Das Mini-Emirat als Big Player

Das Mini-Emirat als Big Player
Katar: Der Monarch ist zu einer der tonangebenden Figuren innerhalb der arabischen Welt geworden – und darüber hinaus.

In der Regel ist das Leben in Flüchtlingscamps von Entbehrungen und Tristesse gekennzeichnet. Nicht aber, wenn der superreiche Golfstaat Katar einspringt: Als eines der ersten Länder überhaupt haben die Scheichs im Vorjahr Lager in Tunesien errichtet – für jene Menschen, die sich vor dem Gemetzel in Libyen in S­icherheit bringen konnten. Dazu wurden eigens komfortable Wüstenzelte eingeflogen. Für die Kleinen gab es einen Spielplatz, für die Großen Internet sowie Fernseher und für alle ein großzügiges Catering, das pro Kopf und Tag immerhin elf Dollar kostete.

Wer hat, der hat. Und Katar, das global gesehen über die drittgrößten Gasreserven verfügt, hat im Übermaß. In puncto Pro-Kopf-Einkommen ist der Staat der reichste der Welt – 98.000 US-Dollar jährlich, in Österreich liegt der Wert bei 50.500 Dollar.

Leitmedium der "Arabellion"

Das Mini-Emirat als Big Player

Mit prall gefüllter Brieftasche hat der Emir von Katar, Scheich Hamad bin Khalifa al-Thani, die Umbrüche in der arabischen Welt von Anfang an massiv unterstützt und gefördert: Propagandistisch mit dem TV-Sender Al Jazeera, der in Doha am Gängelband des Monarchen hängt und der zum Leitmedium der "Arabellion" wurde; humanitär, indem er medizinisches Material bereitstellte; und sogar militärisch, als er Waffen an die Aufständischen schickte, sich Kampfpiloten aus Katar an den Bombardements libyscher Stellungen beteiligten und Spezialtruppen am Boden agierten.

Damit hat sich der Emir, der auch eine internationale Militärintervention in Syrien fordert, weit aus dem Fenster gelehnt. Zugleich aber auch eine Führungsrolle unter den Arabern eingenommen. An dieser versucht sich der Scheich schon seit Längerem: Sei es bei der (erfolgreichen) Vermittlung im Libanon 2008 oder als Schlichter im inner-palästinensischen Streit. Auch in den Konflikt-Zonen Darfur, Eritrea/Äthiopien und Jemen hat er seine Spuren hinterlassen.

Doch was treibt den Mann an? "Seine Agenda ist wenig offensichtlich", schreibt der Spiegel. Zwei Grundlinien sind aber klar erkennbar: Einerseits will Al-Thani das Arabertum wiederbeleben. Andererseits verspürt(e) er eine tiefe Abneigung gegen die eher säkular eingestellten Despoten Gaddafi (Libyen), Mubarak (Ägypten), Saddam Hussein (Irak) und Hafis al-Assad, den Vater von Syriens derzeitigem Machthaber.

Putsch gegen den Vater

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Um mehr Demokratie geht es dem Emir aber nicht. 1995 entfernte er seinen eigenen Vater in einem unblutigen Putsch von der Macht. Vielmehr ist ihm die Stärkung des sunnitischen Islam ein Anliegen. So sponserte er die prononciert religiöse Ennahda-Partei in Tunesien, die im Vorjahr prompt einen fulminanten Wahlsieg einfuhr. Umgekehrt beteiligte sich Katar an der Niederschlagung des Schiiten-Aufstandes in Bahrain durch saudi-arabische Truppen – Al Jazeera berichtete nicht.

Auch im Land, das kleiner als Oberösterreich ist, ist die Führung in der Hauptstadt Doha nicht zimperlich. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International klagt regelmäßig über Auspeitschungen und Ausbeutung von ausländischen Arbeitsmigranten – von den etwa 1,7 Millionen Einwohnern sind nur 300.000 bis 400.000 gebürtige Kataris, der Rest internationale Geschäftsleute und Gastarbeiter.

Bürgerbeteiligung und Demokratie sind im Golfstaat Fremdwörter, doch der Emir versucht, mit Geld gegenzusteuern: Damit seine Untertanen nicht auf dumme Gedanken kommen und es ruhig bleibt, wurden im Vorjahr die Löhne und Sozialleistungen für Beamte um 60 Prozent erhöht. Das Einkommen von Pensionisten und Armee-Offizieren wurde gleich um 120 Prozent mehr als verdoppelt.

Internationale Events

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International präsentiert sich das Land freilich als weltoffen. In der hyper-m­odernen Metropole Doha finden laufend Kongresse statt, Kultur wird ebenso großgeschrieben wie Sport: Tennis und Golf sind die Renner. Und in zehn Jahren soll hier die Fußball-WM stattfinden. Für die Stadien samt Infrastruktur, wie Straßen und Metros, sollen 150 Milliarden Dollar investiert werden.

"Qatar – Where Things Come Together", ist überall in Doha als Leitmotiv zu lesen. Tatsächlich hat Al-Thani ein erstaunliches Netzwerk aufgebaut, in dem er jetzt geschickt die Fäden zieht: Das Hauptquartier des US-Zentralkommandos holte er ebenso ins Land wie den iranischen Präsidenten Ahmadinejad zu Araber-Gipfeln oder israelische Top-Politiker wie den heutigen Staatschef Peres zu Tagungen. Hamas-Auslandschef Mashaal hat sein Büro von Damaskus in die katarische Hauptstadt verlegt, die islamistischen Taliban werden demnächst eine Vertretung eröffnen. "Katar ist ein signifikanter Player auf der globalen Bühne geworden", attestierte daher die Financial Times Deutschland.

Brücken nach Europa

Auch nach Europa schlägt der Scheich Brücken: Beim französischen Traditionsfußballklub Paris St. Germain übernahm er 2011 die Aktienmehrheit; für die teils verslumten Pariser Vororte, in denen viele Muslime wohnen, wurde ein Fonds – dotiert mit 50 Mio. Euro – aufgelegt; und das krisengebeutelte Spanien erhielt eine Finanzspritze in Höhe von 300 Mio. Euro. Zudem hält die Qatar Investment Authority (der Fonds ist 85 Mrd. Dollar schwer) in Europa neben anderen Beteiligungen 17 Prozent an VW und zehn Prozent an Porsche.

"Er (Al Thani) achtet darauf, dass er nie alle Eier in dieselbe Schale legt", analysiert Ibrahim Sharkieh von der Brookings Institution in Doha. Bisher ist der Monarch damit sehr gut gefahren, wohin die Reise letztlich geht, weiß er aber wohl selber nicht genau.

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