Das Auto, das denkt, lenkt und andere vor Staus warnt

Die meisten Tests laufen in Simulatoren ab
Grazer Zentrum "Virtual Vehicle" forscht an selbstfahrenden Kfz: Autoindustrie muss sich komplett umstellen.

Markus Schratter startet den Wagen, nimmt dann aber gleich beide Hände vom Lenkrad. Der Bordcomputer steuert – oder vielmehr: Dutzende kleine Steuergeräte manövrieren den Pkw um enge Kurven und lassen ihn vor plötzlichen Hindernissen rechtzeitig stoppen.

„Das Fahrzeug kann den Kurs hier immer wieder abfahren, ohne dass ich eingreife“, beschreibt Schratter, der am Dienstag den autonom fahrenden Wagen in Graz vorführt. Der adaptierte Ford ist einer von zwei selbstfahrenden Pkw, die das Grazer Forschungszentrum „Virtual Vehicle“ besitzt: Seit einem Jahrzehnt tüftelt die Gruppe an Systemen, die letztlich zu Roboterautos führen sollen.

„Wir sind im Umbruch in der Fahrzeugindustrie“, überlegt Geschäftsführer Jost Bernasch. „Wir kommen vom Maschinenzeitalter ins Software-Zeitalter.“ Das sei vergleichbar mit dem Sprung von der Pferdekutsche zum Automobil. „Virtual Vehicle“ entwickelt unter anderem jene Algorithmen, die nötig sind, damit der fahrerlose Pkw auf der Route bleibt. Getestet wird das großteils virtuell in Simulatoren. Weil das Zentrum aber zwei solcher Autos besitzt, kann auch die Kommunikation zwischen den beiden durchgespielt werden. Das ist wichtig für die Zukunft: Ohne Menschen, die eingreifen, müssen die Computer selbst miteinander „reden“, um beispielsweise Kollisionen zu vermeiden. Praktischer Nebeneffekt: Diese Autos können einander rechtzeitig vor Staus oder rutschigen Fahrbahnen warnen.

Umstellung nötig

Vor 20 Jahren wurde all dies noch als Science Fiction abgetan. Heute sind viele Pkw bereits mit Sensoren ausgerüstet, die bei Hindernissen piepsen, oder mit Systemen, die helfen, die Fahrspur zu halten. Nur noch zehn Jahre werde es dauern, bis 90 Prozent aller Neuwagen noch weit mehr können: Selbst einparken, autonom auf der Autobahn fahren. „Die Autoindustrie muss sich da komplett umstellen“, beschreibt Bernasch. „Die Wertschöpfung liegt nicht mehr in Scheinwerfern oder Karosserie, sondern in Softwaresystemen.“

Teurer mache das einen Pkw allerdings nicht, schätzt der Experte: „Die Basis-Hardware kostet immer weniger. Das wird wie bei Handys sein, man zahlt für Services, die man haben will, für eine gewisse Zeit extra.“

 

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