Der milliardenschwere Borealis-Deal, den die Opposition unter Dauerbeschuss nahm, wurde öffentlich viel zu wenig kommuniziert, das Gespräch mit der Opposition nicht gesucht. Auf die Vorwürfe von Greenpeace und Fridays for Future, die OMV habe Umweltschützer durch Spionagefirmen überwachen lassen, gab es nur knappe Dementis. Ebenso zu den Untersuchungen unter den Mitarbeitern.
Und das alles, obwohl sich Seele seit dem Vorjahr mit Wolfgang Rosam den vermutlich teuersten heimischen Kommunikations- und PR-Berater leistet. Der sich gerne damit brüstet, mit allen Wichtigen und Einflussreichen dieses Landes, vom Bundeskanzler abwärts, bestens befreundet zu sein. Auf das Image-Debakel des Konzerns angesprochen, sagt Rosam lediglich, über Kunden spreche er nicht.
„Dieses Kommunizieren durch das Erzeugen von Angst ist heute undenkbar. Seele ist schlecht beraten und dürfte sich auch nichts sagen lassen“, lautet der einhellige Tenor in der PR-Branche. Wegen der Marktmacht der OMV will sich von den Agenturen lieber niemand namentlich nennen lassen.
„Eine völlig verfehlte Strategie, ein kleines Medium wie Dossier hochzuklagen. Dadurch wird der Konflikt erst forciert und das garantiert breite Berichterstattung“, meint Fritz Hausjell, Vize-Vorstand des Publizistik-Instituts an der Uni Wien. Er spricht von einer völligen Fehleinschätzung der Verantwortlichen, die „jetzt selbst draufgekommen sind, dass diese Vorgangsweise nicht klug ist“.
Ein Unternehmen in teilöffentlichem Besitz habe eine größere Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit und dürfe nicht auf Konfrontation setzen. Zum schon lange andauernden Konflikt mit den Umweltschützern meint Hausjell, wenn die Statements des Unternehmens ganz offensichtlich nicht ausreichten, um Zweifel und Kritik auszuräumen, „muss man sich intensiver darum bemühen, anstatt zu versuchen, die Probleme mit alten Konzepten zu lösen“.
Was empfiehlt der Experte?„Generell den Dialog suchen, nicht abwiegeln, Kritik ernst nehmen und so viele Informationen wie möglich anbieten.“ Selbst bei Berichten über Reisekostenabrechnungen (von Seele) oder über Gagen „ist für einen Spitzenmanager Emotionalität nicht angebracht, das ist hochgradig unprofessionell“. Auch solche Fragen seien sachlich zu beantworten.
Als ausgeprägtes Alphatier mit starker Persönlichkeit ist Seele kommunikativ schwer steuerbar. Seit seinem Antritt 2015 hat er einige Kommunikationschefs „verbraucht“. Michaela Huber, heute im Vorstand des ÖBB-Personenverkehrs, wurde verabschiedet. Nachfolger Johannes Vetter wanderte zum damaligen SPÖ-Chef Christian Kern ab. Magdalena Moll wurde kurz vor Weihnachten gegangen. Mit 1. Juni kommt der Handelsblatt-Journalist Hans-Peter Siebenhaar, der noch nie in einem Großkonzern tätig war. Fragt sich, ob ihn Seeles Nachfolger behält.
Seele beteuerte am Donnerstag, er gehe ausschließlich aus familiären Gründen und bleibe bis zum Ende seiner Vertragslaufzeit (Juni 2022). Nach mehr als einem Jahrzehnt im Flugzeug habe seine Familie „oberste Priorität“.
In den ersten drei Monaten 2021 fuhr die OMV eines der besten Quartalsergebnisse überhaupt ein. Der operative Gewinn stieg um 24 Prozent auf 870 Millionen, 394 Millionen davon kommen von Borealis.
Kommentare