Das große Fressen hat begonnen

Das große Fressen hat begonnen
Fusionen könnten heuer ein Volumen von weltweit 4000 Milliarden Dollar erreichen.

Fressen oder gefressen werden. In den Vorstandsetagen rund um den Globus macht sich eine eigenartige Stimmung breit. "In den Management-Teams wird jetzt überlegt, ob sie zu den Käufern oder zu den Gekauften gehören werden. Das erhöht den Druck auf jeden Einzelnen zu überlegen, wo Kaufobjekte sein könnten", beschreibt Michael Shaoul, Anlagestratege von Marketfield Asset Management. Damit sinke die Scheu vor wirklich großen Deals. Jetzt schneller als die Hauptkonkurrenz sein, lautet die Devise.

Hohes Tempo

In den Konzernen grassiert das Fusionsfieber. Diese Woche haben die heurigen Deals einen Gesamtwert von 1000 Milliarden Dollar erreicht. Diese Marke war im Vorjahr erst 54 Tage später erreicht worden. Überhaupt ist das Übernahmetempo derzeit so hoch wie schon seit sieben Jahren nicht mehr. Geht es so rasch weiter wie im April, werden die Fusionen und Übernahmen (Mergers & Akquisitions, M&A) heuer ein Gesamtvolumen von 4000 Milliarden erreichen. Das wäre nach dem Jahr 2007 das zweithöchste Wert (siehe Grafik). Und der Riesenfisch, den Viagra-Hersteller Pfizer in Großbritannien schlucken will, ist da noch gar nicht enthalten (siehe Bericht rechts).

Das große Fressen hat begonnen
"Die Zinsen sind tief, das begünstigt Übernahmen. Firmen zu kaufen ist attraktiver, als Geld unattraktiv anzulegen", beschreibt Monika Rosen-Philipp einen der Gründe für den rollenden M&A-Boom. Die Chefanalystin im Private Banking der Bank Austria ortet aber auch andere Gründe für die Fischzüge der Konzerne. Im Fall Pfizer etwa sei auch "das Steuerthema sehr spannend". Der US-Pharmariese würde sein außerhalb der Heimat verdientes Geld lieber investieren, als es zu Hause – höher – zu versteuern. Außerdem gebe es in Großbritannien (wo das Pfizer-Wunschziel Astra Zeneca sitzt) Steuervorteile für Erträge, die aus Patenten erwirtschaftet werden.

Dass große US-Konzerne in Europa auf Beutefang gehen, ist angesichts des vergleichsweise hohen Euro-Kurses eigentlich verwunderlich. Dafür hat Chefanalystin Rosen-Philipp zwei Erklärungen: Zum einen komme Europa gerade aus der Krise und biete zu vielversprechendere Aufschwungsfantasien als Amerika, wo die Konjunktur schon länger ganz gut läuft. Und zum anderen werden Übernahmen in Europa als sicherer Einstieg Richtung Osteuropa betrachtet, als etwa direkt nach Russland zu gehen. Auch dass die Aktienkurse in den USA und an vielen europäischen Börsen seit dem Krisentief ordentlich zugelegt haben und begehrte Objekte optisch recht teuer sind, sei kein Grund, dass die Übernahmewelle ein abruptes Ende findet, meint Rosen-Philipp. Denn die Unternehmensbewertungen "sind im historischen Vergleich noch nicht am Anschlag".

Rüstung

Auslaufende Patente, die große Konkurrenz durch Nachahmer-Produkte (Generika) sowie der Kostensenkungsdruck in den öffentlichen Budgets sind die Motivationen, warum gerade im Pharma-Bereich die Fusionswoge derzeit gar so hoch schlägt. "Die nächste Welle wird bei den Rüstungskonzernen kommen", sagt Rosen-Philipp voraus. Der Kostendruck der öffentlichen Hand werde auch dort eine massive Neuorientierung auslösen.

Das große Fressen hat begonnen
Dass nach dem Rekord-Fusionsjahr 2007 der tiefe Absturz samt Finanzkrise kam, könnte Anleger jetzt Ähnliches befürchten lassen. Rosen-Philipp hat dazu einige beruhigende Indizien parat. Vor sieben Jahren wurden 76 Prozent aller Übernahmen nur durch Cash finanziert – das geborgt war. Heuer entfallen nur 47 Prozent auf "Cash only", das ist der tiefste Wert seit 2001. Dafür wird heuer wesentlich mehr mit eigenen Aktien bezahlt. Beispiel: Die Übernahme von Whatsapp durch Facebook für sagenhafte 19 Milliarden Dollar wurde zu einem Gutteil mit Facebook-Aktien bezahlt. Nach den kräftigen Kursgewinnen im Vorjahr sind Aktien eine gute Währung für Zukäufe geworden.

Und noch etwas hat sich geändert, nämlich die Richtung, in der sich der Kurs des Käufers bewegt. In den letzten 20 Jahren ist der Aktienkurs des Übernehmers nach Bekanntgabe des Deals mehrheitlich gefallen. Dieser Trend hat sich umgedreht: Heuer legte der Kurs des Käufers in den ersten 24 Stunden nach Bekanntgabe der Übernahme um durchschnittlich 4,4 Prozent zu. Das ist der beste Wert seit Beginn der Datenerhebung 1995.

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