Dettling: „Die Großstadt macht noch einmal ärmer. Weil dort die Ressource Wohnraum knapp ist. Insgesamt muss man in Städten wesentlich mehr von seinem Einkommen fürs Wohnen ausgeben.“ Und dann wäre da noch der Klimawandel. Großstädte mit ihren Asphalt- und Betonschluchten werden da bei Hitzeperioden zu richtigen Glutöfen. In der Megastadt Singapur könnte bis zum Ende dieses Jahrhunderts die Durchschnittstemperatur dadurch um 7,1 Grad steigen, errechnete das dortige Zentrum der ETH Zürich Doch zurück nach Österreich.
Hierzulande leben und arbeiten zwei Drittel der Bevölkerung in ländlichen oder suburbanen Regionen. Laut diversen Studien der vergangenen Jahre werden davon mindestens zehn Prozent in die Großstadt (Wien, Graz oder benachbarte Städte wie München) abwandern. Werden Corona und Klimawandel diesen Trend stoppen? Nein. Aber die Experten und Manager orteten bei den Kommunalen Sommergesprächen einen neuen Gewinner der Corona- und Klimakrise: den suburbanen Raum. Also mittelgroße Städte ab 20.000 Einwohnern und die Regionen um sie herum. Dettling: „Sie sind überschaubar, es gibt kurze Wege, weniger Verkehr, aber ein gutes Angebot an Infrastruktur, Kultur, Arbeit.“
Für Österreich könnte das in naher Zukunft also bedeuten, dass Regionen wie der sogenannte Speckgürtel rund um Wien, das niederösterreichische Industrieviertel oder die Achse von St. Pölten nach Salzburg richtige Boom-Regionen werden. Noch dazu, wo man in Zukunft nicht mehr jeden Tag zur Arbeit nach Wien oder Graz pendeln muss. Das Arbeiten im Homeoffice wird zum fixen Bestandteil der künftigen Arbeitswelt gehören, ist A1-Vorstandschef Marcus Grausam überzeugt. Nicht zuletzt deshalb hat Kanzler Sebastian Kurz die Sozialpartner schon damit beauftragt, ein entsprechendes Regelwerk zu entwerfen, wie der KURIER berichtete.
Bei A1 hat sich das Datenvolumen seit Corona übrigens verdoppelt. Eine halbe Milliarde Euro investiert A1 laut Nagele jährlich in den digitalen Ausbau Österreichs. Derzeit liege der Schwerpunkt – passend zum Trend – in den suburbanen Zentren. Wie digital das Verhalten der Menschen durch die Krise wird, veranschaulichte bei den Sommergesprächen Robert Nagele, Vorstand für den Bereich Immobilien beim Lebensmittelkonzern Billa/Merkur. Die Bestellungen im Billa-Onlineshop haben sich gegenüber dem Vorjahr demnach verachtfacht, die Zahl der Click-und-Collect-Bestellungen (online bestellen, vor Ort abholen, Anm.) hätten ein Plus von 580 Prozent verzeichnet. Bis Jahresende soll die Anzahl der Click-&-Collect-Filialen daher von derzeit 140 auf 400 erhöht werden, so Nagele.
Schließlich spricht auch das Thema Regionalität für die Zukunft suburbaner Zentren, wie Herbert Greisberger, Chef der Energie- und Umweltagentur Niederösterreich, betonte. „In der Krise liegt ein besonderer Fokus auf Regionalität. Regionale Lebensmittel haben eine neue Wertigkeit, Urlaub in Österreich einen Imagegewinn und die Bedeutung regionaler Kreisläufe ist stärker ins Bewusstsein gedrungen als durch eine Vielzahl volkswirtschaftlicher Studien.“
Das habe auch unmittelbare Auswirkungen auf sein Unternehmen. „Wenn wir heute für die Gemeinden etwa beschaffen, so ist das Thema der Kostengünstigkeit nicht mehr das zentrale Kriterium. Regionalität und Qualität haben der kurzfristigen Wirtschaftlichkeit den Rang abgelaufen.“
Greisberger ortet übrigens noch ein weiteres interessantes Faktum: „Die Gemeindemilliarde wird von vielen Kommunen nicht genützt, um Bestehendes zu zementieren, sondern Neues zu entwickeln.“ Viele Gemeinden, gerade im suburbanen Raum, würden jetzt die Gelder für alternative Energieprojekte nutzen. Um den Klimawandel zu bekämpfen und um den Weg Richtung regionaler Stromautarkie einzuschlagen.
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