Langsames Wachstum, schlechte Stimmung: Wie sich China neu aufstellt
Elektroautos mit weiß-grünen Nummerntafeln machen sich im Stadtbild von Peking zunehmend breit. Auf den stark befahrenen Straßen im Zentrum der chinesischen Hauptstadt verfügt fast jedes zweite Auto über einen Elektroantrieb. Dennoch gibt es massive Überkapazitäten. Denn in den vergangenen Jahren sind Dutzende Hersteller aus dem Boden geschossen.
Der Staat hat neben der Solar- und Windindustrie auch massiv in die Elektromobilität investiert. Mehr als hundert Firmen ritterten zeitweise um die Gunst der vorwiegend jungen chinesischen Autokäufer. Sie liefern sich Preisschlachten und preisen sich gegenseitig aus dem Markt. 80 davon gibt es noch. „Am Ende werden sechs bis acht überbleiben“, sagt Franz Rössler der österreichische Wirtschaftsdelegierte im Aussenwirtschaftscenter der WKO in Peking.
Zukunftsängste
Dazu trägt auch bei, dass das Geld bei chinesischen Konsumenten nicht mehr so locker sitzt. Viele Chinesinnen und Chinesen plagen Zukunftsängste. Die Stimmung sei nicht mehr so gut, sagt Rössler: „Vom Optimismus vor der Corona-Zeit ist nichts mehr viel übrig geblieben.“
Getrübt wird die Konsumstimmung auch durch ein Pensionssystem, dass wegen der alternden Gesellschaft zunehmend in Schieflage gerät. Mit 55 Jahren, wie heute, werden viele künftig nicht mehr in Pension gehen können. Dazu kommt die hohe Jugendarbeitslosigkeit und ein marodes Gesundheitswesen. Das Wachstum ging zuletzt auf 4,8 Prozent zurück. Mit dem neuen Fünfjahresplan, zu dem vergangene Woche Beratungen stattfanden und der im März veröffentlicht werden soll, will die Regierung gegensteuern.
Konsum ankurbeln
Einen wichtigen Teil des Masterplans für die Jahre 2026 bis 2030 soll das Ankurbeln des Konsums ausmachen. So soll es etwa Zuschüsse für Familien und Pensionserhöhungen in ländlichen Regionen geben. Das Wohlstandsgefälle in China sei groß, sagt Rössler. Die Stärkung der Inlandsnachfrage soll die Abhängigkeit vom Export reduzieren, sagt der Wirtschaftsdelegierte. Die Wirtschaft müsse resilienter werden.
Das Land habe sich bereits in den vergangenen Jahren stärker nach innen gewandt, erzählt Ulf Hausbrandt, der stellvertretende Leiter der österreichischen Botschaft in Peking. Die Grundstimmung habe sich geändert. Die Abkopplung gehe schon länger vor sich.
Huawei-Ausstellungszentrum Da Vinci Hall in Peking.
Zukunftstechnologien
Auch bei Zukunftstechnologien muss China wegen Exportbeschränkungen der USA verstärkt auf Eigenentwicklungen setzen. Dafür soll massiv in Chiptechnologie und Künstliche Intelligenz investiert werden. Im Ausstellungszentrum Da Vinci Hall des chinesischen Elektronikriesen Huawei im Norden Pekings kann man sich ein Bild davon machen. Sanktionen der US-Regierung haben Huawei bereits vor mehr als fünf Jahren dazu gezwungenen, eigene Lösungen zu entwickeln. Weil Google den Zugriff auf das Handy-Betriebssystem Android und seine Dienste für Huawei-Geräte kappte, hat man ein eigenes Betriebssystem entwickelt. Auch bei der Chip-Technologie, bei der ebenfalls US-Sanktionen zum Tragen kamen, setzt man auf Eigenbau.
Die hauseigenen Chips der Ascend-Serie seien einzeln betrachtet vielleicht noch nicht auf dem Niveau vergleichbarer Produkte aus den USA. Durch mathematische Ansätze und Cluster-Lösungen habe man den Rückstand aber in vielen Bereichen kompensieren können, sagt der für Österreich zuständige Huawei-Sprecher Michael Nowak dem KURIER.
Anwendungen finden die Huawei-Chips auch bei Künstlicher Intelligenz. In den Bereich investiere Huawei jährlich über 20 Mrd. Euro, sagt Nowak. Auch in dem Huawei-Ausstellungszentrum nimmt KI breiten Raum ein. Die Modellfamlie Pangu kommt beim autonomen Fahren ebenso zum Einsatz, wie in der Industrie, bei Wettervorhersagen oder bei Chatbots.
Stofftiere aus der Provinz
Szenenwechsel. Hochtechnologie sucht man knapp 600 Kilometer westlich in der Stadt Changzhi in der Provinz Shanxi vergeblich, auch wenn auf der Fahrt dorthin zahlreiche Solarpaneele die Hügel pflastern. Einst gab es in der Gegend Stahlindustrie und Kohleabbau. Heute setzt man unter anderem auf Kunsthandwerk.
In Licheng werden Lihou-Tiger entworfen und gefertigt.
Bekannt ist die Region für seine Lihou-Tiger. Die Stofftiere, die nicht nur Kindern Glück bringen sollen, werden wenige Kilometer entfernt im Kreis Licheng von der Firma Qiao Lao Han hergestellt. Rund 1.000 Leute arbeiten für das Unternehmen. Viele nähen in den umliegenden Dörfern zuhause Teile der Glücksbringer zusammen.
In einem „Forschungslabor“ werden neue Designs entwickelt. 18 Mio Yuan (umgerechnet 2,2 Mio. Euro) habe man im vergangenen Jahr mit den Tigern umgesetzt, erzählt Firmenchef Yanbo Qiao. Heuer sollen es 26 Mio. Yuan werden. Das Gros der Tiger werde online verkauft, sagt Qiao. 90 Prozent davon in China.
Hinweis: Die Reisekosten nach China wurden von der China Media Group (CMG) und Huawei übernommen.
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