Corona-Zwangstests für Leiharbeiter: "Völliger Blödsinn"
In Österreich gibt es derzeit 71.000 Leiharbeiter. Gesundheitsminister Rudi Anschober (Grüne) will sie „flächendeckend“ auf das Corona-Virus testen. Details dazu werden kommende Woche präsentiert. Mit der Aktion sollen Corona-Cluster-Bildungen wie zuletzt im Post-Verteilzentrum verhindert werden.
In der heimischen Zeitarbeitsbranche herrscht völliges Unverständnis über die Maßnahme. Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter fühlen sich zu unrecht an den Pranger gestellt. Erich Pichorner, Bundesvorsitzender der Personaldienstleister in der Wirtschaftskammer (WKO) hält die angeordneten Corona-Tests gar für „einen völligen Blödsinn“ und „wahrscheinlich diskriminierend“. Nachsatz: "Was bitte soll das alles bringen?" Gewerkschafter Thomas Grammelhofer sieht Arbeitnehmer pauschal als "Seuchenvögel der Republik" verunglimpft.
Leiharbeiter nicht infektiöser
Niemand könne nachvollziehen, warum ausgerechnet Leiharbeiter infektiöser sein sollen als andere Arbeitskräfte, so Pichorner zum KURIER. Die ganze Debatte sei nur aus Deutschland übergeschwappt. Zustände wie beim Fleischverarbeiter Tönnies in Deutschland könne es aufgrund der unterschiedlichen Gesetzeslage in Österreich gar nicht geben. Bei den Betroffenen dort handle es sich auch nicht um Leiharbeiter im klassischen Sinne, sondern um ausländische Schein-Selbstständige, die in Massenquartieren untergebracht sind und keinen eigenen Kollektivvertrag haben. Auch habe der Fall gezeigt, dass der Schlachtbetrieb nicht ausreichende Schutzvorkehrungen getroffen habe, was nicht den Arbeitnehmern anzulasten sei.
Politisch motiviert
Aus den Vorfällen in Deutschland und in den Post-Verteilzentren werde jetzt völlig zu unrecht der gesamten Branche ein Strick gedreht. „Die ganze Aktion ist rein politisch motiviert“, schimpft Pichorner. „Manche in der Politik haben ein grundsätzliches Problem mit uns und nutzen jetzt die Chance, um uns schlecht zu machen“. Dabei werde völlig ausgeblendet, dass die Arbeitskräfteüberlassung in Österreich streng reguliert sei. Es gebe einen eigenen Kollektivvertrag, eine sozialrechtliche Gleichstellung mit dem Stammpersonal und die Branche bringe als wichtigster Kunde des AMS Tausende Arbeitslose, auch Asylberechtigte, (wieder) in Beschäftigung.
Vielfalt
„Den Leiharbeiter“ gebe es auch gar nicht, verweist er auf die Vielfalt der Beschäftigung, die vom Studentenjob über die temporäre Büroarbeit bis hin zur hochqualifizierten IT-Fachkraft reiche. Der Anteil von Asylberechtigten in der Zeitarbeitsbranche belaufe sich auf weniger als zehn Prozent, schätzt der Branchensprecher. Der Kollektivvertrag sichere ein ordentliches Gehalt, „wir sind keine Billigstlohn-Branche“.
"So sind wir nicht"
Auch Trenkwalder-Chef Arno Wohlfahrter stört die undifferenzierte Betrachtung einer ganzen Branchen: „Wie sagte unser Bundespräsident: So sind wir nicht“, bringt es Wohlfahrter auf den Punkt. Weder bei Trenkwalder noch bei den Beschäftigerbetrieben gäbe es derzeit Anlassfälle für Massentests. Präventiv zu testen, „stelle ich mir problematisch vor. Der Sinn erschließt sich mir nicht“. Die Leiharbeiter würden in einem Betrieb schließlich Seite an Seite mit dem Stammpersonal arbeiten.
Michel Verdoold, Chef von Randstad Österreich, wehrt sich auch gegen den Vorwurf der prekären Beschäftigung. "Alle unsere Leiharbeitnehmer stehen in einem aufrechten Dienstverhältnis mit uns und sind großteils langfristig bei nur einem einzigen Kunden im Einsatz. Sie verrichten dieselbe Arbeit wie das jeweilige Stammpersonal, unterliegen den gleichen Sicherheitsbestimmungen und sind diesem unbedingt gleichzustellen", sagt Verdoold. Sie mit einem erhöhten Infektionsrisiko in Verbindung zu bringen "entbehrt daher jeder Grundlage."
"Unterste Schublade"
Die zuständige Leiharbeiter-Gewerkschaft ProGe lehnt präventive Massentests ebenfalls kategorisch ab. Gewerkschafter Thomas Grammelhofer sieht eine ganze Berufsgruppe "als Seuchenvögel der Nation" verunglimpft und spricht von "unterster Schublade" der politischen Debatte. In einem Betrieb nur Leiharbeiter zu testen hält er sowohl für diskriminierend als auch für datenschutzrechtlich bedenklich. "Wir sind aber natürlich sehr dafür, im Anlassfall sofort zu testen, um Cluster-Bildungen zu verhindern", ergänzt Grammelhofer.
Um die Leiharbeitertests noch abzuwehren, haben Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter bereits einen Termin beim Gesundheitsminister vereinbart.
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