollen mit dem Streiten aufhören", gibt sich Staudinger konziliant. Alle Unterschriften hat er aber noch nicht. "In den nächsten Wochen werden wir 90 Prozent haben", sagt er. Und der Rest? Einige Geldgeber seien halt "schlampert" oder wollen mit dem Papierkram in Ruhe gelassen werden. Und wenn sie nicht unterschreiben? "Dann geben wir ihnen das Geld zurück und fertig."

Staudinger muss hoffen, dass die FMA seine Begründung akzeptiert und die Frist verlängert. Die bereits angefallenen 10.000 Euro Strafe will er nicht zahlen. Schlimmstenfalls wird vollstreckt und es kämen weitere 20.000 Euro Strafe dazu.

Zu wenig Information

Staudingers Modell macht indes Schule: Viele Unternehmen entdecken, dass sie mit Nachrangdarlehen unkompliziert Geld einsammeln können. Damit sorgt just das aus Anlegersicht schlechteste Beteiligungsmodell für Furore. Der FMA ist die Häufung aufgefallen. "Das geht uns nichts an, solange kein konzessionspflichtiges Bankgeschäft vorliegt", heißt es jedoch. Alles Weitere sei Sache des Gesetzgebers.

Konsumentenschützer sehen das kritisch. "Es gehören europaweit einheitliche Standards für Anleger her", sagt Christian Prantner von der Arbeiterkammer Wien. Er fordert eine Registrierungspflicht, gut sichtbare Hinweise auf das Risiko sowie klare Auskünfte über Rücktritts- und Kündigungsrechte.

Ein Beispiel von vielen: Der Grazer Solaranlagenbauer Solid Invest hat über eine Bürgerbeteiligung seit November 2013 fast 1,5 Millionen Euro gesammelt – die Webseite verspricht 4,5 Prozent Zinsen "mit der Kraft der Sonne". Von Risiken liest man auf Seite eins nichts, dafür den Hinweis "FMA konform". Heikel, findet Prantner: Solid Invest klinge wie eine Wertpapierfirma, "nachhaltig anlegen" suggeriere Sicherheit, wo keine ist, und der FMA-Hinweis wirke wie ein Gütesiegel – ohne Substanz.

Den Vorwurf der Irreführung weist Solid-Sprecherin Nicole Olsacher zurück. "Wir verfolgen dieses Geschäftsmodell seit 15 Jahren mit Erfolg. Passieren kann immer was – wir begrüßen es, wenn sich Bürger gut informieren."

Was ist Crowdfunding?

Crowdfunding oder Schwarmfinanzierung ist ein Überbegriff für viele Formen, mit denen sich Projekte oder Unternehmen finanzieren. Das Bindeglied ist, dass viele unterschiedliche Investoren – in der Regel Privatpersonen – an den Erfolg einer Idee glauben und deshalb ihr Geld einsetzen.

Wie hoch ist mein Gewinn und wie groß das Risiko?

Pauschal lässt sich das nicht beantworten – es hängt ganz vom konkreten Beteiligungsmodell ab. "Crowdfunding klingt hip. Dem Anleger muss aber bewusst sein: Wenn es nicht gut geht, ist sein Kapital futsch", sagt AK-Experte Christian Prantner. "Es gibt keine Einlagensicherung und auch keine Anlegerentschädigung."

Was sind die oft zitierten Nachrangdarlehen, die Heini Staudinger jetzt umsetzt?

Aus Firmensicht die einfachste Form, um an Geld zu kommen: der Geldgeber verzichtet auf alle Ansprüche. Die Finanzmarktaufsicht (FMA) hat so keinen Auftrag mehr. "Gib mir dein Geld und rutsch mir den Buckel runter", nennen das Kritiker.

Wie funktionieren Crowdfunding-Plattformen?

Onlineplattformen vermitteln Firmen, die Geld suchen, und Anleger, die sich an den Projekten beteiligen wollen. Heimische Anbieter (conda.at, 1000x1000.at, greenrocket.com) setzen dabei meist auf Genussschein-Modelle.

Wie sicher ist es, wenn ich mein Geld über eine solche Plattform investiere?

Genussscheine seien Aktien sehr ähnlich, sagt Prantner. Die AK hat 18 internationale Plattformen geprüft – nur einige weisen gut sichtbar auf das Risiko des Totalverlustes hin. Oft finden sich Verharmlosungen wie "ist nicht risikofrei". Prantner kritisiert zudem, dass viele Plattformen nur die Gewerbeberechtigung für Unternehmens-, nicht für Vermögensberatung haben.

Hat Österreich lockere oder strenge Regeln?

Da gehen die Meinungen auseinander: Seit Sommer 2013 dürfen Projekte in Österreich bis zu 250.000 Euro (davor 100.000) sammeln, ohne teure Infoprospekte veröffentlichen zu müssen. Die Plattform-Betreiber wollen bis zu 5 Mio. Euro einsammeln können, wie es die EU maximal erlauben würde.

Bankenprügeln hat sich als Breitensport bestens etabliert. Auf Mitleid sollten die Geldinstitute also eher nicht hoffen. Ein Quäntchen Verständnis wäre aber angebracht: Die Banken sollen in einen Abwicklungsfonds einzahlen. Die Einlagensicherung dotieren. Bankensteuer blechen. Zugleich sollen sie schrumpfen, strengere Regeln beschneiden die Kreditvergabe. Alles gut, alles gescheit.

An Pflanzerei grenzt es aber, wenn sich EU-Kommissar Michel Barnier – die treibende Kraft dahinter – vor die Mikrofone stellt, Crowdfunding propagiert und ein "EU-Sparbuch" erfindet. Damit die Firmen das Geld direkt von den Anlegern kriegen, weil die bösen Banken keine Kredite vergeben. Wie bitte? Die Banken machen wir sicherer und andere Anlageformen kommen ganz ohne Regeln aus? Das soll der Weisheit letzter Schluss sein?

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