"Dann haben wir Chaos auf dem Bau"

Widerstand des österreichischen Baugewerbes gegen die EU-Dienstleistungskarte.
Bau-Sozialpartner lehnen die EU-Dienstleistungskarte ab und pochen auf Reform der Entsenderichtlinie.

Dienstleistungen machen zwei Drittel der Wirtschaftsleistung der EU aus. Sie schaffen 90 Prozent aller neuen Arbeitsplätze. Doch der europäische Binnenmarkt auf dem Dienstleistungssektor funktioniert noch nicht richtig, konstatierte die EU-Kommission und legte ein Reformpaket vor. Zentrales Element dabei: die sogenannte elektronische Dienstleistungskarte.

Ein Beispiel: Der selbstständige slowenische Maurer muss sich nicht mehr durch den österreichischen Behördendschungel kämpfen, wenn er hier einen Auftrag wahrnimmt. Stattdessen erhält er von den eigenen, slowenischen Behörden eine "europäische Dienstleistungskarte". Diese befähigt ihn, Aufträge in der gesamten EU anzunehmen. Das sei Bürokratieabbau und Erleichterung grenzübeschreitender Dienstleistungsangebote, sagt die Kommission.

Das sei "unfair" und berge die Gefahr, dass "Scheinselbstständige auf die Reise durch Europa geschickt werden", warnt hingegen der Vorsitzende der Gewerkschaft Bau-Holz, Josef Muchitsch (SPÖ). "Arbeitgeber und Arbeitnehmer sagen, wir wollen den Kommissionsvorschlag nicht. Der Vorschlag ist für uns als Sozialpartner unverständlich." Sozial- und Lohndumping würde dadurch Tür und Tor geöffnet. Misstrauen besteht auch gegenüber Behörden in einigen osteuropäischen Staaten, die bei der Vergabe dieser Dienstleistungskarte wesentlich weniger streng prüfen könnten als hierzulande. "Dadurch hätte man in Österreich", so Muchitsch, "keine Möglichkeit, den Fähigkeitsnachweis dieser Selbstständigen zu überprüfen." Sie würden ohne Arbeitnehmerschutz und mit einem wesentlich niedrigeren Lohnniveau arbeiten, von den Finanzbehörden nicht so streng und oft geprüft werden. Muchitsch: "Und dann haben wir das Chaos auf dem Bau."

Unfairer Wettbewerb

Schon jetzt beklagt die Baubranche einen Wettbewerb um niedrigere soziale Standards und Lohndrückerei. Sowohl Gewerkschaftsbund als auch die Bundesinnung Bau der Wirtschaftskammer Österreich sehen die Verantwortung dafür bei der europäischen Entsenderichtlinie. Seit der heimische Arbeitsmarkt auch für alle osteuropäischen Arbeitnehmer offen ist (Mai 2011 bzw. Jänner 2014), stieg die Zahl der Entsendungen nach Österreich um fast 400 Prozent. Zwar müssen in Österreich die gleichen Löhne wie im Herkunftsland bezahlt werden, die Lohnnebenkosten werden jedoch im Entsendestaat berechnet. Weil aber etwa in Polen, Ungarn oder Rumänien diese viel niedriger sind als in Österreich, ergibt sich für die Entsendefirmen ein "legaler, aber unfairer Wettbewerbsvorteil". So liegen die durchschnittlichen Kosten je Arbeitnehmer für einen Arbeitgeber in Österreich bei rund 55.300 Euro pro Jahr. In Ungarn betragen sie 10.670 Euro, in Rumänien 6580 Euro.

Die Forderungen nach einer Reform der Entsenderichtlinie, wie sie auch die Regierung in Wien verlangt, scheiterten bisher am Widerstand der Regierungen der osteuropäischen Staaten. In Österreich pochen die Soziapartner einhellig auf die Formel: "Gleicher Lohn für die gleiche Arbeit am gleichen Ort."

Dienstleistungskarte

Die Idee dahinter

Ein vereinfachtes elektronisches Verfahren soll es Dienstleistern, vor allem im Baugewerbe, erleichtern, die Auflagen zu erfüllen, um im EU-Ausland tätig zu werden. Die sogenannte Dienstleistungskarte wird laut den Plänen der EU-Kommission im Heimatland ausgestellt – und wäre für die gesamte EU gültig.

Die Schwierigkeit dabei

Sowohl Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmerverbände in Österreich befürchten,
dass dadurch Lohn- und Sozialdumping Tür und Tor geöffnet werden.

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