Coronahilfen: Handel bekommt über eine Milliarde zurück
Die vom Lockdown stark betroffene Handelsbranche bekommt nach Berechnungen verschiedener Institute durch den Umsatzersatz des Staates mehr als eine Milliarde Euro zurück. Das industrienahe Wirtschaftsforschungsinstitut EcoAustria hat laut "Kleine Zeitung" einen Ersatzanspruch des Handels von rund 350 Mio. Euro pro Woche errechnet. Das sozialliberale Momentum Institut geht in Summe von 1,5 Mrd. Euro für die knapp drei Schließwochen aus.
Der Einzelhandel bekommt je nach Betroffenheit einen Umsatzersatz von 20, 40 oder 60 Prozent. Kriterien sind der branchentypische Rohertrag (Anm. Differenz zwischen Umsatzerlösen und Waren- bzw. Materialeinsatz), mögliche Aufholeffekte und die Verkaufbarkeit der Ware, also deren Saisonalität und Verderblichkeit. Die Anträge können bis zum 15. Dezember über das Portal Finanzonline gestellt werden. Der private Handelsverband, der vor allem große Handelsfirmen vertritt, erwartet pro Lockdown-Woche einen Umsatzverlust von fast einer Milliarde Euro.
Bekleidungsgeschäfte und der Handel mit Schuhen und Lederwaren sowie der Verkauf von Blumen, Pflanzen und lebenden Tieren erhalten während der Schließphase vom Staat 60 Prozent ihres Umsatzes vom Vergleichszeitraum des Vorjahres. 40 Prozent des Umsatzes werden etwa dem Buchhandel, dem Handel mit Spielwaren, Fahrrädern, Sportartikeln, Bürobedarf, Antiquitäten und Textilien ersetzt. Mit 40 Prozent des Vorjahresumsatzes dürfen auch der Schmuck- und Uhrenhandel sowie der Handel mit Metall- und Baubedarf rechnen. 20 Prozent Umsatzersatz gibt es etwa für den Auto- und Möbelhandel sowie Verkäufer von Haushalts-, Unterhaltungs-und Telekommunikationsgeräten.
Demnach darf der Pkw-Handel nach Berechnungen von EcoAustria mit einer Ersatzrate von fast 100 Mio. Euro, der Bekleidungshandel mit 62 Mio. Euro, Metallwaren und Baubedarf mit 32 Mio. und der Möbelhandel über 18 Mio. Euro je Schließungswoche rechnen.
Gastronomie und Tourismus werden mit 80 Prozent entschädigt. Die Kosten hierfür schätzt das Momentum Institut auf knapp 2 Mrd. Euro. Bei Gästen, die nicht kommen konnten, ist das Geschäft weg und kann nicht nach- oder aufgeholt werden - damit erklärt sich die unterschiedliche Behandlung von Handel und Gastronomie bzw. Tourismus.
Das linke Institut Momentum spricht von "Überförderung" und sieht für manche Branche sogar eine bessere Lage als voriges Jahr. "Addiert man die staatlichen Wirtschaftsförderungen Kurzarbeit und Umsatzersatz und berücksichtigt die gesamte Umsatzentwicklung im ersten Lockdown sowie die aufgeholten Umsätze danach, steht eine Reihe von Handelsbranchen vor dem Weihnachtsgeschäft wesentlich besser da als im Vorjahr", sagte Oliver Picek, Chefökonom des Momentum Instituts, am Mittwoch laut einer Aussendung. Für einzelne Gruppen könne die Situation "natürlich sehr hart" sein, aber auf Branchenebene sieht das Thinktank das in den Zahlen "keineswegs" für alle Betriebe. "Im Schnitt blieb bisher in vielen Branchen ein Plus", so Picek.
Zahlen von der Statistik Austria gibt es erst für den Zeitraum Jänner bis September. Während der Lebensmittelhandel in den ersten neun Monaten reale Umsatzzuwächse von fast 7 Prozent erzielte, sind die Erlöse im Nicht-Lebensmittelhandel im Schnitt um 3,5 Prozent eingebrochen. Besonders schwer traf es den Bekleidungs- und Schuhhandel mit realen Umsatzrückgängen von durchschnittlich einem Fünftel. Zu den Gewinnern zählte hingegen neben dem Lebensmittelhandel auch der Versand- und Internet-Einzelhandel mit realen Umsatzzuwächsen von 12 Prozent. Auch Möbel, Heimwerkerbedarf und Elektrowaren waren heuer in der Zeit von Jänner bis September sehr gefragt, sodass die Geschäfte im Schnitt (real) etwa 4 Prozent mehr umsetzten. In Apotheken sowie im Kosmetikhandel gingen die Umsätze in diesem Zeitraum leicht um 2 Prozent zurück.
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